Etwas zu verkaufen, was es noch gar nicht gibt, darin ist Elon Musk unschlagbar. Wie schon beim Elektroauto läuft nun auch die Marketingmaschine für sein neuestes Produkt: Die Produktion für Solardachziegel sei schon bis Ende 2018 ausgebucht, beteuerte der Tesla-Chef kürzlich vor begeisterten Fans.
Diese trauen ihm offenbar alles zu, aus der ganzen Welt ordern sie die Superziegel auf der Tesla-Webseite. Um auf grünen Strom umzusteigen, müsse man nur sein Dach neu decken, verspricht Musk. Runter mit den profanen Schindeln, rauf mit den schicken Solarziegeln aus Glas. 2018 will Tesla diese auch in Deutschland anbieten.
Kombiniert mit einem Stromspeicher, sollen die Solarziegel das Eigenheim zu einem kleinen grünen Kraftwerk machen: heizen, kochen und gleich noch das E-Auto laden. Unabhängig vom Stromversorger – und vor allem viel schöner als die aufs Dach geschraubten Solaranlagen.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Doch so mancher Tüftler ist mit dieser Idee schon gescheitert. Selbst Musk räumt ein, dass er die Technologie noch nicht ganz im Griff habe. Bisher präsentierte er lediglich einen Prototyp. Und in Deutschland gilt es, beim Markteintritt viele Regeln zu beachten. Die ignoriert Tesla bislang. Wird es Musk gelingen, deutsche Dächer mit Solarziegeln zu decken?
Museum statt Marketingmaschine
Deutschland dürfte einer der lukrativeren Märkte sein, in denen er seinem neuen Business zum Durchbruch verhelfen könnte. Die Deutschen setzen schließlich gern auf alternative Lösungen. 15 Millionen Dächer wären hierzulande Schätzungen zufolge für Solarziegel geeignet.
Der Dresdner Solarmodulhersteller Solarwatt hat schon 1999 einen ähnlichen Ziegel erfunden. Inzwischen ist er ins hauseigene Museum gewandert. „Der technische Aufwand und die Fehleranfälligkeit waren zu groß“, sagt Firmenchef Detlef Neuhaus. Denn so ein Solardachstein muss nicht nur Strom liefern, sondern auch vor Wind und Regen schützen, Schall und Wärme dämmen. Die Kunst besteht darin, diesen genauso dicht zu machen wie einen konventionellen – und all die elektrischen Anschlüsse der Ziegel sicher zu verkabeln.
Ein herkömmliches Solarmodul besteht dabei aus 60 Zellen. In einem Dachziegel wie dem von Tesla sind nur zwei Solarzellen verbaut. Anstatt etwa 20 Solarmodule auf ein Dach zu installieren, müssten also 600 Tesla-Ziegel miteinander verstöpselt werden, um die gleiche Wirkung zu erzielen. „Technisch ist das lösbar, es braucht aber Fachleute und viel Zeit“, sagt Neuhaus.
Die Sonnenrevolution aus Kalifornien ist daher eher etwas für die betuchte Kundschaft: Um die 60 000 Dollar soll ein Tesla-Solardach für ein durchschnittliches Haus kosten. Dazu kommt noch der Speicher. Ausgerechnet da aber hapert es: Der Tesla-Ziegel wandelt zwei Prozent weniger Energiemenge als herkömmliche Anlagen um. Die Effizienz würde noch verbessert, verspricht Musk.
Musk aber stellt sich ziemlich ungeschickt an, um deutsche Dächer zu decken: Er scheint die deutsche Regelwut einfach vergessen zu haben.
Erfindergeist trifft deutsche Gründlichkeit
Weder der Deutsche Dachdeckerverband noch das Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin haben je etwas von einem Tesla-Solarziegel gehört. Dabei entscheiden hierzulande Bautechniker, ob ein Produkt wie der Solarziegel überhaupt zugelassen wird. „So ein Tesla-Solardachziegel muss den Anforderungen und Regeln deutscher Bautechnik entsprechen“, betont Josef Rühle, Technik-Geschäftsführer beim Dachdeckerverband in Köln. Ohne offizielle baurechtliche Bewertung „kommt kein Tesla-Solarziegel je auf ein deutsches Dach“.
Rühle rattert viele Fragen runter, die der „Herr Tesla“ beantworten müsse: Entspricht die Befestigung der Solarziegel im Dachstuhl den deutschen Normen? Gibt es wasserableitende Funktionen? Ist der Brandschutz gewährleistet? Wer darf das Produkt installieren? Ein Dachdecker sei kein Elektriker. „Stellen Sie sich mal vor, es brennt im Haus, und das ganze Dach steht unter Strom! Gibt’s dann da irgendwo einen Schalter, mit dem man das Solardach ausschalten kann?“ Bei Tesla gibt man sich dennoch optimistisch, den eigenen Fahrplan wie versprochen einhalten zu können: 2018 wolle das Unternehmen in Deutschland starten, bestätigte ein Tesla-Sprecher.
Technik-Chef Rühle würde sich über einen Anruf von Musk freuen. Denn ein Solarziegel aus dem Hause Tesla, wenn er denn einfach und unkompliziert zu verbauen wäre, würde Deutschland und den hiesigen Handwerkern guttun, glaubt er. Weltweit entdecken die Menschen die Liebe zum Solarstrom, aber ausgerechnet im Land der Energiewende stockt es, weil es immer mehr gesetzliche Einschränkungen beim Bau gibt.
Wenn es den Deutschen mit dem Wunsch nach mehr grünem Strom wirklich ernst ist, so glaubt Solarwatt-Chef Neuhaus, werde es in Zukunft sogar selbstverständlich sein, in Neubauten oder bei Kernsanierungen von Gebäuden Solarmodule zu verbauen. Deshalb haben die Dresdner ihre Idee von Solardächern noch nicht aufgegeben: Sie haben ein Solarmodul mit einem Rahmen entwickelt, das sich wie eine Dachpfanne an die Latten des Dachstuhls hängen und sich verschieben lässt. Wie der Solardachziegel von Tesla ersetzt dieses Modul die Dachschindel. Weil es aber viel größer als Teslas ist, lassen sich damit mehrere Ziegel ersetzen. Damit falle die aufwendige elektrische Verkabelung jedes einzelnen Solarziegels weg. Und dicht sei das Dach auch.
Wirklich gut verkauft es sich trotzdem nicht. Vielleicht weil es, wie Neuhaus meint, schwierig ist, den Kunden verständlich zu machen, was das neue Modell alles kann. Musk könne doch Marketing. Der Mittelständler hat eine Botschaft: Statt länger am eigenen Prototyp zu tüfteln, sollte Musk einfach das Produkt der Dresdner nehmen. „Liefern könnten wir sofort.“