Tesla mit bislang höchstem Quartalsverlust Die großen Probleme des Elon Musk

Die Produktion des Heilsbringers Model 3 läuft auch nach Monaten alles andere als rund. Das kostet den Elektro-Pionier viel Geld. Und dann droht auch noch Ärger mit den Mitarbeitern.

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Tesla Model 3 Quelle: AP

Schon vor Veröffentlichung der Zahlen stand fest: Das dritte Quartal war kein leichtes für Tesla. Man könnte sogar sagen, dass es wie ein Sinnbild für die bewegte Geschichte des Elektroautobauers war: Ein vielversprechender Start, doch die harte Landung folgte prompt – und an der Börse stört das niemand.

Es war ein warmer Sommerabend, als Tesla-Chef Elon Musk zu Beginn dieses dritten Quartals einen seiner größten Triumphe feierte. Er übergab die ersten 30 Exemplare des Model 3 an seine Kunden. Das Elektroauto für den Massenmarkt, für das mehrere hunderttausend Menschen eine Reservierung für 1000 Dollar hinterlegt hatten, schien zum Greifen nah. Doch am Ende des Quartals war die Euphorie schon wieder verflogen.

Statt der versprochenen 1500 Autos bis zum 30. September konnte Tesla gerade einmal 260 Model 3 bauen. Selbst im August, als die schwierige Fertigung des Mittelklassemodells bereits am Laufen war, hatte der Autobauer die Prognose von 1500 Exemplare als Quartalsziel ausgegeben. Dass dieses bereits gekappte Ziel so deutlich verfehlt wurde, begründete Tesla lediglich mit „Produktionsengpässen“.

Die Tesla-Chronik

Eigentlich sollte eine hochautomatisierte Fertigung die Produktion des Model 3 besonders einfach und vor allem günstig machen. Um zum Produktionsstart die Komplexität gering zu halten, sind die ersten Exemplare des in der Grundausstattung rund 35.000 Dollar teuren Model 3 nur mir einer bestimmten Ausstattung und eingeschränkten Wahlmöglichkeiten für die Kunden erhältlich. Doch all das half offenbar nicht: Die Roboter laufen nicht, sämtliche Fahrzeuge des Model 3 wurden aufwändig von Hand zusammengeschraubt.

In einem anderen Punkt schlägt sich die hochautomatisierte Fertigung aber schon nieder – bei den Ausgaben. Die hohen Kosten für den Angriff im Massenmarkt haben Tesla im dritten Quartal stärker als erwartet in die roten Zahlen gedrückt – obwohl der Umsatz um knapp 30 Prozent auf 3,0 Milliarden Dollar stieg. Unter dem Strich fiel ein Verlust in Höhe von 619 Millionen Dollar an, wie der Konzern nach US-Börsenschluss mitteilte. Es ist der höchste Fehlbetrag, den Tesla seinen Investoren bislang in einem Quartal zugemutet hat.

Insgesamt stellte Tesla im dritten Quartal 25.336 Fahrzeuge her und lieferte 26.150 aus. Beim Absatz entspricht das einem Anstieg von 4,5 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Der Großteil der Auslieferungen, genau 14.065 Fahrzeuge, entfiel auf die Luxus-Limousine Model S. Von dem seit September 2015 erhältlichen Elektro-SUV Model X brachte Tesla 11.865 Wagen an die Kundschaft, vom neuen Model 3 nur 220 Stück. Letztere wurden aber allesamt an Mitarbeiter ausgeliefert. Im vierten Quartal sollen die ersten Fahrzeuge auch an externe Kunden übergeben werden.

Um die Nachfrage zu decken, muss Musk die Fertigungslinie ans Laufen bringen. Offiziell werden die „Produktionsengpässe“ nicht genauer begründet. Auf der einen Seite ist klar, dass der sehr schnelle und riskante Produktionshochlauf, wie Musk ihn geplant hatte, nicht funktioniert hat.

Auf der anderen Seite hat Tesla Mitte Oktober hunderten Arbeitern gekündigt – weil ihre Leistung nicht den Anforderungen entspreche. Auch bei der Tochterfirma Solarcity wurden mit einer ähnlichen Begründung Mitarbeiter entlassen. Insgesamt könnten es bis zu 1200 Kündigungen sein.

Viele der Betroffenen wehren sich gegen diese Vorwürfe. Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche packen die Arbeiter des Elektroavantgardisten aus, sprechen von schlechter Behandlung und enormem Druck.

Trotz sehr hoher Wochenarbeitszeiten bezahlt Tesla seine Produktionsmitarbeiter unter dem Branchenschnitt. Eine Gewerkschaftsvertretung gibt es in dem Fahrzeugwerk im kalifornischen Fremont nicht. Einige Beobachter sehen hier auch einen vermutlichen Grund für die Kündigungen: Es soll sich größtenteils um Sympathisanten der Auto-Gewerkschaft UAW handeln. Auch die UAW selbst sieht das so und hat bei der zuständigen US-Behörde National Labor Relations Board Klage gegen Tesla erhoben.

Tesla schmeißt über 400 Mitarbeiter raus

Wie der Nachrichtensender CNBC meldet, sollen bei Solarcity die Kündigungen nach mangelnden „Beurteilungen“ ausgesprochen worden sein. Laut ehemaligen und derzeitigen Mitarbeitern soll es aber derartige Leistungsbeurteilungen nie gegeben haben. Drei Mitarbeiter, die von der Personalabteilung eine Kopie dieser angeblich existierenden „Leistungsbeurteilung“ eingefordert hätten, hätten kein solches Papier erhalten.

Bereits im Frühjahr hatte es Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Tesla gegeben. Mitarbeiter hatten damals von vielen Überstunden und häufigen Unfällen berichtet. Der britische „Guardian“ schrieb im Mai unter Berufung auf interne Dokumente, dass im Tesla-Werk seit 2014 mehr als 100 Mal der Notarzt gerufen wurde. Mitarbeiter seien in Ohnmacht gefallen oder hätten über Schwindel, Atembeschwerden oder Schmerzen in der Brust geklagt. Zudem soll es weitere Fälle gegeben haben, in denen Ärzte wegen Verletzungen gerufen worden seien. „Ich habe Menschen gesehen, die ohnmächtig wurden, wie ein Pfannkuchen zu Boden fielen und sich das Gesicht aufschlugen“, zitiert der „Guardian“ einen Tesla-Beschäftigten. „Man hat uns danach aufgetragen, einfach um ihn herum weiterzuarbeiten, während er noch am Boden lag.“

Was Teslas Elektro-SUV im Alltag kann
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla

Im Mai konnte Musk die Kritik noch einfangen, bevor sie sich zu einem Flächenbrand entwickelt hatte. „Meine Arbeiter haben eine harte Zeit, arbeiten stundenlang“, sagte der Tesla-Chef der Zeitung. Er beteuerte zudem, dass er sehr um die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Mitarbeiter besorgt sein.

Klar ist: In einer so angespannten Situation kann sich Tesla einen tiefergehenden Streit mit seiner Belegschaft nicht leisten. Denn selbst wenn die Fertigungslinie für das Model 3 endlich läuft, wird das Risiko kaum geringer. 400.000 Autos pro Jahr mehr zu bauen stellt selbst etablierte Autobauer vor große Herausforderungen – Tesla als sehr junges Unternehmen muss hier erst noch Erfahrungen sammeln, auch wenn das Unternehmen viel Personal aus der Autobranche abgeworben hat. „In der Massenproduktion wächst das Risiko, das Fehler untergehen. Das gab es bei Tesla mit den geringen Stückzahlen bislang nicht“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management.

Tesla baut weiter an seiner Batteriefabrik
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Im Juli 2016 hatte Tesla zur offiziellen Eröffnung erstmals Presse-Fotografen auf das Gelände gelassen. Die bezeichnend "Gigafactory" genannte Anlage gehört sogar zu den größten Produktionsstätten überhaupt. Hier sollen Akkus für Elektroautos und Heimspeicher vom Band laufen – mehr als alle Hersteller der Welt heute zusammen produzieren. (Stand: Juli 2016) Quelle: AP
Im Juli waren erst 14 Prozent der Anlage in Betrieb. Dennoch hatte Tesla-Gründer Elon Musk Ende Juli zur Eröffnungsfeier geladen – einige Tage vorher durften sich bereits Journalisten und Fotografen auf dem Fabrikgelände umsehen. Voll in Betrieb soll die Anlage erst 2018 sein. Bis dahin wird an allen Ecken und Enden gebaut. Quelle: REUTERS
Auch wenn es noch nicht so aussieht: Diese Halle ist einer der Grundpfeiler der Strategie von Elon Musk, mit der er Tesla von einem Nischen- zu einem Massenhersteller machen und ganz nebenbei dem Elektroauto zum Durchbruch verhelfen will. Quelle: REUTERS
Die eigenen Batterien sind unerlässlich, wenn Tesla mit dem Model 3 (im Bild ein ausgestellter Prototyp) ab dem kommenden Jahr die Massen mobilisieren soll. Zum einen, weil momentan gar nicht genügen Akkus für die angepeilten Stückzahlen des Model 3 zugekauft werden könnten. Zum anderen, weil sie schlichtweg zu teuer wären. Der angekündigte Preis von 35.000 Dollar für den Wagen wäre nicht zu halten. Quelle: REUTERS

Mit der rapide steigenden Produktionszahl steigt auch das Risiko der Rückrufe. Tesla ist ein junges Unternehmen, das trotz der enormen Marktkapitalisierung stetig Verluste schreibt. Den Rückruf von einigen Tausend Model S könnte der Konzern verkraften. Müssen aber Zehntausende oder gar Hunderttausende Model 3 in die Werkstatt, wäre die finanzielle Belastung enorm.

Das Problem: Tesla neigt dazu, das Produkt beim Kunden reifen zu lassen. Doch anders als in der Software-Welt, in der einfach ein Update nachgeschoben werden kann, ist ein kleiner Fehler bei der Hardware ungleich komplexer zu beheben. Simple Bauteile, etwa ein unzuverlässiger Sensor oder eine (aufgrund der stark beschleunigten Produktionsplanung) nicht perfekt eingebaute Türdichtung, können zu sehr teuren Rückrufen führen.

Elektroautos im Kostenvergleich

Rückrufe oder mangelnde Qualität kann Tesla nicht gebrauchen. Bislang war die Marke größtenteils ohne echte Konkurrenz. Während beim Model S und Model X die Konkurrenz erst langsam aufholt, steigt Tesla mit dem Model 3 bereits in einen bestehenden Markt ein. In der Preisklasse kämpfen auch ein BMW i3, VW e-Golf, bald die zweite Generation des Nissan Leaf oder ein Hyundai Ioniq um die Käufergunst in der Elektro-Mittelklasse. Die Kundschaft eines teureren Tesla dürfte an den Wagen ähnliche Qualitätsanspruche wie an einen BMW oder Audi haben – vielleicht abzüglich eines kleinen Tesla-Bonus. Doch die Fehlertoleranz ist gering.

Spätestens mit dem Sprung in den Massenmarkt ist die Schonfrist für Tesla vorbei.

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