China ist nicht nur der größte Automarkt der Welt, auch für Volkswagen ist die Volksrepublik der größte Absatzmarkt. Vier von zehn Neuwagen verkaufen die Wolfsburger inzwischen dort. In der Bilanz taucht das wichtige China-Geschäft aber nur am Rande auf: Da die chinesischen Zweigstellen offiziell nur Beteiligungen an Joint Ventures sind, werden die Beiträge nicht bei der Marke VW, sondern beim Finanzergebnis verbucht.
Egal wo die Erlöse aus dem China-Geschäft am Ende verrechnet werden: In den Boom-Jahren hat sich das Reich der Mitte zu einer wichtigen Ertragssäule für VW entwickelt. Vielleicht ein bisschen zu wichtig, denn mit einem Volumen von 40 Prozent des Gesamtabsatzes hat sich Volkswagen auch abhängig von dem Markt gemacht. Konjunkturelle Abschwünge schlagen sich so direkt in das Konzernergebnis durch.
2017 könnte VW in China wieder wachsen
„Die Zeiten zweistelliger Wachstumsraten im Reich der Mitte sind vorbei“, sagt NordLB-Mann Schwope. „Nichtsdestotrotz darf man nicht vergessen, dass das Reich der Mitte noch immer ein Riesenpotenzial birgt und in den nächsten Jahren wieder Wachstum verspricht. Um bei der Motorisierung einen westlichen Standard zu erreichen, fehlen im Reich der Mitte noch mehr als 500 Millionen Pkw! Spätestens ab dem Jahr 2017 rechnen wir wieder mit steigenden Absatzzahlen für den Volkswagen-Konzern in China.“
Zusammen mit dem Abschwung in Südamerika und Russland sieht Auto-Professor Bratzel das Risiko von weiteren Gewinneinbrüchen. „Im Falle von anhaltenden Absatzeinbrüchen kommt Volkswagen nicht um Einschnitte bei den Beschäftigten herum“, sagt der CAM-Leiter. „Forschungs- und Technologieentwicklungen können gegebenenfalls fokussiert werden, allerdings sind Kostenreduzierungen aufgrund der Relevanz für die künftige Wettbewerbsfähigkeit hier besonders kritisch.“
Welche Folgen ein Absatzeinbruch in China auf Volkswagen und andere deutsche Autobauer hätte, hat Bratzel im Mai exklusiv für die WirtschaftsWoche berechnet.
Die Krisenszenarien der deutschen Autobauer
Eine globale Finanzkrise vergleichbar mit der Krise von 2008/2009 trifft die globalen Automobilhersteller. Innerhalb weniger Wochen brechen die Autoverkäufe auf den wichtigsten Automobilmärkten USA, Europa und China um etwa 20 Prozent ein. Dadurch verschärfen sich auch die Kreditbedingungen erheblich. Auch das folgende Jahr lässt zunächst keine Erholung erwarten.
Szenario: Globaler Absatzrückgang um 20 Prozent
- 2.000.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 750.000 davon in Deutschland
- bis 50.000 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Sehr verletzlich
Quelle: Center of Automotive Management
Szenario: Globaler Absatzrückgang um 20 Prozent
- 400.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 200.000 davon in Deutschland
- bis 15.000 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Verletzlich
Szenario: Globaler Absatzrückgang um 20 Prozent
- 430.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 200.000 davon in Deutschland
- bis 12.000 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Weniger verletzlich
Der chinesische Pkw-Markt bricht in Folge von wirtschaftlichen Problemen – denkbare wäre das Platzen einer Immobilienblase – innerhalb eines Jahres um drastische 20 Prozent ein und bleibt ein volles Jahr 20 Prozent niedriger als im Vorjahr. Die Aussichten für das nächste Jahr lassen ebenfalls keine Erholung erwarten.
Szenario: Absatzrückgang um 20 Prozent in China
- 750.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 650.000 weniger produzierte Autos in China
- bis 8.000 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Sehr verletzlich
Szenario: Absatzrückgang um 20 Prozent in China
- 60.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 35.000 weniger produzierte Autos in China
- bis 1.500 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Weniger verletzlich
Szenario: Absatzrückgang um 20 Prozent in China
- 100.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 60.000 weniger produzierte Autos in China
- bis 1.700 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Weinger verletzlich
Neue oder bisher branchefremde Unternehmen wie Tesla, Google oder Apple gewinnen im Zuge der schnellen Durchsetzung der Elektromobilität und des vernetzten sowie autonomen Fahrens an Bedeutung und bedrohen mit ihren Geschäftsmodellen die etablierten Hersteller.
- Mittel bis wenig innovativ mit Blick auf radikale Veränderungen
- Mittelgroße Kompetenz bei Elektro- und Hybridfahrzeugen
- Sehr hohe Kompetenz bei vernetztem Fahren
- Kaum Erfahrung mit Mobilitätskonzepten
Fazit: verletzlich
- Mittel innovativ mit Blick auf radikale Veränderungen
- Mittelgroße Kompetenz bei Elektro- und Hybridfahrzeugen
- Sehr hohe Kompetenz bei vernetztem Fahren
- Erste Erfahrung mit Mobilitätskonzepten (Car2Go, Moovel)
Fazit: Weniger verletzlich
- Mittel bis sehr innovativ mit Blick auf radikale Veränderungen
- Mittlere bis sehr große Kompetenz bei Elektro- und Hybridfahrzeugen
- Sehr hohe Kompetenz bei vernetztem Fahren
- Erste Erfahrung mit Mobilitätskonzepten (DriveNow)
Fazit: Kaum verletzlich
Wie Müller in China reagieren wird, ist noch unklar. Im Zuge der nach dem Skandal ausgerufenen Milliarden-Einsparungen kommen offenbar auch Investitionen in neue chinesische Werke auf den Prüfstand. Auf dieser Baustelle könnten aber die nächsten Tage etwas mehr Klarheit bringen: Der VW-Chef reist derzeit an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die Volksrepublik.