Der Standort im Heimatland von MAN-Büssing erwirtschaftete dank der Sparsamkeit ihres Vorgängers und eines prosperierenden Nutzfahrzeuggeschäfts zwar Gewinne, stagnierte jedoch in der Geschäftsentwicklung und galt als wenig kundenorientiert. Als Frau hatte Winkler in dieser Männerwelt für Mercedes anfangs einen schweren Stand: „Ein Kollege“, erzählt sie, „wies mich einmal darauf hin, dass Zwillingsreifen beim Lkw hinten sind.“ Sie ließ das nicht auf sich sitzen. Um auch in technischen Fragen mitreden zu können und sich Respekt zu verschaffen, machte die promovierte Betriebswirtin in der Rekordzeit von neun Tagen den Lastwagenführerschein. „Anstatt beleidigt zu reagieren, sollte man sich den Herausforderungen stellen“, sagt sie.
Da blitzt die Frau durch, die früh praktisch Verantwortung trug.
Weil ihre beiden Brüder kein Interesse am Baugewerbe haben, übertrug ihr der Vater mit 27 Jahren die Leitung des 1824 gegründeten Familienunternehmens, der A. Winkler Sohn GmbH & Co KG in Wiesbaden. Dass sie „nicht den blassen Schimmer“ hatte, „wie man ein Haus baut“, machte ihr ebenso wenig Angst wie die schlechte Baukonjunktur und der desolate Zustand des Unternehmens: Trotz eines Umsatzes von 3,8 Millionen Mark machte die Baufirma keinen Gewinn, stand kurz vor der Pleite.
„Frau Doktor“ warf sich mit Verve auf die Aufgabe, das Unternehmen zu sanieren. Sie analysierte die Zahlen, führte eine EDV-gestützte Kalkulation ein, spezialisierte den Familienbetrieb auf die Modernisierung und Sanierung von Gebäuden und machte ihre Entscheidungen in Gesprächen mit Polieren und Bauleitern transparent. Den hohen Krankenstand senkte sie durch Anwesenheitsprämien, mit Betriebsfesten und Weiterbildungsmaßnahmen band sie Fachkräfte. Die Jung-Chefin schaffte eine neue Unternehmenskultur, gab aber auch harte Ziele vor: eine Wachstumsrate über dem des Sozialprodukts, Gewinne über dem Branchendurchschnitt.
Die Baustellen des Daimler-Konzerns
Lange hechelte Daimler den Rivalen Audi und BMW hinterher. Langsam scheint sich das Blatt zu wenden. Zuletzt legten die Stuttgarter in dem wichtigen Markt um 38,5 Prozent zu, während die Konkurrenz im Vergleich dazu schwächelte. Ein Grund: Die Einführung neuer Modelle und der Ausbau des Händlernetzes. Die Frage ist, ob Daimlers Sonderkonjunktur auch angesichts weniger rosiger Prognosen für den Markt und des jüngsten Kursrutsches an den Börsen anhält: „Daimler profitiert noch von einem gewissen Neuigkeitswert“, sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach: Die Stuttgarter müssten möglicherweise angesichts drohender Überkapazitäten ihre Planung anpassen. Der Scheitelpunkt der höchsten Gewinne pro Fahrzeug sei überschritten. „China ist nicht mehr „die“ Goldgrube“, sagt Bratzel. Jetzt dürften keine Fehler gemacht werden, warnt auch Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Allerdings sei das Management mit Hubert Troska gut aufgestellt.
Daimlers Absatz beflügelt seit Monaten eine Flut neuer Modelle. „Daimler muss die hohe Geschwindigkeit seiner Modellerneuerung beibehalten“, sagt der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen, Willi Diez. Bei der C-Klasse sei beispielsweise das T-Modell nachgeschoben worden. „Dieser Zyklus ist richtig.“ Denn auch die Konkurrenz legt demnächst nach. BMW bringt in diesem Jahr seinen neuen 7er auf den Markt. „Das wird ein harter Kampf, die Position der S-Klasse zu verteidigen“, warnt Diez.
Die alten Sparprogramme in Pkw und Lkw-Sparte sollen in diesem Jahr volle Wirkung zeigen. Ein neues großangelegtes Programm ist bislang nicht geplant, wohl aber will Zetsche an der Effizienz schrauben. „Alleine das Ergebnis deutet darauf hin, dass Daimler auf dem richtigen Weg ist“, sagt Diez. „Die Standorte in Deutschland sind langfristig wichtig, denn die Produktionsstruktur sollte in etwa der Absatzverteilung entsprechen.“ Daimler habe zuletzt überraschend hohe Produktivitätsgewinne vorgelegt, sagt Metzler-Analyst Pieper. „Jetzt geht es nicht mehr ums Eingemachte, sondern um Luxusfragen.“. So könnten Investoren, wenn das Profitabilitätsziel von 10 Prozent erreicht ist, auch langfristig zweistellige Gewinnmargen erwarten.
Mit dem Wechsel an der Betriebsratsspitze im vergangenen ist Zetsches hartnäckiger Gegenspieler Erich Klemm Geschichte, der neue Betriebsratschef heißt Michael Brecht. Das Gesprächsklima in Verhandlungen soll sich seitdem deutlich verbessert haben. Für fast alle Standorte in Deutschland wurden inzwischen Investitionsprogramme und sogenannte „Zukunftsbilder“ verhandelt, die Investitionen, aber auch Einsparungen beinhalten. Ein großer Brocken wartet aber noch auf Zetsche: Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen in Deutschland läuft 2016 aus. Die Zusage dürfte Brecht kaum kampflos aufgeben. Auch das Thema Werkverträge dürfte den Konzern weiter beschäftigen.
Daimler setzt beim Thema Alternative Antriebe wie andere Hersteller stark auf Plug-In-Hybrid-Motoren, die sowohl Strom als auch Benzin tanken. Bislang lässt der Durchbruch der reinen E-Autos bekanntermaßen auf sich warten. Entsprechend stehen die Autohersteller in Lauerstellung „Mit der nächsten Batteriegeneration werden die Karten neu gemischt“, sagt Bratzel.
Im ersten Jahr stieg der Umsatz um fast 37 Prozent. Im zweiten Jahr wurde die Kurzarbeit beendet und eine Umsatzrendite von zwölf Prozent erzielt. Die Winkler GmbH florierte bald so gut, dass sie 1991 eine sanierungsbedürftige Baufirma in Gießen übernahm und die überregionale Presse das „Wiesbadener Modell“ in höchsten Tönen pries. Mit dem Ergebnis, dass das Champagnerhaus Veuve Cliquot sie zur „Unternehmerin des Jahres 1991“ kürte. Die Vorzeige-„Frau vom Bau“ hielt fortan landauf, landab Vorträge über den Wertewandel in den Führungsetagen und gute Mitarbeiterführung, sie wurde in Talkshows eingeladen und übernahm nebenbei auch noch an der Fachhochschule Wiesbaden eine Professur für Unternehmensführung und Personalmanagement.
Der Stern geht auf
Und dann geht eines Tages in ihrem Leben der Stern auf. Dieter Zetsche, damals Entwicklungschef von Mercedes, bittet Frau Professor Dr. Winkler, in Sindelfingen seinen 1500 Spitzenleuten die Augen zu öffnen für die Veränderungen in der Welt. Sie lässt sich nicht zweimal bitten, fährt mit ihrem roten BMW in die Mercedes-Fabrik und macht den Managern des behäbig gewordenen Großkonzerns klar, dass das Selbstbewusstsein eines Menschen nicht abhängen sollte von der Größe eines Dienstwagens, der ihm nur leihweise überlassen sei. Die Zuhörer sind von ihrem frechen Vortrag begeistert. „Wie bringen wir Sie nur zur richtigen Marke?“, fragt Zetsche die Referentin und bekommt zur Antwort: „Alles ist Verhandlungssache.“
Dann geht alles schnell. Kurz darauf wird sie Mercedes-Chef Helmut Werner vorgestellt, der sie nach nur einem Abendessen und obwohl sie keinerlei Medienerfahrung hat, zur Kommunikationschefin macht.
Die neue Aufgabe verändert ihr Leben radikal. Denn Halbheiten mag sie nicht: „Was ich mache, mache ich richtig und mit Begeisterung.“ Die Baugeschäfte gibt sie in die Hände von zwei Geschäftsführern – die das Unternehmen zu ihrem Entsetzen in kurzer Zeit in den Konkurs führen. Die Lehrtätigkeit beendet sie, ihre 1993 geschlossene zweite Ehe wird zur Wochenendbeziehung: Das Autogeschäft bestimmt von nun an ihr Leben. Oder zumindest große Teile davon: „Ich arbeite von Sonntagabend bis Freitagabend für das Unternehmen. Samstag und 90 Prozent des Sonntags gehören meinem Mann und mir.“