WirtschaftsWoche: Bei Sportwagen und Porsche denkt man an den 911. Wie stark wird der 911 mit seinem Heckmotor auch weitere Sportwagen von Porsche prägen?
Michael Steiner: Natürlich denken viele an den 911er – und das ist auch richtig so. Der 911er ist unser Markenkern, unsere Ikone. Er ist weltweit einzigartig, kein anderer Sportwagen mit solchen kompakten Abmessungen bietet ein 2+2-Sitzkonzept.
Das funktioniert nur mit dem Heckmotor. Außerdem trägt es zu dem unverwechselbaren Design bei. Selbstverständlich schauen wir uns das Konzept regelmäßig an und prüfen, ob und wie wir es weiterentwickeln.
Welche Möglichkeiten bietet das Heckmotor-Konzept in Hinblick auf Hybride und eine Elektro-Variante?
Wenn Sie sich den Elfer anschauen und dort noch eine Batterie möglichst günstig für den Schwerpunkt tief im Fahrzeug einbauen wollen, wird schnell klar, wie eng der Platz ist. Die Batterietechnologie entwickelt sich zu unserer Freude rasant weiter. Deshalb beschäftigen wir uns sehr genau mit der Frage, wann der richtige Zeitpunkt für eine Elektrifizierung des 911er ist. Uns schwebt eher ein Hybridkonzept wie beim 918 Spyder vor als ein reiner Elektro-Elfer.
Wie schnell kommt dieser Zeitpunkt?
Der Zeithorizont, in dem wir diesen Schritt für möglich halten, ist nicht mehr weit weg – wenn sich die Technologie so weiter entwickelt. Dann könnten wir die Vorteile der hochdrehenden Sportmotoren mit der Spontanität und dem Drehmoment der Elektromotoren kombinieren, so dass sich das Gesamtkonzept des 911 wie wir finden sehr positiv weiterentwickeln lässt. Aus heutiger Sicht wäre dies zum Ende dieses Jahrzehnts denkbar.
Zur Person
Michael Steiner (48) ist Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeug/Qualität bei Porsche. Der promovierte Maschinenbauer ist seit elf Jahren bei Porsche, zuvor war er sieben Jahre bei Daimler. Nachdem er sechs Jahre lang Leiter der Baureihe Panamera bei Porsche war, wurde Steiner zum Leiter der Gesamtfahrzeugentwicklung ernannt.
Wie passen eine schwere Batterie und die Fahrdynamik eines Sportwagens zusammen?
Bei unserem Le-Mans-Siegerauto 919 Hybrid haben wir gesehen, dass eine hochentwickelte Batterie ihr Zusatzgewicht mit einem überragenden Leistungsplus selbst unter extremen Motorsport-Bedingungen mehr als ausgleichen kann. Das lässt sich auch bei unseren Straßen-Supersportwagen beobachten: Beim Carrera GT ohne Hybrid spüren Sie womöglich etwas mehr Leichtigkeit in den Kurven, mit dem 918 Spyder sind Sie dennoch in jeder Lebenslage dramatisch schneller. Gewichtseitig ist die Batterie eine große Herausforderung, aber sicher kein KO-Kriterium in einem Sportwagen.
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
Die Kurvengeschwindigkeiten in einem heutigen 911 sind für ein Straßenauto bereits enorm. Welches Potenzial bietet künftig noch das Fahrwerk? Oder wird der Sportwagen noch stärker über den Antrieb definiert?
Die reine Längsdynamik – sprich beschleunigen und bremsen – gibt es heute auch in ganz anderen Fahrzeugkonzepten. Bei der Querdynamik, also den Kurvengeschwindigkeiten, haben wir über alle Jahre immer wieder Fortschritte erzielt – zum Beispiel der aktive Wankausgleich, die Allradlenkung im 911 oder das Torque Vectoring. Sie können sicher sein, dass wir auch bei einem Hybrid alles tun werden, um das Bestmögliche aus dem Fahrwerk herauszuholen. Wir sind uns sicher, dass wir uns hier vom Wettbewerb abheben können – auch morgen. An dieser Stelle kann ich aber nicht weiter ins Detail gehen, um nicht zu viel zu verraten.