Die Deutschen hegen und pflegen ihre Autos wie kaum ein anderes Volk in Europa. Kein Wunder also, dass die deutschen Gebrauchtwagen auch im Ausland beliebt sind. Nicht nur die Qualität der Second-Hand-Ware ist besonders hoch, auch die Vielfalt der Modelle ist im Vergleich zu anderen europäischen Märkten hierzulande höher - und es kommt ständig frische Ware nach. Denn während die Franzosen erst nach zehn Jahren oder länger an den Kauf eines neuen Wagens denken, entscheiden sich die Deutschen im Schnitt alle fünf bis sechs Jahre für ein neues Modell und sorgen damit ständig für Nachschub beim Gebrauchtwagenhändler.
Deshalb werfen immer mehr Kunden aus den westlichen, östlichen und südlichen Nachbarstaaten einen Blick in die deutschen Inserate. Auch die Skandinavier interessieren sich zunehmend für junge, deutsche Gebrauchte. Eine Händlerbefragung im Auftrag des Onlineportals Autoscout24 ergab, dass im vergangenen Jahr fast 18 Prozent der Gebrauchten ins Ausland verkauft wurden - fast drei Prozent mehr als im Vorjahr. Branchenexperten sind sich einig: Das ist erst der Anfang. Das Nachfrage wird weiter steigen.
Diese deutschen Gebrauchten liebt das Ausland
Die Abflüsse von Gebrauchtwagen werden von keiner Stelle statistisch genau erfasst. Eine Annäherung, welche Länder das größte Interesse an deutschen Gebrauchten haben, bietet eine Auswertung des Onlineportals mobile.de. Das Portal zählt neben autoscout24.de zu den größten Verkaufsplattformen für deutsche Gebrauchtwagen im Netz. Mobile.de erhält die meisten Zugriffe nach Deutschland aus: Polen, Rumänien, Russland, Österreich, Ungarn, Frankreich, Ukraine, Niederlande und Bulgarien.
Autokäufer aus Frankreich suchen mit Abstand am häufigsten nach der Marke VW (48%), gefolgt von Audi (17%) und BMW (9%). Nach der französischen Marke Renault suchen beispielsweise nur 3 Prozent der User aus Frankreich. Das von französischen Usern mit Abstand am häufigsten gesuchte Modell ist der Golf (43 %) aus den Jahren 2009 bis 2012 oder als Neuwagen. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der A3 (15%) und der A4 (13%) von Audi. Auf Platz vier kommt der BMW 320 (9%).
Quelle: mobile.de
Autokäufer aus Russland hingegen interessieren sich insbesondere für Geländewagen und SUVs. Beliebteste Modelle sind die M-Klasse von Mercedes und der X5.
Quelle: mobile.de
Autokäufer aus Polen suchen verstärkt nach VW-Fahrzeugen. Beliebtestes Modell ist der VW Passat TDI.
Quelle: mobile.de
Siegfried Trede, Leiter Produktlinie Fahrzeugbewertung bei der Deutsche Automobil Treuhand DAT, geht davon aus, dass sich mit der anziehenden Konjunktur auch die Gebrauchtwagenmärkte der Krisenländer erholen. "Das wird zur Folge haben, dass wieder mehr Gebrauchtfahrzeuge von Deutschland in diese Länder abfließen. Da diese Länder aufgrund der sehr wenigen Neuzulassungen in den letzten Jahren auch kaum über Gebrauchtfahrzeuge verfügen."
Wie teuer sind Gebrauchtwagen im Ausland?
Hier muss man genau hinschauen. Manche Modelle der Oberklasse sind in Frankreich günstiger als in Deutschland. In anderen Kategorien wie etwa der Golf-Klasse, liegen die Preise höher.
Quelle: mobile.de
In Skandinavien werden Neuwagen hoch besteuert. Deshalb ist der Bedarf an jungen und hochwertigen Gebrauchten dort sehr hoch. Der Blick geht immer immer nach Deutschland.
Quelle: autoscout24
Hohe Steuern auf Kraftfahrzeuge führen zu einem Preisniveau, das höher liegt als in Deutschland.
Neuwagen und junge Gebrauchte sind aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen teurer als in Deutschland. Ältere Gebrauchte sind im Preis dem deutschen Markt angeglichen.
Das, so der DAT-Experte, wird die Preise auf dem deutschen Gebrauchtfahrzeugmarkt "leicht stabilisieren" - sprich erhöhen. In den vergangenen Jahren sind die Gebrauchtwagenpreise Achterbahn gefahren. Nach dem Rekordjahr 2011 ging es steil nach unten. Weil in der Krise die Neuwagenverkaufe einbrachen, kamen in den Jahren danach auch weniger junge Gebrauchte auf den Markt. Für die übriggebliebenen "alten" Gebrauchten mit höherem Kilometerstand, können die Händler nur niedrigere Preise erzielen. Der im Vergleich zu den Vorjahren alte Bestand ließ den Durchschnittspreis für Gebrauchte insgesamt sinken. Maue Zeiten für die Gebrauchtwarenhändler.
Jetzt sollen die Preise dank der vermehrten Nachfrage aus dem Ausland also wieder anziehen. Doch nicht in allen Kategorien.
Gebrauchtwagenmarkt zieht wieder an
Wer sich für einen Wagen der oberen Mittel- oder Oberklasse interessiert, könnte in den kommenden Monaten vom noch niedrigen Preisniveau profitieren. "Diese Fahrzeuge sind von der Entwicklung ausgenommen", betont Trede. In diesen Kategorien sind die Preise seit dem Frühjahr 2013 massiv unter Druck geraten. Viele Gebrauchte aus Hersteller- und Händlerzulassungen wurden zum Teil mit sehr hohen Nachlässen in den Markt gedrückt. "Das bewirkt eine Kettenreaktion, die das gesamte Preisniveau in diesen Segmenten nach unten verschiebt", erklärt der DAT-Experte. „Tritt dann noch der Fall ein, dass solche Fahrzeuge nicht den Idealvorstellungen potenzieller Käufer entsprechen und zum Beispiel hohe Kilometerlaufleistungen oder nicht stimmige Ausstattungen aufweisen, gehen diese Pkw oft nur mit großen Preisabschlägen an einen neuen Besitzer über.“ Schlecht für die Händler, aber gut für die Kunden. So machten einige ein Schnäppchen und kurbelten den Gebrauchtwagenabsatz 2013 nochmals an. Gut sieben Millionen Besitzumschreibungen - als Verkäufe von Fahrzeugen aus zweiter Hand - zählte das Kraftfahrtbundesamt für das vergangene Jahr - gut drei Prozent mehr als im Vorjahr.
In den sieben Millionen sind die Auslandsverkäufe allerdings noch nicht enthalten. Denn das KBA zählt nur die Besitzerwechsel zwischen deutschen Staatsbürgern. Wer wissen möchte, wie viele Gebrauchtwagen tatsächlich jenseits der Grenze einen neuen Halter finden, muss tief graben. Das statistische Bundesamt weist in seiner Ausfuhrstatistik 2012 gut eine halbe Million Gebrauchter vom Kleinwagen bis zum Wohnmobil aus. "Mindestens doppelt so viele", schätzt ein Branchenexperte müssten es sein. Die Zahl der über internationale Kanäle gehandelten Autos ist schwer zu ermitteln.
Der Gebrauchtwagenmarkt speist sich zwar aus einem Großteil aus Second-Hand-Fahrzeugen privater Halter, doch darüberhinaus rollen Tausenden von Fahrzeugen von Mietwagenanbietern wie Sixt oder Europcar oder aus den Flotten der Leasinggesellschaften wie Deutsche Leasing, LeasePlan, Arval oder Athlon zu den Händlern. Einige dieser Gesellschaften sind in verschiedenen Ländern tätig. So können Bestände der deutschen Mutter problemlos an die ausländische Tochter fließen und von dort an einen Händler verkauft werden, ohne dass die Fahrzeuge in irgendeiner Statistik auftauchen.
Auch die Automobilhersteller vermarkten Gebrauchtwagen direkt ins Ausland, teilweise über Auktionshäuser. Außerdem gibt es Fahrzeuge der Händler, die an andere Händler ins Ausland verkauft werden. Diese wiederum werden entweder direkt oder auch über so genannte Remarketing-Plattformen wie Auktionen oder Verkaufslisten den ausländischen Händlern angeboten. Das System ist komplex.
Händler haben Probleme, gute Gebrauchte zu finden
Streng genommen fehlen all diese Autos dem deutschen Markt. Schon jetzt haben viele Händler Schwierigkeiten ihre Höfe zu füllen. Der Strom an ehemaligen Leasing-Fahrzeugen etwa ist in den vergangenen Jahren abgeebbt. Auch das - eine Folge der Krise. Viele Kunden haben in den wirtschaftlich unsicheren Zeiten ihre bestehenden Leasingverträge einfach verlängert, statt Kontrakte für ein neues Auto abzuschließen. Deshalb haben auch die Leasinggesellschaften weniger Neuwagen angeschafft. Die Fahrzeuge, die sie nun als Gebrauchtwagen abgeben, sind älter und fallen seltener in die Kategorie der in Deutschland so beliebten jungen Gebrauchten.
Wann welche Modelle günstig sind
Cabrios und abgeschwächt auch Kombis sind im Mai, Juni und Juli am günstigsten. In diesen Monaten ist das Angebot an Fahrzeugen so groß, dass der Preis bei sinkt.
Quelle: mobile.de; 2013
Sportwagen sind in den Sommermonaten günstig (April bis Juli), da hier ebenfalls ein großes Angebot auf den Markt kommt. Im Winter sind sie am teuersten.
Geländewagen und SUVs sollten im Frühling gekauft werden, in diesen Monaten war der Preis 2013 bei mobile.de am niedrigsten. Ab Sommer steigen die Preise kontinuierlich an, um am Winteranfang den Höchststand zu erreichen.
Bei Fahrzeugen aus dem Kompaktklasse, wie z.B. dem VW-Golf, gibt es keine nennenswerten saisonalen Effekte.
Allerdings: Die jungen Gebrauchten sind nicht unbedingt die Modelle, die aus dem Ausland nachgefragt werden. Nach Osteuropa gehen vielmehr die alten, günstigeren, mit sechs oder mehr Jahren auf dem Buckel. Vor allem für die freien Händler, die im Gegensatz zu den Markenhändler deutlich ältere Fahrzeuge im Bestand haben, ist die wachsende Nachfrage aus Ländern wie Polen, Rumänien oder Ungarn positiv. Da sich für die alten Autos mit Kilometerständen von über 100.000 nur wenige deutsche Käufer finden, ist es fraglich ob sich die stärkere Nachfrage aus dem Ausland auf die Preise hierzulande niederschlägt.
Starkes innerdeutsche Preisgefälle
Ob neuer oder alter Gebrauchter: Vor dem Kauf lohnt ein Blick auf die Deutschlandkarte. Wer sucht, beschränkt sich meist auf seine nahe Umgebung bis zu einem Umkreis von 100 Kilometern. Wer das Raster geografisch erweitert, hat deutlich bessere Chancen auf ein Schnäppchen. Denn das Preisgefälle innerhalb Deutschlands ist groß. Besonders günstig sind Gebrauchte in den Postleitzahlregionen 0 und 1, also dem nord- und ostdeutschen Raum zwischen Rostock und Zwickau. In Bayern und Baden-Württemberg sind die Preise deutlich höher. "Die Unterschiede erreichen einen Höchstwert von 26,5 Prozent bzw. 14.101 Euro zu 17.834 Euro für ein Modell mit vergleichbarere Ausstattung", erklärt Christian Maas, Sprecher des Onlineportals Mobile.de.
Je nach Hersteller und Bundeslang ergeben sich weitere, zum Teil deutliche Preisunterschiede. So bezahlt man in Nord- und Ostdeutschland für einen Audi rund 20 Prozent weniger als in Bayern. Mercedes-Modelle sind in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern günstig, im südlichen Bayern am teuersten. Hier liegt der Preisunterschied bei 15 Prozent ergab die Auswertung von mobile.de. Volkswagen werden dagegen in Franken am teuersten gehandelt. Hier liegt der Preis um fast 10 Prozent höhere als im Osten und Norden der Republik. Wer weiß, wie der Gebrauchtwagenmarkt tickt, kann also tüchtig sparen. Diesseits und jenseits der Grenzen.