Still und zurückhaltend, ohne jedes Geltungsbedürfnis. So kennt man Stefan Quandt - oder besser gesagt, so gibt er sich bei den wenigen öffentlichen Auftritten, die der BMW-Erbe absolviert. Gemeinsam mit seiner Schwester Susanne Klatten gehören ihm 46,7 Prozent der Stammaktien. Sein Vermögen wird aktuell auf rund 15,6 Milliarden US-Dollar geschätzt. Damit belegt er Platz 48 auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt und Platz sechs auf der Liste der reichsten Deutschen. Heute wird Stefan Quandt 50 Jahre alt.
Stefan Quandt wird am 9. Mai 1966 geboren. Er wächst in Bad Homburg auf, geht nach Abitur und Bundeswehr an die Technische Universität Karlsruhe. 1993 schloss er sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Karlsruhe mit einem Diplom ab. Nach einem Praktikum bei der Boston Consulting Group arbeitete er im Bereich Betriebskostenrechnung und Unternehmensbuchführung bei der Datacard Corporation in Minneapolis und danach als Marketingmanager bei Datacard Asia Pacific Ltd. in Hongkong.
Seit 1996 ist er als Unternehmer tätig, seit 1997 Mitglied des Aufsichtsrats der BMW AG sowie Mitglied des Kuratoriums der BMW Stiftung Herbert Quandt, außerdem ist er stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender der Johanna-Quandt-Stiftung und Mitglied des Aufsichtsrats des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
Meilensteine der BMW-Geschichte
Gründung der Bayerischen Flugzeugwerke in München
Umbenennung in Bayerische Motorenwerke (BMW)
Bau des ersten Motorrads, der R32
Übernahme der Fahrzeugwerke in Eisenach und Bau des ersten BMW-Autos Dixi, mit Lizenz des englischen Autobauers Austin
BMW entwickelt den 303 – mit der seither charakteristischen Niere als Kühlergrill.
BMW baut Motoren für die Luftwaffe und beschäftigt rund 25.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge. Nach Kriegsende verliert das Unternehmen das Werk Eisenach.
Erstes Nachkriegsauto ist 1952 der große „Barockengel“ 501, 1955 folgt die winzige Isetta.
BMW steckt tief in den roten Zahlen, die 6500 Mitarbeiter fürchten um ihre Arbeitsplätze, Daimler will BMW übernehmen. Überraschend steigt der Batteriefabrikant Herbert Quandt als Sanierer ein.
Das Mittelklasse-Auto BMW 1500 bringt den Durchbruch.
Eberhard von Kuenheim wird Vorstandschef. In seiner 23-jährigen Amtszeit expandiert BMW weltweit.
Start der 3er-Reihe – bis heute das meistverkaufte BMW-Modell
Das US-Werk Spartanburg wird eröffnet, zudem wird der englische Autohersteller Rover (Land-Rover, MG, Mini) gekauft.
Nach Milliardenverlusten mit Rover zieht BMW die Reißleine, nur der Mini bleibt im Konzern. Joachim Milberg löst als Vorstandschef Bernd Pischetsrieder ab.
BMW startet das erste Joint Venture in China
BMW verkauft mehr Autos als der bisherige Marktführer Mercedes – auch dank des 2003 erstmals eingeführten Kompaktmodells der 1er Baureihe.
Im BMW-Werk Leipzig läuft das Elektroauto i3 vom Band – mit einer modernen Kohlefaser-Karosserie.
Mit dem Tod seines Vaters Herbert Quandt im Jahr 1982 geht dessen BMW-Aktienpaket auf seine Mutter Johanna Quandt und die Schwester Susanne über. Im August 2015 stirbt Johanna Quandt. Seither sind Susanne und Stefan Alleinerben der BMW-Anteile. Wie schon ihre Mutter führen sie den bayerischen Premiumautobauer mit Bedacht und Weitsicht, scheuen sich auch nicht vor Investitionen in die Zukunft wie den Aufbau einer Carbon-Produktion und die Entwicklung von zwei Elektroautos, die zwar wenig Gewinn einbrachten, aber für viel gute Presse sorgten.
Der Erfolg ist messbar: 1982 lag der Umsatz von BMW bei zehn Milliarden Mark - im vergangenen Jahr bei 92 Milliarden Euro - also rund 180 Milliarden Mark. Über seinen Reichtum spricht Stefan Quandt öffentlich so gut wie gar nicht. Bei einem der raren Interviews - im September 2015 spricht er mit 'Die Zeit' - sagt er: „Wir verwenden das Geld, um das Vermögen zu stabilisieren“. Details zu seinen Lebensverhältnissen mochte er nicht nennen. Nur so viel: „Ich habe keinen großen Geldspeicher wie Dagobert Duck.“
Quandts Investments
Von Stefan Quandts weiteren Investments ist in der Presse wenig zu lesen. Da wäre zum Beispiel die Delton AG, die vollständig in seinem Besitz ist. Das Unternehmen ist im Bereich Arzneimittel und der Sparte Logistik aktiv. Die Biologische Heilmittel Heel GmbH stellt homöopathische Präparate für Menschen und Tiere her und zählt nach eigenen Angaben zu den führenden Herstellern für naturheilkundliche Arzneimittel in Deutschland. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 1300 Mitarbeiter. Die Delton AG hatte 2015 rund 5400 Mitarbeiter und setzte 1,3 Milliarden Euro um.
Die Logwin AG, eine Gesellschaft nach luxemburgischem Recht bietet Logistik auf dem Luft-, Wasser- und Schienenweg an. Der Konzern wurde 1985 von Günter Thiel unter dem Namen „Thiel Logistik AG“ gegründet. 2002 übernahm Delton die Aktienmehrheit, 2003 schied Thiel nach Meinungsverschiedenheiten aus. Quandt strukturierte den Konzern massiv um. Seit April 2008 firmiert das Unternehmen unter Logwin AG. 2015 beschäftigte das Unternehmen rund 4.200 Mitarbeiter in fast vierzig Ländern und erzielte einen Umsatz von 1,1 Milliarden Euro.
Die Quandts und BMW
Nach dem Tod des Unternehmers Herbert Quandt 1982 hatten seine Witwe Johanna und ihre beiden Kinder die BMW-Anteile und die Mehrheit am Chemiekonzern Altana geerbt. Johanna Quandt war ab 1982 im Aufsichtsrat, von 1986 bis 1997 war sie stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende. Dann überließ sie diese Arbeit ihren Kindern. Johanna Quandt hielt 16,7 Prozent, Sohn Stefan hält 17,4 Prozent und Susanne Klatten 12,6 Prozent an BMW.
Die starke Stellung der Familie hatte in den vergangenen Jahren für große Kontinuität bei dem Münchner Konzern gesorgt. Johanna Quandt habe dem Unternehmen „Rückhalt und Sicherheit gegeben“, sagte der Vorstandschef Harald Krüger der „Süddeutschen Zeitung“. Auch ihre Kinder haben gezeigt, dass sie nicht an schnellen Renditen interessiert sind, sondern langfristig denken.
Nach dem milliardenschweren Desaster durch die Übernahme des britischen Autobauers Rover hätten die Geschwister die Ablösung des damaligen Vorstandschefs Bernd Pischetsrieder forciert, hatte das „Manager Magazin“ berichtet. „Auch den Chefwechsel von Joachim Milberg zu Joachim Panke leiteten die beiden ein.“
Der 50-jährige Stefan Quandt hatte in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert und danach bei dem seiner Familie gehörenden Unternehmen DataCard in den USA und Hongkong gearbeitet. Dem Vater einer Tochter gehört neben dem BMW-Paket auch der Logistikkonzern Logwin.
Seine vier Jahre ältere Schwester Susanne hatte in England und in der Schweiz Betriebswirtschaft studiert. Die Mutter dreier Kinder wird von dem US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ als reichste Frau Deutschlands geführt, mit einem geschätzten Vermögen in zweistelliger Milliardenhöhe. Ihr gehören auch der Chemiekonzern Altana, und sie ist Großaktionärin bei dem Auto- und Flugzeugzulieferer SGL Carbon.
Stefan Quandt ist Vorstandsmitglied des Unternehmens Entrust Datacard, Minneapolis, einem Hersteller von Chipkarten aller Art wie Kreditkarten oder Personalausweise. Das Unternehmen übernimmt auch das Einspeisen der persönlichen Daten der Nutzer. Die Datacard Group setzt nach eigenen Angaben rund 400 Millionen US-Dollar um und beschäftigt mehr als 1.400 Mitarbeiter weltweit. Sie unterhält Niederlassungen und Entwicklungszentren in Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Indien, Japan, Malaysia und den USA.
In Deutschland wesentlich bekannter ist seine Beteiligung an der Solarwatt AG. Die rutschte infolge des Preisverfalls für Solar-Module in die Insolvenz. Quandt, der an der Firma seit 1998 beteiligt ist, gab die nötige Finanzspritze, um sie zu retten. Solarwatt änderte das Geschäftsmodell. Statt Modulen - die übrigens auch die Solaranlagen auf dem Dach der BMW Welt in München zieren - setzen die Dresdener jetzt auf Komplettlösungen für Eigenheimbesitzer - sprich Speicher, die den Sonnenstrom in erster Linie für den Eigenbedarf speichern und nach Bedarf wieder abgeben sollen.
"Der Speicher ist der entscheidende Baustein für die Zukunft von Solarwatt", sagte Stefan Quandt am Rande der Münchener Speichermesse EES vor knapp einem Jahr. Von den einst 500 Mitarbeitern sind heute gut 200 übrig. Ob der Betrieb die Wende endgültig schafft, bleibt abzuwarten. Die Nachfrage nach den Heimspeichern ist allerdings hoch. In diesem Jahr wird Solarwatt rund 6000 Stück ausliefern.
Bei seinen Geschäftspartnern und Mitarbeitern genießt Quandt einen guten Ruf. Höflich und respektvoll im Umgang, beschreiben ihn Kollegen. Kein Typ, der andere spüren lässt, wie mächtig er ist. Quandt lebt zurückgezogen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in der Nähe von Frankfurt am Main. Dort wird wohl auch gefeiert. Im kleinsten Kreise. Eine riesige Party mit allerlei Prominenz wie sie BMW im März anlässlich des 100. Jubiläums des Autobauers schmiss - für Stefan Quandt undenkbar.