Stefan Jacoby Harte Landung für den Volvo-Chef

In einem Kraftakt ohnegleichen versuchte der Deutsche Stefan Jacoby Volvo mit neuem Besitzer aus China zur Konkurrenz für Audi und Co. zu machen. Das Projekt scheiterte. Jacoby ruinierte seine Gesundheit und wurde geschasst.

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Stefan Jacoby (Mitte). Am 5. November der Volvo-Chef eigentlich wieder an seinem Schreibtisch sitzen.

Mit neuer Mannschaft, neuen Modellen und einem neuen Kampfgeist versuchte der Deutsche Stefan Jacoby das schwedische Traditionsunternehmen Volvo mit seinem neuen Besitzer aus China zu einem Konkurrenten der deutschen Premiummarken Audi, BMW und Mercedes zu machen. Die Kulturrevolution ging jedoch schief. Jacoby ruinierte erst seine Gesundheit und wurde dann geschasst.

Am 5. November wollte Stefan Jacoby eigentlich wieder an seinem Schreibtisch sitzen. Den leichten Schlaganfall, den der 54-Jährige Mitte September erlitten hatte und der vorübergehend für Lähmungserscheinungen im rechten Arm sowie im rechten Bein sorgte, war dank guter Pflege so gut wie überwunden. Das Aktenstudium hatte er schon wenige Tage nach dem Gehirnschlag wieder aufgenommen und die Fitness war mittlerweile wieder so weit hergestellt, dass Jacoby daran denken konnte, im November zumindest einige Tage in der Woche wieder in seinem Büro im dritten Obergeschoss des Volvo-Hauptquartiers in Göteborg zu sitzen und Sitzungen des Vorstandes von Volvo Cars zu leiten.

Doch dazu kommt es nun nicht mehr: Den Krankenhausaufenthalt des Deutschen und die anschließende Reha nutzte der 71-Jährige Aufsichtsratschef Hans-Olov Olsson, um den ehemaligen Volkswagen-Manager abzusägen und mit Hakan Samuelsson, 61, wieder einen Landsmann an die Spitze des schwedischen Pkw-Herstellers zu setzen. Olsson hatte die vorübergehende Schwächung des Deutschen geschickt genutzt, um die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats, aber auch den chinesischen Volvo-Eigner Li Shufu auf seine Seite zu ziehen und davon zu überzeugen, dass ein Wechsel an der Spitze des Unternehmens notwendig sei.

Zu schlechtes Ergebnis

Wie es am Freitag in einer Telefonkonferenz hieß, sei die Entscheidung einstimmig gefallen und nicht der Erkrankung von Jacoby geschuldet, sondern allein der „geschäftlichen Situation“: Volvo hat seit einigen Monaten mit kräftigen Absatzproblemen in Europa und mit roten Zahlen zu kämpfen. Der Absatz weltweit sank im ersten Halbjahr um gut Prozent, in Europa um 6,5 Prozent und stieg im Wachstumsmarkt China nur um 6,8 Prozent – andere Autohersteller waren dort trotz einer Eintrübung der Autokonjunktur wesentlich besser unterwegs.

Hinzu kamen die Belastungen durch eine vergleichsweise teure Produktion in Schweden und Belgien sowie Belastungen durch eine starke schwedische Krone. Das Ergebnis: Das erste Halbjahr endete mit einem Verlust nach Steuern von 254 Millionen Kronen, umgerechnet 30 Millionen Euro. Im Vorjahr war im gleichen Zeitraum noch ein Gewinn von 1,2 Milliarden Kronen (rund 140 Millionen Euro) eingefahren worden. Dass der Aufbau eines Vertriebsnetzes in China, aber auch die Entwicklung neuer Modelle, Motoren und Hybridantriebe immense Summen verschlingt, ließ der Volvo-Aufsichtsrat als Entschuldigung für die schlechten Zahlen nicht gelten.

Keine Zeit zu verlieren

Samuelsson löst den erkrankten Deutschen Stefan Jacoby (54) an der Spitze der Autoherstellers Volvo Cars ab. Jacoby hatte Ende September einen leichten Gehirnschlag erlitten. Quelle: dpa

Die Spannungen zwischen Jacoby und Olsson hatten sich seit längerem abgezeichnet. Jacoby, der seine Karriere in der Autoindustrie als Leiter des Generalsekretariats des damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch begann, ist ein Mann schneller Entscheidungen und klarer Worte, aber alles andere als ein geborener Diplomat. Als der Ford-Konzern Volvo Cars im August 2010 an den chinesischen Autohersteller Geely für umgerechnet 1,3 Milliarden Euro verkaufte, war Jacoby Chef von Volkswagen of America und hatte gerade den Weg des neuen Autowerks in Chattanooga in die Wege geleitet. Weil sich seine Hoffnung auf einen Spitzenjob im VW-Konzern nicht erfüllte – gerne hätte er die Leitung von Seat in Spanien übernommen – war er empfänglich für das Angebot des neuen Volvo-Eigners: „Ich wollte“, erklärte Jacoby im Frühjahr im Gespräch mit der WirtschaftsWoche, „einmal das große Rad drehen“.

Mit aller Kraft warf er sich denn auch gleich auf die neue Aufgabe und räumte dabei – ganz in Manier seines Lehrmeisters und großen Vorbilds Ferdinand Piëch - in den ersten Monaten in Göteborg in der Volvo-Führungsriege kräftig auf. Mit Peter Mertens machte er einen Landsmann zum Entwicklungschef, auch die Positionen des Einkaufschefs (Axel Maschka) und des Chefdesigners (Stefan Ingenlath) besetzte er mit Deutschen. Olsson zum Feind machte sich Jacoby aber wohl, als er im Juni 2011 den ehemaligen Ford-Manager Douglas Speck zum Vertriebs- und Marketingvorstand berief. Olsson, der zwischen 2000 und 2005 selbst als Vorstandschef die Geschäfte von Volvo Cars führte, hatte Jacoby seinen Schwiegersohn Thomas Andersson empfohlen. Aber der Deutsche entschied sich anders.

Ziel: Eine schwarze Null am Ende des Jahres

Aber das ist nun alles Geschichte. Volvo und Jacoby haben sich „in aller Freundschaft“ auf eine vorzeitige Vertragsauflösung geeinigt. Volvo-Eigner Li Shufu dankte Jacoby artig für sein “wertvolles und starkes Engagement bei der Entwicklung der Unternehmensstrategie und der Führung des Unternehmens in den zurückliegenden zwei Jahren” – und freut sich nun auf eine gute Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Scania-Finanzvorstand und MAN-Chef Hakan Samuelsson, der den Aufsichtsrat von Volvo Cars in den zurückliegenden zwei Jahren schon beraten hat.

Kommenden Montag wird Samuelsson seinen neuen Job antreten: Es sei keine Zeit zu verlieren, erklärte er am Freitag in einer Telefonkonferenz: Sein Ziel sei es, das Geschäftsjahr 2012 wenigstens mit einer schwarzen Null abzuschließen. Am Montag will er mit allen Vorstandskollegen in Einzelgesprächen klären, wie das Ziel zu erreichen sei.

Mal sehen, wer Volvo als nächstes verlassen muss.

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