Technik austricksen Warum es Autodiebe leicht haben

Hammer, Schraubendreher und Dietrich haben als Werkzeuge der Autoknacker ausgedient. Schwächen in der Software machen den Autoklau für moderne Diebe zum Kinderspiel.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: Getty Images

Mit einem geübten Handgriff und dem passenden Werkzeug knackt der Dieb das Türschloss. Keine zwei Minuten später läuft der Motor und das eigene Auto ist weg – vermutlich für immer.

Was unser fiktiver Autodieb da geknackt hat, war keineswegs eine alte Rostlaube ohne Wegfahrsperre, die sich einfach kurzschließen lässt. Es war ein neuer BMW, laut der Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherer (GDV) vermutlich ein X6 xDrive 40d – der Liebling der Autodiebe in Deutschland.

BMW X6 besser nicht in Berlin parken
Auf der Rangliste der bei Autodieben beliebtesten Marken hat Audi den bayerischen Autobauer BMW überholt. Nach der Kfz-Diebstahlstatistik 2013, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) heute veröffentlichte, stieg die Zahl gestohlener Audis im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent auf insgesamt 2.841 Fahrzeuge. Die Diebstahlrate von Audi kletterte damit von 1,0 auf 1,2 pro 1.000 kaskoversicherter Pkw. Besonders von Diebstählen betroffen waren Besitzer der Sport-Limousinen S4, S3 und S6. Quelle: Presse
Eine höhere Diebstahlrate als Audi erreichte 2013 nur noch Land Rover: 192 gestohlene SUVs dieser Marke ergaben eine Diebstahlrate von 3,1. Was aber eher an Range Rover liegt, als an Land Rover oder Jaguar ... Quelle: Presse
Hinter Land Rover und Audi auf Platz 3 liegt BMW: Mit 2.748 Autos wurden rund vier Prozent weniger Fahrzeuge dieses Herstellers gestohlen als im Vorjahr, die Diebstahlhäufigkeit sank von 1,1 auf 1,0 pro 1.000 kaskoversicherter BMW. Quelle: Presse
Am häufigsten gestohlen wurden aber - wie in den beiden Vorjahren - wieder die BMW-Modelle X6 und X5. Ganz oben auf der Liste der Lieblinge der Autodiebe: Der X6 Xdrive 4.0 D, mit einer Diebstahlrate von 21,9 Autos je 1.000 kaskoversicherter PKW. Für die Versicherung bedeutete dies jeweils ein Schadenaufwand von 47.404 Euro. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Platz 2: Lexus RX350Diebstahlrate je 1.000 kaskoversicherter PKW: 15,2 Durchschnittl. Schadenaufwand: 49.006 Euro Quelle: Presse
Platz 3: BMW X5 / X6 3.0 SDDiebstahlrate je 1.000 kaskoversicherter PKW: 14,9 Durchschnittl. Schadenaufwand: 39.093 Euro Quelle: Presse
Platz 4: BMW M3 CoupéDiebstahlrate je 1.000 kaskoversicherter PKW: 13,1 Durchschnittl. Schadenaufwand: 37.101 Euro Quelle: Presse

Der Autoknacker von heute schlägt nicht mehr die Scheibe ein und schließt die Zündung kurz. Er nutzt vielmehr die Technik des Autos für sich: Mit der OBD-Buchse (On-Board-Diagnose), über die etwa in Werkstätten die Fehlermeldungen ausgelesen werden, knackt der moderne Dieb die Systeme.

Laptop statt Brechstange

Er schließt dazu eine kleine Platine an den Diagnosestecker an und lässt sein Programm einen Moment laufen. Und schon passt nicht mehr der Autoschlüssel des Besitzers zu dem Fahrzeug, sondern der des Diebs – womit dieser den Motor starten und flüchten kann. Diagnosegerät statt Brechstange sozusagen.

Diese fünf Marken wurden 2013 am meisten gestohlen

Das hier geschilderte Beispiel ist kein Einzelfall. Im vergangenen Jahr wurden laut dem GDV 18.805 Autos gestohlen. Die Statistik der Polizei, die auch nicht-kaskoversicherte Fahrzeuge einschließt, meldet rund 19.400 unaufgeklärte Diebstähle.

Bei einem Fahrzeugbestand von 43 Millionen Autos in Deutschland liegt der Anteil der gestohlenen Autos zwar im Promille-Bereich, für die Versicherer ist es dennoch teuer: 2013 mussten sie einen Schadenaufwand von 264 Millionen Euro auszahlen – im Schnitt 14.033 Euro pro Fahrzeug.

Zwar sind die Diebstähle seit dem Höchststand 1993/1994, als jeweils über 100.000 Autos pro Jahr auf illegale Weise den Besitzer wechselten, dank der elektronischen Wegfahrsperre auf etwa ein Fünftel gesunken. Seit 2006 sind die Zahlen außerdem relativ konstant. Dennoch ist der Schadenaufwand für die Versicherer bis heute um 80 Millionen Euro gestiegen. Der Grund: Die Diebe greifen gezielt zu teuren Premiumautos, weil hier mehr Gewinn lockt. Da stellt sich die Frage: Schützen die Hersteller ihre teuren Autos gut genug gegen Diebstahl?

Fakt ist: Sobald ein neues Modell auf den Markt kommt, kaufen die professionellen Autoknacker ein Exemplar und analysieren die Software. Je nachdem wie gut der Schutz ist, dauert es zwischen einem und sechs Monaten, bis die passende Platine oder Software für den Laptop fertig ist – und für wenige hundert Euro verkauft wird.

„Es ist für mich völlig unverständlich, warum moderne Autos automatisch einparken können, aber in wenigen Sekunden geknackt sind“, sagt etwa Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Auch von der Polizei kommt Kritik an den Autobauern. „Die Hersteller hätten mehr Möglichkeiten“, sagt Cathleen Tzscheppan von der Polizei Brandenburg.

Laut der GDV-Statistik gibt es aber Unterschiede zwischen den Herstellern. Während bei Audi und BMW zwölf beziehungsweise zehn von 10.000 kaskoversicherten Autos gestohlen werden, sind es beim Premium-Konkurrenten Mercedes nur drei geknackte Fahrzeuge. Tzscheppan führt das nicht auf das geringere Interesse der Autoschieber an den Autos mit dem Stern zurück, sondern auf eine bessere Sicherheitstechnik der Stuttgarter: „Die ist schwerer zu knacken.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%