Ab diesem Sommer schickt Google selbstfahrende Autos an seinem Firmensitz im kalifornischen Mountain View auf die öffentlichen Straßen. Die elektrisch betriebenen Mobile ohne Lenkrad und Pedale sollen dort ihre Alltagstauglichkeit belegen. Auch in Deutschland testen Autobauer derartige Robo-Gefährte. Ein Stück der Autobahn A9 zwischen Nürnberg und Ingolstadt soll Teststrecke werden. Die Ingenieure sind sich sicher: Sie haben die Systeme so gut im Griff, dass selbstfahrende Autos die Straßen erobern könnten – wären da nicht noch reichlich ungeklärte rechtliche Fragen.
Herr Stancke, wer haftet beim Unfall eines Roboterautos: Insasse oder Hersteller?
In erster Linie der Halter des Autos. Das ist heute so und wird auch morgen so sein. Der bloße Gebrauch eines Fahrzeugs gilt als Gefahrenquelle. Daher haftet grundsätzlich der Halter – außer bei höherer Gewalt oder bei Mitverschulden eines Dritten.
Und wenn ein Softwarefehler Ursache war?
Dann kommt die Produkthaftung ins Spiel. Der Versicherer des verunglückten Fahrzeugs würde versuchen, den Hersteller in Regress zu nehmen. Der technische Fortschrittverschiebt die Verantwortung vom Fahrer zum Halter oder Hersteller. Ohne neue Regeln nehmen Streitfälle zwischen Versicherern und Autoherstellern zu.
Zur Person
Fabian Stancke, 45, lehrt Versicherungsrecht an der European Law School in Braunschweig/ Wolfenbüttel und ist Rechtsanwalt im Berliner Büro der internationalen Kanzlei Dentons. Seine Karriere begann er bei der Allianz in München.
Ist die Industrie auf all diese komplexen Fragestellungen vorbereitet?
Die Diskussion beginnt gerade erst – sowohl bei den Herstellern, den Versicherungen als auch in den Ministerien.
Zwei Roboterautos fahren mit Tempo 120 auf der Autobahn, der Wind drückt eines gegen das andere. Wer ist schuld?
Wenn so was vorhersehbar und bei der Programmierung der Steuerung vermeidbar gewesen wäre, wird die Versicherung den Autohersteller mit Hinweis auf die Produkthaftung in Regress nehmen.
Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos
Autopiloten sind in Flugzeugen Standard. Auch in Schiffen übernimmt zumindest außerhalb der Häfen oft der Computer das Ruder. Am Ende geht es auch beim autonomen Fahren um einen Autopiloten, der das Fahrzeug steuert. Doch der Autoverkehr ist komplex. Auf der Autobahn können die Prototypen der Industrie bereits ohne größere Probleme ohne Eingriffe des Fahrers unterwegs sein. Im Stadtverkehr wird es schon schwieriger. Halbautomatische Funktionen sind allerdings inzwischen Alltag. Ob Tempomaten, Einparkhilfen, Stauassistenten oder Abstandsregler - viele Funktionen entlasten den Fahrer bereits. Auch etwa Mähdrescher können längst eigenständig über das Feld fahren.
Eins der wichtigsten Argumente ist die Sicherheit. Die meisten Unfälle gehen auf Fahrfehler zurück. Weit oben in der Statistik: zu hohe Geschwindigkeit, zu geringer Abstand oder Abbiegefehler. Automatisch gesteuerte Autos würden solche Fehler minimieren. Denn Risikofreude, Spaß an der Geschwindigkeit und Selbstüberschätzung kennt ein Computer nicht. Er bremst, wenn der Abstand zu gering wird und nimmt nicht aus Unachtsamkeit anderen die Vorfahrt.
Die Entwicklung ist recht weit fortgeschritten. BMW etwa testet seit Jahren automatisch fahrende Autos, auch auf deutschen Autobahnen. Die Fahrzeuge können auch eigenständig überholen. Solche Tests müssen sich die Hersteller aber von Behörden genehmigen lassen. Audi ließ jüngst zur US-Technikmesse CES einen Wagen „autonom“ rund 900 Kilometer aus dem Silicon Valley nach Las Vegas fahren. Auch Daimler präsentierte auf der CES seine Vision für ein selbstfahrendes Auto der Zukunft. Der silberne Mercedes-Prototyp fuhr autonom auf die Bühne nach einer Tour durch die Wüste und die Hotel-Meile der Glücksspiel-Stadt. Zumindest für die Autobahn können sich manche Hersteller pilotiertes Fahren bereits in fünf bis sieben Jahren vorstellen.
Hier beginnen die Schwierigkeiten jenseits der Technik. Die erste Hürde ist das „Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr“ von 1968, das die Basis für die meisten Verkehrsregelungen ist. Darin gibt es zwar Hinweise zu Zugtieren, aber von selbstfahrenden Autos ist nicht die Rede. Dafür aber davon, dass jedes Auto einen Fahrer braucht, der am Ende verantwortlich ist. Dass Autofahrer am Ende Verantwortung und Kontrolle völlig abgeben werden, gilt eher als unwahrscheinlich. Noch fehlen dafür aber Regeln und Gesetze. Bei den bisher fahrenden Prototypen auf normalen Strecken müssen in Deutschland die Fahrer darauf geschult sein.
Europas größter Versicherer, die Allianz, würde auch selbstfahrende Autos versichern. Allerdings würde sich die Risikoeinschätzung ändern, denn das Risiko verlagere sich vom menschlichen Fehler des Fahrers zum Entwickler der Autopiloten. Allerdings glauben die Versicherer nicht daran, dass es vollständig selbstfahrende Auto geben wird. Ein Fahrer werde auch künftig einen Führerschein brauchen, und das Gefährt im Notfall oder in Situationen wo es nötig ist, kontrollieren zu können.
Sicherlich auch, um Kunden mit immer ausgereifteren Extras zu locken. Doch daneben spielt auch die mögliche Konkurrenz durch andere Spieler eine Rolle. So arbeitet etwa auch der Internetkonzern Google seit einigen Jahren an selbstfahrenden Autos.
Computer kennen weder Stress noch Müdigkeit. Kann da künftig noch viel schiefgehen?
Genau das soll die Technik leisten. Wir haben die Riesenchance, die Unfälle im Straßenverkehr drastisch zu reduzieren. Dazu müssen die gefährlichen Situationen, die heute zu Unfällen führen, in der Steuerung vorweggenommen und Lösungen programmiert werden. Das ist technisch und juristisch herausfordernd, weil wir Haftungsfragen, Verkehrs- und Versicherungsrecht zusammen betrachten müssen.
"Die Promillegrenze könnte fallen"
Der Fahrer wird mehr oder minder Passagier. Ist er also künftig rechtlich aus dem Schneider?
Bei voll automatisiertem Fahren ist er haftungsfrei zu stellen. Der Insasse eines Taxis haftet auch nicht für die Fehler des Chauffeurs, solange er nicht ins Geschehen eingreift.
Hände weg vom Lenkrad - Autonomes Fahren soll 2017 kommen
Noch sind solche Fahrten Zukunftsmusik. Wie aber sieht es mit teilautonomem Fahren aus – auf der Autobahn oder im Parkhaus?
Viel komplizierter. Nach dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 muss der Fahrer sein Auto unter allen Umständen beherrschen. Die Verantwortung liegt hier also weiter bei ihm.
Das will die Industrie ändern: Nach Einschalten der Spurhalte- und Abstandsregelung soll die Technik verantwortlich sein.
Die jetzt diskutierten Ansätze halten auch nach dem Start der Systeme den Menschen für verantwortlich. Das ist eine konservative Einstellung. Gerade die Mischung aus individuellem und autonomem Fahren birgt juristisch reichlich Quellen für Streitfälle. Die Probleme daraus werden sich wohl nur schrittweise klären lassen.
Welche Assistenzsysteme es schon gibt und wann Roboter das Steuer komplett übernehmen
• Spurwechselassistent
• Spurhalteassistent
• Parkassistent (teilautomatisch)
Notbremsfunktion und Fußgängererkennung
• Parken per Smartphone-App
• Baustellenassistent
• Notausweichassistent
Stauassistent
• Automatischer Notausweichassistent
• Kreuzungsassistent
• Smartphonegesteuerter Einparkassistent
• Autobahnpilot (teilautomatisch)
• Autobahnchauffeur (vollautomatisch)
• Automatisches Fahren in der Stadt
• Voll automatisiertes Parken
Hochautomatisiertes Fahren (von Tür zu Tür)
Brauchen wir künftig noch Führerscheine? Selbst Kinder dürften Fahrziele programmieren können.
Für Roboterautos braucht es keine Führerscheine mehr. Solange es reicht, Fahrziele zu programmieren, und sich dann das Auto an die Verkehrsregeln hält, gibt es keinen Grund, Kindern den Gebrauch solcher Autos zu verbieten.
Auch die Promillegrenze...
...könnte fallen, solange sicher ist, dass der betrunkene Insasse keinen Unfug treibt; er das Auto etwa zum Kippen bringt.
Wie weit sind die ethischen Fragen geklärt?
Als Hauptproblem sehe ich Auswahlentscheidungen: Nimmt das Fahrzeug im Zweifel den Tod von Menschen und Tieren in Kauf, schützt es eher Insassen oder schwächere Verkehrsteilnehmer, wie Kinder? Ich habe aber das Gefühl, dass diese Fragen derzeit überhöht werden. Juristen werden manchmal Philosophen. Wichtiger wäre es, mit Programmierern zu diskutieren, ob sich solch abstrakte Auswahlsituationen überhaupt ergeben und wie sie sich lösen lassen.