Auch Automagazine enthüllen immer wieder Qualitätsmängel und Ausstattungsdefizite, die so gar nicht zum Image der deutschen Edelmarken passen wollen: Bei der neuen A-Klasse von Mercedes wird die aufgestellte Motorhaube von einer Eisenstange statt mit einem Gasdruckdämpfer gehalten, BMW etwa verzichtet aus Kostengründen auf Scharnierabdeckungen oder eine Klarlackschicht auf der Innenseite des Kofferraumdeckels. „Premium? Alles Lüge!“, polterte unlängst die „Auto Bild“. Premium sei „nichts weiter als die Erfindung der Marketingstrategen, mehr Geld für gewöhnliche Ware einzunehmen“.
Erfolg mit Made in Germany
Aber wie lange geht diese Strategie von BMW, Mercedes und Audi noch gut? Wie lange sind die Kunden noch bereit, für durchschnittliche Qualität überdurchschnittliche Preise zu zahlen? Norbert Reithofer gibt sich entspannt. Im Interview mit der WirtschaftsWoche behauptet der BMW-Chef, die Premiumautos aus eigener Fertigung seien Massenmarken bei der Produktsubstanz „weiterhin überlegen“, BMW bei „Kundenzufriedenheit und Markenwert führend“.
Die aktuellen Verkaufszahlen geben Reithofer und seinen Kollegen bei Daimler oder Audi recht: BMW verkaufte 2012 erstmals mehr als 1,8 Millionen Fahrzeuge, Audi übertraf bereits im November den Absatz des gesamten Vorjahres, und Mercedes freut sich nach dem verkaufsstärksten November aller Zeiten auf das beste Jahr der Firmengeschichte. Tiefes Elend dagegen bei den französischen und italienischen Autoherstellern, die mit ihren Massenmarken Peugeot, Renault und Fiat rote Zahlen schreiben, während die edlen Schlitten der Deutschen zweistellige Umsatzrenditen einfahren.
Rund 4000 Euro verdienten BMW und Audi 2012 mit jedem verkauften Auto, selbst erfolgreiche Massenmarken wie Toyota müssen sich mit weniger als 1000 Euro begnügen. Auch die in der kommenden Woche beginnende Automesse in Detroit dürfte zum Triumphzug deutscher Premiummarken werden.
Mit ihrer Hochpreispolitik ist den heimischen Autobauern gelungen, woran andere deutsche Technikbranchen gescheitert sind. Frühere Vorzeigeindustrien wie die Unterhaltungselektronik, Textilhersteller, Solarwirtschaft oder Telekommunikation sind nurmehr ein Schatten ihrer selbst und haben Hunderttausende Jobs in Niedriglohnländer verlagert. Die Autokonzerne dagegen machten made in Germany zum Rückgrat ihres Erfolgs.
Zwar kommen die Fahrzeuge in immer geringerer Zahl aus deutschen Landen – in ausländischen Wachstumsmärkten wie China oder Brasilien fertigen sie fast doppelt so viele Autos wie im Geburtsland von Autoerfinder Carl Benz. Aber das Image deutscher Qualität ist geblieben. Und diese Führungsposition lassen sich die deutschen Hersteller viel kosten: Jeder dritte Euro, der 2011 in Deutschland für Forschung und Entwicklung ausgegeben wurde, stammte aus der Autoindustrie.
Länger Arbeiten für's Auto
Mit einer cleveren Mischung aus Innovation, Design, hochwertiger Produktanmutung und intensiver Markenpflege entzog sich die deutsche Autoindustrie dem sonst üblichen Preisverfall bei technischen Gütern. Den drei Premiummarken gelang es sogar, ihr Preisniveau über die Jahre zu erhöhen: Musste ein deutscher Durchschnittsverdiener Mitte der Siebzigerjahre rund 800 Stunden für einen neuen 3er-BMW arbeiten, sind es heute schon über 1800 Stunden. In der Unterhaltungselektronik verlief die Entwicklung umgekehrt: Mitte der Siebzigerjahre musste ein Deutscher noch 300 Stunden für einen neuen Fernseher arbeiten, heute lediglich 30.