Porsche-Prozess Der Aufmarsch der Ahnungslosen

Am Donnerstag halten die Staatsanwälte im Stuttgarter Porsche-Prozess ihre Plädoyers. Der einstige Porsche-Lenker Wendelin Wiedeking kann dem Urteil nächste Woche einigermaßen entspannt entgegensehen. Denn dank ausgeprägter Erinnerungslücken vieler Zeugen wurde im Prozess wenig Belastendes zu Protokoll gegeben.

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Ex-Porsche-Chef Wiedeking könnte vor Gericht freigesprochen werden. Quelle: dpa Picture-Alliance

Nur mal angenommen, der Porsche-Prozess am Stuttgarter Landgericht sei keine so ernste Angelegenheit. Also angenommen, es ginge nicht darum, ob mit dem Ex-Porsche-Lenker Wendelin Wiedeking ein einstmals im ganzen Land hofierter Star-Manager ins Gefängnis muss.

Angenommen, es müsste in Stuttgart nicht geklärt werden, ob die versuchte Übernahme von Volkswagen durch Porsche eines der größten Ganovenstücke der jüngeren Geschichte war, bei dem mit perfiden Methoden zweistellige Milliardensummen aus den Taschen internationaler Zocker (Fondsgesellschaften) in die Taschen österreichischer Zocker (Familien Porsche und Piëch) umgelenkt wurden.

Und schließlich auch angenommen, dass der  Prozess nicht nebenbei über die Attraktivität Deutschlands für internationale Kapitalanleger entscheidet, weil er der Welt sagen wird, wie gut oder schlecht wir hierzulande Aktionäre vor Betrügereien schützen.

Das alles einfach mal angenommen, war der Prozess, in dem am Donnerstag die Staatsanwälte ihr Plädoyer halten werden und am Freitag kommender Woche das Urteil gesprochen werden soll, irgendwie auch eine amüsante Veranstaltung. Die Hauptrollen hatten dabei nicht der Angeklagte Wiedeking und der ebenfalls angeklagte, frühere Finanzvorstand von Porsche, Holger Härter, die bis auf zwei verlesene Statements vor Gericht schwiegen.

Die unterhaltsamen Akteure in Stuttgart waren Top-Manager, Spitzenanwälte und Investmentbanker, die in den Jahren 2005 bis 2009 beim Angriff von Porsche auf das Übernahmeziel Volkswagen die Strippen zogen und die wohl mehrheitlich zur Elite ihres Berufsstandes gezählt werden dürfen. Kaum im Zeugenstand Platz genommen, glänzten die hochbezahlten Superhirne jedoch durch frappierende Erinnerungslücken, durch Begriffsstutzigkeit, Inkompetenz und eine für ihre Profession eher unübliche Bescheidenheit: Als kleines Licht, so ließen manche durchscheinen, hätten sie in viele Vorgänge gar keinen Einblick gehabt.

Wir wussten nichts und wenn wir doch was wussten, haben wir es inzwischen vergessen – so stellt man sich Mafia-Prozesse in Sizilien vor. Der Vorsitzende Richter Frank Maurer nahm etlichen Zeugen ihre plötzlichen Alzheimer-Attacken nicht ab, was zu unterhaltsamen Dialogen führte. Ein paar Kostproben:

Maple-Bank-Manager Weimer: Blockade

Die Maple Bank in Frankfurt war in der Übernahmeschlacht der wichtigste Partner von Porsche. Umgekehrt hingen die Gewinne der kleinen Bank ganz überwiegend von den Optionsgeschäften mit Porsche ab. Wenn die Bank die Wünsche eines Kunden bis ins Detail kannte, dann die von Porsche. Und wenn einer den Stuttgartern jeden Wunsch von den Lippen lesen musste, dann war es Maple-Banker Hans-Jürgen Weimer, der die Geschäftsbeziehungen zur Porsche steuerte.

Diese Wirtschaftspromis standen 2015 vor Gericht
Deutsche Bank Das wohl spektakulärste Wirtschaftsstrafverfahren 2015 war wohl der Deutsche-Bank-Prozess. Co-Chef Jürgen Fitschen, seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere Ex-Manager des Branchenprimus stehen seit April vor dem Landgericht München. Sie sind wegen versuchten Prozessbetrugs angeklagt. Sie sollen Richter betrogen haben, um die Deutsche Bank vor Schadenersatzzahlungen an den Medienunternehmer Leo Kirch zu bewahren. Fitschen sieht sich zu Unrecht verfolgt. Er habe nie gelogen oder betrogen, versicherte er vor Gericht. Auch die anderen Angeklagten wiesen die Vorwürfe zurück. Der Prozess könnte bereits im Januar 2016 zu Ende gehen. Quelle: dpa
Sal. OppenheimDer Sal.-Oppenheim-Prozess ist ein Symbol für den tiefen Fall von Edelbankern. Zwei Jahren saßen die vier Ex-Chefs der Kölner Nobelbank auf der Anklagebank. Im Juli wurden sie verurteilt, einer von ihnen soll ins Gefängnis. Die beiden bekanntesten, der Ex-Sprecher Matthias Graf von Krockow und der Erbe Christopher von Oppenheim (Foto), kamen mit Bewährungsstrafen davon. Quelle: REUTERS
Sal. OppenheimWiederum ihr ehemaliger Geschäftspartner, der Immobilienmanager Josef Esch, den viele als den eigentlichen Strippenzieher sehen, wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Spitze der einst größten Privatbank Europas hatte sich nach Überzeugung des Kölner Landgerichts der gemeinschaftlich begangenen Untreue in einem besonders schwerem Fall schuldig gemacht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft und zwei der Ex-Banker haben Revision eingelegt. Quelle: dpa
PorscheDie Übernahme von Volkswagen sollte in den Jahren 2008 und 2009 das Meisterstück des damaligen Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking werden. Doch die Sache ging schief, der einstige Topmanager verlor seinen Posten. Seit November diesen Jahres muss sich der 63-Jährige vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Quelle: dpa
PorscheSowohl Wendelin Wiedeking als auch seinem Finanzvorstand Holger Härter (Foto) wird Marktmanipulation vorgeworfen. Sie sollen versucht haben, den Kurs der VW-Aktie zu beeinflussen. Quelle: REUTERS
Hanns W. FeigenUmringt von Star-Verteidigern, wie etwa Hanns W. Feigen, sitzt Wiedeking in stoischer Ruhe im Gerichtssaal. Er und Härter haben die Vorwürfe zurückgewiesen. Planmäßig dauert der Prozess bis Anfang 2016. Anwalt Hanns W. Feigen stand schon Steuersünder Uli Hoeneß juristisch bei, auch der Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen lässt sich von ihm vertreten. Quelle: dpa
ArcandorThomas Middelhoff, der frühere Chef des Handelskonzerns Arcandor (Karstadt, Quelle, Thomas Cook), und weiteren Ex-Vorständen droht wohl im kommenden Jahr ein weiterer Strafprozess. Ermittler halten Millionen-Boni aus den Jahren 2006 bis 2009 angesichts der Firmenpleite für nicht gerechtfertigt. Die Staatsanwaltschaft Bochum habe Klage gegen Middelhoff sowie fünf weitere Ex-Vorstände und neun frühere Aufsichtsräte beim Landgericht Essen eingereicht. Der Vorwurf: Untreue in besonders schwerem Fall und Beihilfe. Erst im vergangenen Jahr musste sich der frühere Top-Manager wegen Untreue und Steuerhinterziehung verantworten. Nach 35 Verhandlungstagen verurteilte ihn das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Gegen das Urteil hat Middelhoff Revision eingelegt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht noch aus. Quelle: dpa

Weimer ist nun als Zeuge geladen und der Vorsitzende Richter will von ihm wissen:

„Also Ziel der ganzen Aktion war, dass Sie von Maple-Seite aus Optionen bis zu einem Volumen von 40 Prozent aufbauen?“

Zeuge: Das weiß ich nicht mehr, was das Ziel war. Das Ziel ist ja vorgegeben worden vom Kunden, nicht von uns selbst.

Richter: Welches Ziel hat der Kunde vorgegeben?

Zeuge: Das weiß ich nicht mehr jetzt.

Richter: Herr Weimer, jetzt wird es irgendwie...

Zeuge: Ich kann die Zahlen nicht sagen. Ich weiß die Zahlen nicht mehr. Na gut, es ist nachher zu einer Mehrheitsbeteiligung geworden, weil im Prinzip Porsche eine Übernahmeofferte gemacht hat und in dem Zusammenhang natürlich ist dann immer weiter aufgebaut worden und das...

Richter: Irgendwie, ich weiß nicht... Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie sich entweder unwohl fühlen oder blocken.

Zeuge: Also unwohl fühle ich mich natürlich, das ist doch klar.

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