WirtschaftsWoche: Frau Winkler, Sie haben die neue Brabus Edition in Blau mitgebracht. Ihr persönliches Highlight?
Annette Winkler (nachdenklich): Mir gefällt die Kombination von strahlend blauem Exterieur mit anthrazitfarbenen Sitzen gut, aber eigentlich ist Rot meine Lieblingsfarbe. Das weiß-rote Modell mit den gesteppten Sitzen finde ich dementsprechend auch sehr schick. Das Schöne ist ja, dass jeder Brabus einmalig ist. Ich habe eigentlich jeden Tag ein anderes Lieblingsmodell.
Öfter mal was Neues ist ein gutes Stichwort. Es gibt Gerüchte um ein Micro-SUV, das 2019 kommen soll. Wann sehen wir mehr davon?
Ich wüsste nicht, warum wir derzeit die Modellpalette um neue Derivate erweitern sollten. Für uns gilt vorrangig, Smart mit mehr Dienstleistungen zu umgeben und darüber hinaus glauben wir stark an die Elektromobilität für die Stadt, die eine immer wichtigere Rolle einnehmen wird. Im städtischen Umfeld brauchen wir keine großen Reichweiten. Unsere Kunden fahren im Schnitt 40 bis 50 Kilometer. Da reichen die rund 140 Kilometer Batteriekapazität des elektrischen smart vollkommen aus. Außerdem gibt es weltweit Städte, in denen wir mit smart noch nicht präsent sind – das Potenzial für uns ist riesengroß.
Sie überlegen „beyond Blech“ Dienste anzubieten. Welche digitalen Dienstleistungen schweben Ihnen vor?
Lassen Sie sich überraschen, wir haben viele Ideen. Im Laufe des Jahres werden wir mehr und mehr davon vorstellen. In welche Richtung es geht, sehen Sie an dem, was wir schon haben: Unser Carsharingsystem Car2Go beispielsweise. Oder unsere smart App, in der sich die Smart-Community selbst organisiert. Da teilen sich Kunden mit, wo in der Nähe Smart-Parkplätze sind. Oder sie erfahren, wo man seinen Smart zu günstigen Konditionen waschen lassen kann. Was dieses Jahr kommt, wird aber nochmals weit über das bestehende Angebot hinausgehen.
In China kommen Sie nun mit dem ForFour auf den Markt. Ab welchen Verkaufszahlen binnen eines Jahres wären Sie zufrieden?
(Schmunzelt) Sie haben die Frage schön formuliert, aber Sie wissen ja, dass wir keine Prognosen machen. Der Forfour kommt zum idealen Zeitpunkt: Die Registrierung von Fahrzeugen wird in China immer teurer. Da überlegt man als junge Familie, ob man nicht doch lieber einen Viersitzer kauft. Gleichzeitig erleben wir die Abkehr von der Ein-Kind-Politik. Ganz ehrlich: Es ist schwer vorherzusagen, wie viel wir absetzen werden, aber die Zielgruppe wird definitiv immer größer.
Haben Sie in China bereits in einer Stadt die Erlaubnis, den Smart electric als New Electric Vehicle anzubieten?
Wir haben eine generelle Zulassung der bisherigen Baureihe smart fortwo electric drive für den chinesischen Markt. Smart partizipiert allerdings nicht an den Förderprogrammen gewisser Städte und Regionen, weil wir unsere Fahrzeuge nicht vor Ort produzieren.
Smart auf einen Blick
Die Idee zu Smart stammt von Swatch-Gründer Nicolas G. Hayek. Er wollte ein kleines, buntes und vor allem günstiges Auto mit elektrischem Antrieb. Auch eine Kooperation mit Transportunternehmen wie der Bahn sah der Visionär vor. Smart wurde 1994 als Micro Compact Car als Tochtergesellschaft von Daimler und der SMH SA Sociéte Suissse de Microélectronique et d´Horlogerie gegründet. 1998 verkaufte Hayek seine Anteile an Daimler-Benz. Man war sich über die Ausrichtung des Projekts nicht einig.
Sein bisher bestes Jahr erlebte Smart 2008 mit einem Absatz von 134.700 Stück. Seither bröckeln die Verkaufszahlen. 2013 fiel Smart unter die 100.000 Stück-Marke. Im ersten Halbjahr 2014 setzten die Schwaben 46.816 Stadt-Autos ab. Das neue Smart forfour-Modell soll die Perspektive deutlich verbessern.
Seit 2008 setzt Mercedes in Kooperation mit dem Mietwagenunternehmen Europcar auf Carsharing unter dem Namen Car2go. 600.000 Kunden nutzen das Netz in Europa und Nordamerika weltweit. Von den rund 11.000 Fahrzeugen sind 1200 reine Elektro-Autos. Sitz von Car2go war bis Ende 2012 Ulm. Dann firmierte das Unternehmen um in die Daimler Mobility Services GmbH, die verschiedene Mobilitätsdienste wie park2gether oder die Mobilitätsplattform moovel beherbergt.
Das elektrische Smart-Portfolio mit den E-Varianten des Smart fortwo Coupé und Cabrio werden ergänzt durch das smart E-bike, das seit 2012 auf dem Markt ist. Gut möglich, dass Daimler in Kürze auch noch in den Markt für Bike-Sharing einsteigt.
Nach Smart fortwo als Coupé und Cabrio sowie dem neuen Smart forfour, der wie der Zweisitzer auch in einer elektrischen Variante zu haben sein dürfte, denkt Smart-Chefin Annette Winkler bereits über weitere Modelle nach. Ein E-Scooter steht ganz oben auf der Liste. Der sollte eigentlich schon 2014 kommen, wurde zugunsten der neuen fortwo und forfour-Modelle aber verschoben.
Dichter Verkehr, Smog und 160 Städte mit mehr als einer Million Einwohner. Smart erhofft sich viel vom Reich der Mitte. China ist nach Deutschland und den USA bereits der drittwichtigste Markt. Man habe es geschafft, die Marke als "Lifestyle- und Premiumprodukt" zu positionieren, freut sich Chefin Annette Winkler. Seit 2009 ist Smart vor Ort, seit November 2013 mit der elektrischen Version. 16.000 Fahrzeuge haben die Händler 2012 abgesetzt. Nach den ersten sieben Monaten 2013 waren es schon über 10.000. Das Händlernetz soll auf über 90 wachsen.
Produziert wird der Smart fortwo seit 1998 im französischen Hambach. Die Fabrik dort trägt den Namen "Smartville", die Stadt trägt mittlerweile ebenfalls diesen Spitznamen. 2008 erreichte die Gesamtproduktion eine Million Fahrzeuge. Rund 2000 Mitarbeiter sind im Werk Hambach beschäftigt.
In der Schweiz kommen auf einen Smart 35 Einwohner. So groß ist die Dichte der City-Mobile in keiner anderen Stadt. Auf Platz zwei landet Rom mit 43 Einwohnern pro Smart.
Welche Chancen sehen Sie für den Elektro-Smart noch – in Deutschland, aber auch weltweit?
Da sehe ich viel Potenzial. In Kalifornien zum Beispiel war in der Vergangenheit ein großer Anteil der Smarts elektrisch, so dass wir rund ein Viertel aller in den USA verkauften Fahrzeuge als E-Variante ausgeliefert haben. Wir waren in Deutschland drei Mal hintereinander Marktführer. Unsere vorproduzierten Stückzahlen des alten E-Smarts waren schneller ausverkauft, als wir es erwartet hatten. Daher freuen wir uns auch sehr darauf, Ende dieses Jahres die neuen smart electric drive vorzustellen. Wir kommen dann mit Fortwo, Cabrio und Forfour. Das heißt wir haben als einzige Marke ein elektrisches Cabrio und sind abgesehen von Tesla die einzige Marke, die ein komplettes batterieelektrisches Produktprogramm hat.
Sehen Sie sich in direkter Konkurrenz zu Tesla?
Nein. Wir sind in völlig verschiedenen Segmenten aktiv. Smart baut perfekte Autos für die Stadt, und da sind wir eigentlich konkurrenzlos.
"Laden ist bei E-Autos zentrales Kriterium"
Wie sehr hilft Smart die CO2-Bilanz von Daimler zu verbessern? Können Sie das quantifizieren?
Mercedes ist in punkto CO2-Reduktion selbst sehr gut unterwegs, wie alle bei Daimler. Nur zur CO2 Reduktion braucht Daimler Smart nicht, auch, wenn Smart seinen Teil beiträgt, die CO2-Flotten-Ziele zu erreichen. Aber Daimler will Smart als Marke für urbane Mobilität mit dem klaren Auftrag, E-Mobilität in die Städte zu bringen, sie sauberer und auch ein bisschen bunter zu machen.
Dafür wären mehr elektrische Ladesäulen nötig. Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit die Infrastruktur Realität wird?
Stuttgart ist da ein gutes Beispiel. Da kooperieren Daimler mit der vollelektrischen Car2Go Flotte, EnBW und die Kommune. EnBW hat rund 500 elektrische Ladesäulen aufgestellt. Solche gemeinsamen Projekte sind mir sehr sympathisch. In Madrid sind wir Ende letzten Jahres mit einer vollelektrischen Car2Go Flotte mit 350 Fahrzeugen gestartet. In nur wenigen Wochen haben sich mehr als 40.000 Kunden registriert. Kostenloses Parken für Elektro-Fahrzeuge wird von der Stadt gewährleistet. Wenn man zeigt: „Wir wollen es und alle machen mit“ - dann geht es auch.
Wie viele Daimler-Mitarbeiter fahren elektrisch Smart?
Eine genaue Zahl kann man da gar nicht nennen, denn, unsere Mitarbeiter profitieren, insbesondere im Großraum Stuttgart, von ganz verschiedenen Angeboten: So können die Fahrzeuge etwa für ein Jahr im Firmenleasing genutzt werden oder aber auch einfach mal übers Wochenende oder für einen Monat im Rahmen unseres „Charge@work“-Angebots. Zu diesem Projekt gibt es dann doch auch eine sehr schöne Zahl: Innerhalb der ersten anderthalb Jahre hat diese Elektro-Flotte die Welt 40 Mal umrundet. Daneben nutzen viele Daimler-Mitarbeiter das elektrische Car2Go Angebot in Stuttgart.
Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland 2009-2015
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 162 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 541 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 2.154 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 2.956 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 6.051 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 8.522 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
2015 stieg der Elektroauto-Absatz auf 12.363 Exemplare. Für das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 ist das weiter viel zu wenig. Der Bestand liegt derzeit bei rund 19.000 Elektroautos.
Verbessern könnte man die Geschichte mit dem Laden auf dem Firmengelände. Wenn ein Mitarbeiter kostenfrei seinen E-Smart bei uns betanken kann, gilt das als geldwerter Vorteil, den er dann allerdings versteuern muss. Dieser bürokratische Aufwand ist wenig hilfreich, wenn man bei der Elektromobilität voran gehen will. Das Laden ist für uns aber dennoch ein zentrales Kriterium. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren nach und nach Ladeinfrastruktur an vielen Unternehmensstandorten aufgebaut und bauen diese auch dieses Jahr konsequent weiter aus.
Können Sie sich vorstellen eine Infrastruktur gemeinsam mit anderen Herstellern aufzubauen? Gibt es Gespräche dazu?
Zunächst einmal sind wir als Hersteller nicht für den Aufbau von Ladeinfrastruktur verantwortlich, das ist nicht unser Geschäft. Dennoch engagieren wir uns auch in diesem Bereich stark – etwa durch den bereits genannten Aufbau von Ladesäulen an Unternehmensstandorten für unsere Mitarbeiter und Führungskräfte. Besonders wichtig beim Thema Infrastruktur ist aber natürlich die herstellerübergreifende Standardisierung, an der wir nicht zuletzt innerhalb der NPE [Nationale Plattform Elektromobilität] arbeiten. Auch im herstellerübergreifenden Verein CharIN treiben wir zudem den CCS-Standard [Combined Charging System] weiter voran.
Wie stehen Sie zur Idee Ola Källenius als Vertriebsvorstand zu beerben?
Ich will nichts anderes als Smart machen. Ich habe meinen Traumjob gefunden.
Frau Winkler, vielen Dank für das Gespräch.