Streit um Abgasregeln „Das System hat versagt“

Verstößt ein Autobauer gegen Abgaswerte, ist allein das Heimatland für Strafen zuständig. Für EU-Industriekommissarin Bienkowska hat dieses System versagt, sie fordert europaweite Regeln. Doch Berlin stellt sich quer.

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Abgase strömenaus dem Auspuff eines Autos mit Dieselmotor. Quelle: dpa

Es hätte recht einfach sein sollen: Bis Ende Mai wollten sich die EU-Mitgliedsländer auf schärfere Kontrollen der Autoindustrie einigen. Eigentlich. Denn mehrere Länder – darunter wohl auch Deutschland – blockieren das Vorhaben, was eine Einigung in der vorgesehenen Zeit unwahrscheinlich werden lässt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte am Dienstag unter Berufung auf Insider berichtet, das Berlin die von der EU-Kommission geplante Reform in zentralen Punkten ablehne. Die EU will zum Beispiel die nationalen Aufsichtsbehörden wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) seinerseits stärker überwachen. Auch empfindliche Geldstrafen für Hersteller würden von Deutschland und anderen Ländern verschleppt, klagten Insider.

Am Mittwoch konterte EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska und drängt weiter auf eine europäische Lösung. „Derzeit sind allein die Mitgliedstaaten zuständig, Rechtsverstöße zu ahnden. Dieses System hat versagt“, sagte Bienkowska den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Mitgliedstaaten hätten es nicht geschafft, Volkswagen wirksam zu beaufsichtigen und zu bestrafen, als Rechtsbrüche offenkundig geworden seien. Deutschland und andere EU-Mitgliedsländer sollten eine strengere EU-Aufsicht unterstützen.

Bienkowska betonte, umstrittenen Praktiken, mit denen etwa Fiat die EU-Vorschriften umgeht, könne nur auf europäischer Ebene wirksam begegnet werden. „Der Streit zwischen Deutschland und Italien über Fiat zeigt erneut die Schwächen des gegenwärtigen Systems und sollte Deutschland ermutigen, unsere Vorschläge zu unterstützen.“ Deutschland und Italien streiten seit Monaten wegen der Vorwürfe gegen Fiat, illegale Abschalteinrichtungen bei der Stickoxidreinigung einzusetzen.

Berlin lehnt Kontrollen und Gebühren ab

Das Ziel des Kommissions-Plans: Die nationalen Ämter sollen nicht mehr schützend ihre Hand über die Hersteller aus dem eigenen Land halten können. So weigert sich im beschriebenen Fall Italien beständig, ein Fehlverhalten von Fiat zu sehen und entsprechend zu sanktionieren – obwohl Messungen aus Deutschland viel zu hohe Schadstoffemissionen belegen. Brüssel will neben den strengeren Kontrolle der Ämter auch stichprobenartig eigene Abgastests an verkauften Autos durchführen.

Zudem sollen die Prüfdienste wie der TÜV oder die Dekra, die bislang die offiziellen Abgastests durchführen, nicht mehr von den Herstellern bezahlt werden, sondern über ein Gebührensystem, in das die Autobauer und der Staat einzahlen.

Wie der Diesel langsam in Europa verschwindet

Die Bundesregierung lehnt sowohl die strengeren Kontrollen der nationalen Behörden als auch das Gebührensystem ab, wie aus einer Stellungnahme an die EU-Ratspräsidentschaft hervorgeht. So heißt es, das Gebührensystem löse keine Probleme.

Ein weiterer Streitpunkt sind die möglichen Strafen für einen Verstoß gegen die neuen Regelungen. Brüssel will Strafen von bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug verhängen und auch dem Modell die Zulassung entziehen können. Deutschland hat sich hier noch nicht positioniert – mehr als ein Jahr nach der ersten Vorlage der Pläne. Eine Entscheidung auf Arbeits- oder Ministerebene ist so kaum möglich.

Neben Deutschland bremsen auch andere Länder bei den unabhängigen Kontrollen – unter anderem Spanien, Tschechien und Italien, die mit Seat, Skoda und Fiat und Werken weiterer Hersteller selbst über eine nennenswerte Autoindustrie verfügen.

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