Mit einem geübten Handgriff und dem passenden Werkzeug knackt der Dieb das Türschloss. Keine zwei Minuten später läuft der Motor und das eigene Auto ist weg – vermutlich für immer.
Was unser fiktiver Autodieb da geknackt hat, war keineswegs eine alte Rostlaube ohne Wegfahrsperre, die sich einfach kurzschließen lässt. Es war ein neuer BMW, laut der Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherer (GDV) vermutlich ein X6 xDrive 40d – der Liebling der Autodiebe in Deutschland.
Der Autoknacker von heute schlägt nicht mehr die Scheibe ein und schließt die Zündung kurz. Er nutzt vielmehr die Technik des Autos für sich: Mit der OBD-Buchse (On-Board-Diagnose), über die etwa in Werkstätten die Fehlermeldungen ausgelesen werden, knackt der moderne Dieb die Systeme.
Laptop statt Brechstange
Er schließt dazu eine kleine Platine an den Diagnosestecker an und lässt sein Programm einen Moment laufen. Und schon passt nicht mehr der Autoschlüssel des Besitzers zu dem Fahrzeug, sondern der des Diebs – womit dieser den Motor starten und flüchten kann. Diagnosegerät statt Brechstange sozusagen.
Diese fünf Marken wurden 2013 am meisten gestohlen
2013 wurden in Deutschland 758 Skodas gestohlen. Obwohl das 13,8 Prozent weniger als im Vorjahr sind, gehört die tschechische Marke zu den Lieblingen der Diebe.
Quelle: Gesamtverband der deutschen Versicherer GDV
Das Interesse der Langfinger an Mercedes nimmt zu, 2013 wurden 8,2 Prozent mehr gestohlen als 2012. Insgesamt liegen die Stuttgarter mit 1065 Fahrzeugen aber noch deutlich hinter den anderen deutschen Premiummarken.
BMW ist bei Autodieben nicht mehr so beliebt wie 2012, der GDV verzeichnete ein Minus von 3,8 Prozent. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 2.748 BMWs entwendet.
Einen besonders krassen Sprung hat Audi hingelegt. Im Vergleich zu 2012 ging es 2013 um satte 24 Prozent auf 2.841 gestohlene Audis nach oben – damit haben die Ingolstädter knapp noch BMW überholt.
Die Goldmedaille in diesem etwas unrühmlichen Ranking geht an Volkswagen. Hier wurde VW Opfer seiner eigenen Größe, es gibt schlichtweg zu viele VWs auf deutschen Straßen. Mit 5.949 (+ 3,1 Prozent) gestohlenen Autos kommt keiner an VW vorbei.
Das hier geschilderte Beispiel ist kein Einzelfall. Im vergangenen Jahr wurden laut dem GDV 18.805 Autos gestohlen. Die Statistik der Polizei, die auch nicht-kaskoversicherte Fahrzeuge einschließt, meldet rund 19.400 unaufgeklärte Diebstähle.
Bei einem Fahrzeugbestand von 43 Millionen Autos in Deutschland liegt der Anteil der gestohlenen Autos zwar im Promille-Bereich, für die Versicherer ist es dennoch teuer: 2013 mussten sie einen Schadenaufwand von 264 Millionen Euro auszahlen – im Schnitt 14.033 Euro pro Fahrzeug.
Zwar sind die Diebstähle seit dem Höchststand 1993/1994, als jeweils über 100.000 Autos pro Jahr auf illegale Weise den Besitzer wechselten, dank der elektronischen Wegfahrsperre auf etwa ein Fünftel gesunken. Seit 2006 sind die Zahlen außerdem relativ konstant. Dennoch ist der Schadenaufwand für die Versicherer bis heute um 80 Millionen Euro gestiegen. Der Grund: Die Diebe greifen gezielt zu teuren Premiumautos, weil hier mehr Gewinn lockt. Da stellt sich die Frage: Schützen die Hersteller ihre teuren Autos gut genug gegen Diebstahl?
Fakt ist: Sobald ein neues Modell auf den Markt kommt, kaufen die professionellen Autoknacker ein Exemplar und analysieren die Software. Je nachdem wie gut der Schutz ist, dauert es zwischen einem und sechs Monaten, bis die passende Platine oder Software für den Laptop fertig ist – und für wenige hundert Euro verkauft wird.
„Es ist für mich völlig unverständlich, warum moderne Autos automatisch einparken können, aber in wenigen Sekunden geknackt sind“, sagt etwa Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Auch von der Polizei kommt Kritik an den Autobauern. „Die Hersteller hätten mehr Möglichkeiten“, sagt Cathleen Tzscheppan von der Polizei Brandenburg.
Laut der GDV-Statistik gibt es aber Unterschiede zwischen den Herstellern. Während bei Audi und BMW zwölf beziehungsweise zehn von 10.000 kaskoversicherten Autos gestohlen werden, sind es beim Premium-Konkurrenten Mercedes nur drei geknackte Fahrzeuge. Tzscheppan führt das nicht auf das geringere Interesse der Autoschieber an den Autos mit dem Stern zurück, sondern auf eine bessere Sicherheitstechnik der Stuttgarter: „Die ist schwerer zu knacken.“