Smart-Chefin Annette Winkler Nächste Station: Daimler-Vorstand

Annette Winkler hat die Kleinwagenmarke nach vielen Jahren in den roten Zahlen profitabel gemacht. Nun gilt die Smart-Chefin als Aspirantin für den Vorstand des Daimler-Konzerns. Wie schafft die Frau das nur?

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Smart-Chefin Annette Winkler. Quelle: dpa Picture-Alliance

Mit dem rechten Fuß einen Wiegeschritt nach vorn, mit dem linken einen schnellen Seitwärtsschritt nach links. Die Knie beugen sich leicht, der Oberkörper senkt sich erst nach vorn, um sich dann nach links zu drehen. Annette Winkler tanzt vor einem giftgrünen Smart Fortwo in Brabus-Ausführung, den sie kurz zuvor mit quietschenden Reifen auf die Bühne gefahren hat. Der Zweisitzer soll, so wirbt Smart, für Agilität, Lebensfreude, Cleverness stehen.

Alles Eigenschaften, die auch für die Smart-Chefin gelten. Nur zwei Minuten dauert ihr Auftritt im April auf der Shanghai Motor-Show, mit dem die 55-Jährige das junge chinesische Großstadtpublikum für den putzigen Kleinwagen zu gewinnen sucht – mit Händen und Füßen und einer Rede, bei der sie die Worte ohne Punkt und Komma aneinanderreiht und den Teleprompter ignoriert.

Klein geblieben, groß geworden
Der Smart musste anfangs viel Spott ertragen: Mal wurde er „motorisierter Einkaufswagen“ oder schlicht „Bobbycar“ genannt. Doch selbst die über Jahre eingefahrenen Verluste haben Daimler nicht von dem Kleinstwagenkonzept abgebracht. 16 Jahre nach der Premiere des ersten Smart fortwo haben die Stuttgarter jetzt die dritte Generation ihres Winzlings vorgestellt. Quelle: REUTERS
Am Konzept des Stadtflitzers hat sich wenig geändert, bei Design und Technik schon: Wie der Vorgänger ist er exakt 2,69 Meter lang, die Dreizylindermotoren sitzen nach wie vor im Heck, auch die zweifarbige Lackierung bleibt erhalten. Doch sonst ist alles neu: Die Optik ist eigenständiger geworden, aber dennoch typisch Smart geblieben. Die Motoren stammen von Renault, der Kleinstwagen wurde zusammen mit den Franzosen entwickelt. Quelle: REUTERS
Neben dem „Klassiker“ fortwo feierte auch gleich sein viersitziger Ableger Premiere: der forfour. Unter diesem Namen gab es von 2004 bis 2006 bereits einen Viersitzer von Smart, damals auf der Plattform eines Mitsubishi Colt. Der Wagen floppte am Markt. Der neue forfour teilt sich zwar wieder die Plattform mit einem Konkurrenten, dem Renault Twingo. Trotzdem soll alles besser – und vor allem eigenständiger – werden. So sind laut Smart nur zehn Prozent der Karosserieteile mit dem Twingo identisch, Gemeinsamkeiten gibt es nur unter dem Blech. Quelle: dpa
Zur Premiere der „jungen“ und „hippen“ Smart-Modelle gibt sich sogar Daimler-Chef Dieter Zetsche (im Bild mit Smart-Chefin Annette Winkler) in Jeans und Ledersneaker ungewohnt leger – sogar auf eine Krawatte hat er verzichtet. Quelle: REUTERS
Dank der Kooperation mit dem französisch-japanischen Autobauer Renault-Nissan könne Daimler den neuen Smart günstiger produzieren, bestätigte auch Konzernchef Dieter Zetsche zur Premiere in Berlin. „Mit dem Kooperationspartner Renault-Nissan zeigen wir auch, dass wir den Business Case deutlich verbessern können“, sagte er. Quelle: REUTERS
Gegenüber der zweiten Generation ist der fortwo zwar keinen Millimeter länger, aber zehn Zentimeter breiter geworden. Das soll nicht nur etwas mehr Platz im Innenraum bringen, sondern auch das Fahrverhalten stabiler machen. Die neuen Smarts sollen im November in den Handel kommen. Der Zweisitzer steht mit mindestens 10.300 Euro in der Preisliste, dafür gibt es einen 1,0-Liter-Saugmotor mit 60 PS. Für den forfour mit diesem Triebwerk werden 600 Euro mehr fällig. Dafür gibt es dann 80 Zentimeter mehr Länge, zwei Türen und zwei Sitzplätze mehr sowie mehr Platz für das Gepäck. Quelle: Presse
Die 60-PS-Version wird zum Marktstart allerdings noch nicht verfügbar sein, so lange bildet die 71 PS starke Variante des Dreizylinders die Einstiegsmotorisierung. Die kostet dann 10.895 Euro für den fortwo und 11.495 Euro für den forfour. Ein 0,9-Liter-Turbobenziner mit 90 PS rundet vorerst das Angebot nach oben ab, eine stärkere Brabus-Version wird später das obere Ende der Motorenpalette beschließen. Der 0,8-Liter-Diesel ist bereits bei den letzten Fahrzeugen der zweiten Generation aus dem Programm geflogen. Der Smart electric drive wird übrigens noch zwei Jahre auf Basis des alten Smarts weitergebaut, erst dann folgt der Umstieg auf die aktuelle Generation. Quelle: Presse

Nichts davon wirkt einstudiert, nicht einmal die Sätze in Chinesisch, die ihre Referenten eingebaut haben. „Das, was die einnimmt, hätte ich auch gerne“, raunt ein mitgereister Mercedes-Manager seinem Kollegen zu, als Winkler nach ihrem Auftritt unter Applaus auf die Ehrentribüne strebt, wo man ihr zwischen Konzernchef Dieter Zetsche und China-Vorstand Hubertus Troska einen Platz reserviert hat.

Winkler könnte zweite Frau im Daimler-Vorstand werden

Voller Einsatz mit ganzer Kraft und allen Sinnen, notfalls rund um die Uhr, und wenn es notwendig ist, auch schon mal sieben Tage in der Woche: Winkler hat es damit weit gebracht in der deutschen Autoindustrie. Genau genommen auf die Hierarchiestufe E1 des Daimler-Konzerns – darüber rangieren nur noch die Vorstände. Und für Insider des Konzerns gibt es keine Zweifel: Sollte es Winkler schaffen, aus Smart ein stabiles Profitcenter zu machen, ist ihr ein Platz im Vorstand nicht mehr zu verwehren. Im achtköpfigen Führungsgremium des Autokonzerns ist mit Christine Hohmann-Dennhardt – zuständig für Integrität und Recht – bislang nur eine einzige Frau vertreten. Und der langjährige Verlustbringer Smart wurde 2006 im Geschäftsfeld Mercedes-Benz Cars versteckt. Winkler könnte hier wie da die Wende einleiten.

Seit bald 22 Jahren steht die gebürtige Wiesbadenerin in den Diensten des Daimler-Konzerns. Und seit bald vier Jahren führt sie die Kleinstwagenmarke, die in den Siebzigerjahren von Mercedes-Ingenieuren als „Teil eines neu konzipierten optimalen Verkehrssystems“ erdacht wurde. Das war zwar technisch gesehen sehr visionär, betriebswirtschaftlich allerdings keine so eine gute Idee: Zehn Milliarden Euro hat der Autozwerg den Konzern angeblich bis heute gekostet.

Was Renault und Smart in die Kleinwagen-Kooperation einbringen

Dieses Problem verschaffte Winkler im Jahr 2010 den Job. Sie war Zetsche da schon länger als bekennender Smart-Fan bekannt. „Smart war für mich immer mehr als ein Produkt. Ich habe vor allem die Idee dahinter gesehen“, sagt sie. Als Zetsche die Kleinwagensparte 2010 wieder zu einem eigenständigen Produktbereich machte, übergab er deren Führung an Winkler.

Sie war gewissermaßen das letzte Aufgebot. Inzwischen aber hat sich das Blatt gewendet: Unter Winklers Führung ist Smart zu einer Zugmaschine von Mercedes Benz Cars geworden. Im ersten Halbjahr kletterte der weltweite Verkauf der Marke um knapp 33 Prozent auf über 62.000 Fahrzeuge – die neuen Modelle und der Winkler-Faktor zeigen Wirkung.

Das unheimliche Energiebündel

Es ist früher Abend nach einem anstrengenden Messetag, der gefüllt war mit Sitzungen und Besprechungen, Gesprächen mit Händlern und Entwicklungspartnern sowie einer Reihe Interviews. Mancher wäre jetzt erschöpft, würde sich jetzt eine Verschnaufpause gönnen, für ein paar Minuten abschalten. Bei Winkler jedoch gibt es keine Anzeichen dafür. Das Kostüm sitzt so akkurat wie die Frisur. Und die Diskussion mit ihr über die Entwicklung der Marke zeigt: Sie ist immer noch hellwach.

So ist sie, sagen Freunde und Wegbegleiter. „Sie ist ein unheimliches Energiebündel. In ihrer Gegenwart kann man kaum einmal durchatmen“, stöhnt ein Manager, der sie seit vielen Jahren begleitet. „Sie ist eine ungeheuer ehrgeizige Frau, die für ihre Sache brennt und ihre Anliegen mit ungeheurer Energie durchzusetzen versteht“, erzählt ein anderer, der sie noch aus der Zeit kennt, als sie zwischen 1997 und 1999 die Mercedes-Niederlassung in Braunschweig auf Vordermann brachte.

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