Es ist ein neuer Rekord. 25.000 Model S und Model X hat der Silicon-Valley-Elektroautopionier Tesla im ersten Quartal ausgeliefert, so viel wie nie zuvor. Die Umsätze verdoppelten sich auf 2,7 Milliarden Dollar.
Obwohl parallel die Fertigung der Mittelklasselimousine Tesla 3 vorbereitet wird, wurde die Produktion um 64 Prozent gesteigert. Doch das Wachstum kommt zu einem Preis, der nach Börsenschluss die Tesla-Aktie um rund ein Prozent fallen ließ. Die Verluste erhöhte sich auf 330 Millionen Dollar, im Vorjahr waren es 282 Millionen Dollar gewesen, mehr als Marktbeobachter erwartet hatten.
Doch die drei Kernfragen, auf die Aktionäre am Mittwochabend bei der Präsentation der Frühjahrsquartals-Zahlen von Tesla Motors Antworten erhofften, zielen mehr auf die Zukunft als das Alltagsgeschäft.
Wann läuft die Produktion der Mittelklasselimousine Tesla 3 an, der Startschuss zum Massenmarkt? Wann wird das Fahrzeug, das in der günstigsten Version 35.000 Dollar plus Steuern kosten soll, ausgeliefert? Reicht das Kapital, um sowohl die Fahrzeug- als auch die Solarsparte auf Touren zu bringen?
Vereinfachte Fertigung bei Tesla
Die Tesla-3-Produktion soll im Juli starten. Vorserien-Modelle werden derzeit auf der Straße getestet. Signifikante Änderungen seien nicht nötig, so Musk. “Es läuft so wie in den Simulationen”. Das Model 3 sei von Grund auf so entwickelt worden, dass es wesentlich einfacher zu fertigen sei als Model S und Model X. Während beispielsweise die Länge der Kabel im Model S drei Kilometer betragen, sind es beim Model 3 nur die Hälfte. Auch die Produktionstechnologie habe sich verbessert, noch mehr sei automatisiert worden. Die Fertigungslinie könne sich mit denen von führenden Massenherstellern messen.
Auf den genauen Starttermin in der zweiten Jahreshälfte für die Auslieferung der Serienmodelle will sich Musk weiterhin nicht festlegen. Außer dass die Produktion des Model 3 bis Jahresende mindestens 5000 Stück pro Woche erreichen und über das nächste Jahr auf 10.000 Stück pro Woche ausgeweitet werden soll. Denn Tesla braucht zunächst auch eine eigene Flotte, auch damit Interessenten das Modell Probefahren können.
Für die Produktion von Model S und Model X sind in diesem Jahr 100.000 Stück angepeilt. Im nächsten Jahr wird die Fabrik in Fremont mindestens eine halbe Million Autos fertigen. Für 2020 ist Teslas Chef weiterhin optimistisch, die eine Million Fahrzeuge Jahresproduktion zu erreichen, “vielleicht sogar mehr”.
Das eingesammelte Kapital sowie die Einnahmen aus dem Verkauf der Produkte sollen reichen, um sowohl die Fahrzeugproduktion auszuweiten, als auch die Solarsparte auf Touren zu bringen. Musk will jedoch nicht ausschließen, künftig weiteres externes Kapital einzusammeln. “Das hängt davon ab, wie schnell wir wachsen wollen.”
Elon Musk bereut Namensgebung des Tesla 3
Gerüchten, dass Apple sich an Tesla beteiligen wolle, wich Musk aus. “Ich glaube nicht, dass sie eine Diskussion darüber wollen”, so der Tesla-Chef. “Ich nutze ein iPhone und einen Laptop von ihnen, die sind cool.” Auch habe er keinerlei Einblick in die angeblichen Pläne von Apple selber in die Fahrzeugproduktion einzusteigen. “Mir ist nicht klar, was sie vorhaben.”
Wenn Musk etwas bereut, ist es die Namensgebung für das Model 3. Eigentlich sollte das Fahrzeug Model E heißen, doch Ford habe mit einer Klage gedroht. Das Problem sei, dass etliche Kunden annähmen, dass das Model 3 das modernste Auto von Tesla sei, sozusagen ein Upgrade der derzeitigen Modellpalette.
Dieser Trugschluss habe bereits Auswirkungen auf den Verkauf des Model S gehabt. “Das Model 3 ist im Grunde eine kleinere, erschwingliche Version des Model S und nutzt die gleiche Technologie”, stellte Musk klar. Model S und Model X blieben die Premium-Versionen mit größeren Dimensionen, Gepäckraum, Optionen und besserer Ausstattung.
Keine Abstriche macht Tesla hingegen beim unterstützten und später autonomen Fahren. Der Autopilot im Tesla 3 verfügt über die gleichen Möglichkeiten wie die Premium-Modelle. Nebenbei nutzte Musk die Gelegenheit, um gegen den vormaligen Autopilot-Partner Mobileye zu keilen, der sich von Tesla getrennt hatte und gerade von Intel für 15,3 Milliarden Dollar gekauft wurde.
Man habe die Funktionalität der Mobileye-Sensoren in nur sechs Monaten selber entwickelt, stänkerte Musk. Auf der Hightech-Konferenz TED in Vancouver hatte Musk getönt, dass der Autopilot so starke Fortschritte mache, dass Tesla-Fahrer schon in zwei Jahren beruhigt hinter dem Lenkrad schlafen könnten.
America first!
Ein Dämpfer für ausländische Interessenten des Tesla 3: Bei der Auslieferung sollen US-Kunden zunächst Vorrang haben, damit möglichst viele die Steuervorteile in Anspruch nehmen können. Die US-Bundesregierung gewährt für abgasarme Autos einen Steuerkredit von 7500 Dollar, der sich allerdings verringert, wenn der Autohersteller einen Gesamtabsatz von 200.000 Fahrzeugen überschreitet.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
In der Praxis können es jedoch mehr sein, weil die stufenweise Verringerung erst am Ende des Quartals nach Erreichen des Fahrzeuglimits gilt. Musk wollte auf Nachfrage nicht enthüllen, wie nah sein Unternehmen durch den Verkauf von Model S und Model X bereits an der Obergrenze ist. “Das führt nur zu unnötigen Spekulationen”, befürchtet er.
Im Übrigen seien die Zuschüsse des Staates für abgasarme Autos kontraproduktiv, da sie eher den etablierten Fahrzeugherstellern helfen würden. “Nichts regt mich mehr auf, als Geschichten wieviel Geld Tesla angeblich vom Steuerzahler erhalten hat”, wetterte Musk. Die Vergünstigungen etwa für den Bau der Akkufabrik in Nevada seien vor allem das Erlassen von Verkaufssteuer auf Ausrüstung und Anlagen. Dort sei schließlich etwas geschaffen worden. “Vorher waren da nur Steine.”
Totgesagte leben länger
Die Tesla-Aktie ist im Mai auf neue Höchststände geklettert, ist mit rund 51 Milliarden Dollar Börsenwert etwa 300 Millionen Dollar mehr wert als General Motors, immerhin größter amerikanischer Autohersteller. Völlig verrückt, findet der Hedgefond-Spekulant David Einhorn: "Momentan sind die Leute von Teslas CEO hypnotisiert“, soll der Multimilliardär laut der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg gegenüber seinen Geldgebern gelästert haben.
Ist Tesla also in einer gigantischen Blase, die zum Platzen verurteilt ist, weil die historisch eher überschaubaren Gewinnmargen im Massengeschäft niemals den heftigen Börsenwert tragen können?
Andererseits wird Tesla seit seiner Gründung vor vierzehn Jahren der baldige Exitus vorausgesagt. Bisher ist das Unternehmen nicht nur regelmäßig dem Tod von der Schippe gesprungen, wobei auch Daimler mit seinem vorübergehenden Einstieg half, sondern hat auch die etablierten Autohersteller in Angst und Schrecken versetzt. Seit dem Börsengang im Juli 2010 ist die Tesla-Aktie von 17 auf nunmehr 313 Dollar geklettert.
Tesla ist kein normales Unternehmen, sondern ein Kult, so wie einst Apple. Viele seiner in Klubs organisierten Tesla-Fahrer sind überzeugt, dass Musk einen Dienstleistungskonzern baut, der sowohl den Besitz und Gebrauch von Fahrzeugen radikal verändern wird, als auch die Erzeugung und Speicherung von Energie. Allerdings gibt es auch Kritik und Klagen von Tesla-Eigentümern, die den Autopiloten für unsicher und seine Fähigkeiten für überverkauft halten.
Musk hatte vor ein paar Jahren darüber philosophiert, dass Tesla einmal mehr als Apple wert sein könnte, also mehr als 700 Milliarden Dollar Börsenwert. Dazu steht er immer noch. “Es ist nicht illusorisch, ich sehe einen klaren Weg dorthin.” Im übrigen sei es an der Zeit, einfach mal anzuerkennen, was Tesla bereits geleistet habe. Von den 17 Millionen Fahrzeugen, die in den USA verkauft werden, seien nur 100.000 Stück Premium-Fahrzeuge. “Und wir haben bereits ein Drittel davon.”
Als Tesla gegründet wurde, kämpfte der Online-Händler Amazon ums Überleben, wurde von Analysten totgesagt. Sein Gründer Jeff Bezos hat seitdem aus einem Buchversender einen Technologiekonzern geformt, der an der Börse mit 450 Milliarden Dollar bewertet wird, ebenfalls ein Rekordwert. Amazon stand in seinen düstersten Zeiten im September 2001 bei sechs Dollar, momentan nähert sich der Wert der 1000 Dollar Marke.
Die Frage, ob Tesla die größte Blase aller Zeiten war, wird erst in der nächsten Dekade beantwortet. Sicher sind nur zwei Dinge: Egal wie das Schicksal von Tesla dann aussieht, es wird immer Leute geben, die das schon immer gewusst haben.
Und dass der Besitz von Tesla-Aktien nichts für schwache Nerven ist. Seit September 2013 gleicht ihr Kurs einem Jojo, allerdings auf einer Hochebene, deren Spitzen immer höher werden. Eins ist tröstlich: Selbst wenn Musks Abenteuer schief gehen sollte, hat er wenigsten Dynamik in eine etablierte Branche gebracht und Leidenschaft geweckt. Das können nicht alle Silicon-Valley-Tycoone von sich behaupten.