Schwächelnde Industriesparte Schaeffler streicht weitere 500 Jobs

Der Zulieferer Schaeffler macht Abstriche. Weil der Industriebereich schwächelt, sollen dort 500 Arbeitsplätze wegfallen. Ein deutliches Wachstum in der E-Branche soll diese Schwäche ausgeglichen werden, so der Plan.

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75 Jahre sind kein Grund zum Aufhören
Um Geld muss sie sich schon lange keine Sorgen mehr machen und auch ihr Unternehmen fährt inzwischen in ruhigerem Fahrwasser. An den verdienten Ruhestand denkt Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann deswegen trotzdem keinen Moment lang. Daran ändert auch ihr demnächst anstehender runder Geburtstag nichts. Die Mitgesellschafterin des Autozulieferers Schaeffler, die zusammen mit ihrem Sohn Georg zu den reichsten Deutschen gehört, feiert am kommenden Mittwoch (17. August) ihren 75. Geburtstag. Quelle: dpa
Persönlich äußert sich die Unternehmerin über ihre Zukunftspläne zwar öffentlich nicht. Über einen Vertrauten sendet sie jedoch eine unmissverständliche Botschaft aus: „75 Jahre stellt für Frau Schaeffler-Thumann keine Zäsur in ihrem Leben dar. Sie wird sich keineswegs aus dem Unternehmen zurückziehen“, berichtet ein Bekannter der Unternehmerin. Im Gegenteil: Sie werde firmenintern ihre bisherigen Aufgaben weiter in vollem Umfang wahrnehmen. Quelle: dpa
Dazu ist wohl auch die Identifizierung mit dem Lebenswerk ihres bereits 1996 verstorbenen Mannes viel zu groß. Inzwischen zu einem Weltkonzern aufgestiegen ist das Unternehmen für die „Schaefflerin“, wie man sie am Firmenhauptsitz Herzogenaurach gerne nennt, weiterhin „eine große Familie“, wie sie unlängst in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ bekannte. Selbst nach dem Umbau von Schaeffler zur Aktiengesellschaft im Jahr 2012 bleibt sie das Gesicht des Unternehmens. Quelle: REUTERS
Dabei hätte sie das Familienunternehmen zusammen mit dem früheren Schaeffler-Vorstandschef Jürgen Geißinger bei der Übernahme des Konkurrenten Continental im Jahr 2008 beinahe an die Wand gefahren. Als „Hasardeurin“ wurde sie beschimpft, als die Firma Schaeffler zunächst nur 49,9 Prozent der Conti-Anteile übernehmen wollte, plötzlich aber 90 Prozent der Conti-Papier besaß – und damit unter einem existenzbedrohenden Zwölf-Milliarden-Euro-Schuldenbetrug ächzte. Viele Conti-Anteilseigner hatten mitten in der Finanzkrise das Schaeffler-Angebot von 75 Euro je Aktien gern angenommen. Quelle: dpa
Die Wogen sind längst geglättet. Das inzwischen in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Unternehmen ging im Vorjahr an die Börse. Ein Teil seines milliardenschweren Schuldenbergs ist inzwischen abgebaut. Und die Firmenpatriarchin blickt inzwischen entspannter auf die turbulenten Jahre 2008 und 2009 zurück. Gefragt, wie sie die damals über sie ausgegossenen Schmähungen ertrug, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“: „Man schüttelt sich wie ein nasser Pudel und lässt alles hinter sich.“ Quelle: AP
Ihr privates Glück hat sie inzwischen in dem früheren Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, gefunden. Beide gaben sich 2014 in Kitzbühel das Ja-Wort – unter Umständen, die viel über die verschwiegene Unternehmerin aussagen. „Wir waren damals zum Geburtstag von Frau Schaeffler eingeladen. Plötzlich hieß es, es finde vorher noch ein Gottesdienst statt“, berichtet ein Schaeffler-Vertrauter. Dort habe sie zur Verblüffung der Geburtstagsgäste mit Jürgen Thumann auf einmal den Ehebund geschlossen. Quelle: dpa
Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann ist in Prag geborgen und in Wien aufgewachsen. Als junge Medizinstudentin traf sie auf den 24 Jahre älteren Georg Schaeffler. Beide sahen sich vor der Hochzeit 1963 nur drei Mal. Ihr Mann bezog sie bald ins Tagesgeschäft des Wälzlager-Herstellers ein. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie in der männerdominierte Branche selbst die Geschäfte und baute das Unternehmen unter anderem mit der feindlichen Übernahme des börsennotierten Konkurrenten FAG Kugelfischer weiter aus. 2016 hatte die Schaeffler AG rund 84.000 Mitarbeiter bei einem Jahresumsatz von 13,2 Milliarden Euro. Quelle: REUTERS

Anhaltende Probleme in der Industriesparte zwingen den Autozulieferer Schaeffler zu erneuten Stellenstreichungen. Das Unternehmen will in nächster Zeit weitere 500 Arbeitsplätze im Industriebereich abbauen, wie Vorstandschef Klaus Rosenfeld am Mittwoch in Herzogenaurach ankündigte. Betroffen seien vor allem Verwaltungsjobs in europäischen und amerikanischen Werken.

Ziel der „Effizienzmaßnahmen“ sei eine Senkung der Herstellungs- und Verwaltungskosten, um den Industriebereich wieder profitabler zu machen. In den nächsten drei Jahren solle so „das Ergebnis der Industriesparte um rund 60 Millionen Euro verbessert werden“, kündigte Rosenfeld an.

Das Unternehmen reagiert damit auf das rückläufige Industriegeschäft. Im dritten Quartal sank der Umsatz dieser Sparte im Vergleich zum Vorjahresquartal um 6,8 Prozent auf 741 Millionen Euro. Der Gewinn vor Steuern sank sogar um fast ein Drittel - von 77 auf 53 Millionen Euro. Konzernweit blieb Schaeffler wegen des weiter rund laufenden Autogeschäfts aber auf Wachstum programmiert: Der Konzernumsatz stieg im dritten Quartal um 0,9 Prozent auf 3,265 Milliarden Euro.

Die weltweit größten Autozulieferer

Schaeffler will Umsatz stärker steigern - E-Autos im Fokus

Durch einen höheren Absatz von Teilen für Elektro- und Hybridautos will Schaeffler aber künftig trotzdem etwas kräftiger wachsen. So sollen die Schwächen in der Industriesparte ausglichen werden. Bis zum Jahr 2020 soll der Umsatz währungsbereinigt jedes Jahr um vier bis sechs Prozent steigen, kündigte Vorstandschef Klaus Rosenfeld am Mittwoch an. Schaeffler wolle langfristig profitabel wachsen, sagte Rosenfeld. Weil im Industriegeschäft der Markt nicht vom Fleck kommt, und die Preise sinken, ist "eine zweite Welle von Kostensenkung" samt Stellenabbau geplant.

Schaeffler setze bei seiner künftigen Strategie auf umweltfreundliche Antriebe und neue Formen der Mobilität, erläuterte der Vorstandschef. Die genaue Entwicklung der Elektromobilität sei allerdings schwer vorherzusagen. Im Jahr 2030 könnten zehn Prozent aller produzierten Fahrzeuge weltweit reine E-Autos sein, möglicherweise auch 30 Prozent. Gemeinsam mit Hybridfahrzeugen könne der Anteil zwischen knapp 50 und 70 Prozent liegen.

Für den Zulieferer ergäben sich vor allem bei Hybridfahrzeugen mit ihren zweierlei Antriebsarten Absatzchancen, bei reinen E-Autos seien sie geringer. Laut Rosenfeld befinden sich derzeit in einem Pkw im Schnitt für rund 110 Euro Produkte von Schaeffler. Vor allem Motor, Getriebe und Fahrwerk seien relevant. Um das Geschäft mit der E-Mobilität voranzubringen, will der Konzern bis 2020 hier weitere 500 Millionen Euro investieren; die Zahl der Mitarbeiter in diesem Bereich - derzeit rund 1200 - soll sich verdoppeln.

Im Industriegeschäft, wo der Markt schwächelt, viele chinesische Hersteller für starken Wettbewerb sorgen und die Preise verfallen, will Rosenfeld den Sparkurs verschärfen. Der Umsatz ging hier im ersten Halbjahr um fünf Prozent zurück, die Rendite sank auf 7,8 Prozent. "Wir wollen zehn bis elf Prozent Marge erreichen", sagte der Vorstandsvorsitzende. Das gehe nur, wenn dem ersten Jobabbauprogramm ein zweites folge. Details nannte er nicht. Die Verhandlungen dazu liefen noch. Eigentlich war für die Industriesparte eine Zielmarge von 13 Prozent ausgegeben.

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