Keiner will alt sein, aber früh sterben möchte auch niemand. Was ihr Alter angeht, sind viele Menschen paradox. Deshalb spricht auch die Werbeindustrie nie von Ü50, sondern lieber von den Best Agern, Super-Grannys, Silver-Surfern oder Greyhoppern - Hauptsache es klingt nicht alt. Allein der Begriff "Generation 50plus" lässt den Marketingmanager graue Haare wachsen. Trotzdem wirkt es seltsam, wie sich manche Branchen krampfhaft gegen ihren alternden Kundenstamm zu wehren scheinen. Besonders deutlich wird das in der Automobilindustrie.
2012 betrug das Durchschnittsalter des Neuwagenkäufers in Deutschland 51,9 Jahre - ein neuer Rekord. Bis 2015 wird es auf 52,6 Jahre angestiegen sein. Dann ist schon ein Drittel der Neuwagenkäufer über 60 Jahre alt. Umso mehr erstaunt es, dass jedes neue Modell von einer Kampagne mit jungen hippen Menschen begleitet wird. Egal ob Van oder Kompakt-SUV - Modelle, die wegen erhöhter Sitzposition und viel Stauraum bei den Ü50-Kunden nachweislich gut ankommen (siehe Bildergalerie) - gebetsmühlenartig wiederholen die Automobilhersteller, es handle sich um ein "Lifestyle-Modell" für die Zielgruppe zwischen 25 und 35.
"Die Branche leidet unter einem Jugendlichkeitswahn", sagt Willi Diez, Direktor und Initiator des Instituts für Automobilwirtschaft Ifa im schwäbischen Geislingen. Diez hat sich auf die Themenbereiche Automobilvertrieb -und Handel spezialisiert. Er weiß um das Dilemma der Autobauer. "Senioren wollen kein Senioren-Auto, daher müssen die Hersteller darauf achten, ihre Modelle nicht zu stark als solche zu positionieren oder zu kommunizieren." Über 50-Jährige wollen sich weiter jung fühlen - und fühlen sich daher auch von den Werbung, in der Lifestyle und Jugend transportiert wird, angesprochen. "Halten Sie einem 50-jährigen Fotos von 40-, 50-., oder 60-Jährigen vor und fragen sie ihn, wo er sich einordnet. Er wird sich immer beim 40-Jährigen sehen. Zehn Jahre jünger, das wollen alle sein."
Einfacher zu bedienen
Nichtsdestotrotz: Ältere Kunden haben andere Bedürfnisse. Das wissen auch die Automobilhersteller. Ein großes Thema sind die Bedienelemente. Ein 70-Jähriger, der in der Welt der Knöpfe und Drehschalter groß geworden ist, fühlt sich in einem Cockpit mit Touchscreen und 20 blickenden Knöpfchen schnell überfordert. "Im Hinblick auf diese Zielgruppe darf man es mit der Digitalisierung nicht übertreiben", warnt Diez. Hinter vorgehaltener Hand, geben Mitglieder der Entwicklungsteams der Autobauer auch zu, dass sie an Lösungen arbeiten, die älteren Autofahrern entgegen kommen.
Offiziell halten sich die Autohersteller mit Aussagen darüber, welche ihrer Modelle bei den über 50- oder über 60-Jährigen besonders gut ankommen, zurück. "Wir erheben solche Daten gar nicht", heißt es von Audi und BMW. Lieblingsfarbe? Bevorzugte Ausstattungspakete? Zahlungsbereitschaft für Assistenzsysteme? Keine Informationen. Daimler lässt wissen: "Da heute Alter als Differenzierungskriterium wenig Aussagekraft hat – es gibt sehr lebenserfahrene, geistig und körperlich agile Menschen ebenso wie junge Menschen mit tradierten Wertvorstellungen oder körperlichen Einschränkungen – beschäftigen wir uns mit der gesamten Bandbreite möglicher Werthaltungen und geistig oder körperlichen Fähigkeiten."