Trump und die US-Konzerne Was die Ford-Entscheidung für die US-Autobranche bedeutet

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Auch deutsche Autobauer wären betroffen

Fields gab sich auch redlich Mühe, es nicht als Verneigung vor Trump darzustellen – auch wenn es stark danach aussieht. Die Entscheidung, die Produktion des Ford Focus doch nicht von Michigan in das geplante Werk im mexikanischen San Luis Potosí zu verlagern, sei allein den Marktkräften geschuldet. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass die Nachfrage zu gering sei, um die Milliardeninvestition zu rechtfertigen. Es habe „keinen Deal“ mit Trump gegeben.

Das mit dem Deal ist sogar glaubhaft, denn es ist fraglich, ob Trump zugestimmt hätte: Ford baut zwar kein neues Werk in Mexiko, die Fertigung des Focus wird aber dennoch aus den USA verlagert. Aber nicht nach Luis Potosí, sondern einfach in das bestehende Werk Hermosillo. Lediglich die Investition in die künftige High-Tech-Schmiede in Flat Rock ist in den USA geblieben.

Die US-Werke der deutschen Autokonzerne

Trump ist die boomende Autoproduktion Mexikos ein Dorn im Auge. Das Nachbarland hat in den vergangenen Jahren selbst den vergleichsweise günstigen US-Südstaaten den Rang abgelaufen – Autobauer aus aller Welt haben in den vergangenen zehn Jahren rund 20 Milliarden Euro in den Aufbau neuer Mexiko-Werke investiert. VW ist dort seit Jahren vertreten, Audi hat gerade das Werk für den Q5 eröffnet, Daimler baut noch zusammen mit Nissan und will 2017 fertig sein, BMW erst 2019.

Schutzzölle für Importe aus Mexiko würden also nicht nur GM und Ford, sondern auch die drei deutschen Autobauer treffen. VW aber besonders hart. Denn während Daimler und BMW ihre wichtigen US-Modelle in den Südstaaten fertigen, kommt das derzeit in den USA meistverkaufte VW-Modell, der Mittelklassewagen Jetta, aus dem mexikanischen Puebla. Womöglich kann das Volkswagen mit dem Start des großen US-SUV Atlas aus Tennessee bald kompensieren, schmerzhaft würden die möglichen Einschnitte beim Jetta aber trotzdem.

Auf dieses Auto setzt VW seine US-Hoffnungen
"Midsize-SUV" – das klingt nach Mittelklasse. In Deutschland wäre das bei Volkswagen ein Tiguan. Der misst in der Länge knapp 4,48 Meter, in der Breite sind es 1,84 Meter. Darüber rangiert der Touareg, bei einem kleineren SUV hat Volkswagen derzeit noch eine Lücke – die Konzerntochter Audi zeigt aber mit den Modellen Q2 und Q3, wie ein solches Kleinwagen-SUV aussehen könnte. Dazwischen liegt eben die Mittelklasse. In den USA wird "Midsize" aber etwas anders ausgelegt, wie der neue Hoffnungsträger von VW zeigt. Quelle: Volkswagen
Denn der hierzulande als Dickschiff angesehene Touareg ist für US-Verhältnisse eher klein. So kommt es, dass das offiziell noch namenslose Midsize-SUV für den US-Markt mit einer Länge von 5,03 Metern den Touareg überragt. Zugleich soll das Auto mit dem Projektcode 416 kaum teurer als ein Tiguan sein – eben genau das, was die amerikanischen Kunden verlangen. Mit dem Konzept zielt VW ins Herz des amerikanischen Massenmarktes und wird so zum Hoffnungsträger des vom Dieselgate gebeutelten Konzerns. Mit dem Angriff auf Platzhirsche wie dem Ford Explorer oder dem Chevrolet Traverse soll der neue Geländewagen VW in den USA aus der Nische führen – derzeit haben die Wolfsburger einen Marktanteil von gerade einmal drei Prozent. Quelle: Volkswagen
Im November soll der Wagen auf der Auto Show in Los Angeles präsentiert werden. Mit dem dicken Tarnpolster will VW das Design noch geheim halten. Es dürfte aber deutlich bulliger – und damit amerikanischer – werden als jenes der Studie "Crossblue", die einen Ausblick auf das siebensitzige SUV gegeben hat. Quelle: Volkswagen
Das Midsize-SUV ist nicht nur wegen der erwartenden Absatzzahlen eines der wichtigsten Modelle bei VW, es leitet auch eine Zeitenwende ein: Galt bislang auch für die VW-Vertreter in Amerika Wolfsburg als Nabel der Welt, ist das bei dem Projekt 416 anders: Zwar kommen Motoren, Getriebe und Plattformen im Kern weiter aus Deutschland, im Detail wird aber künftig mehr auf die lokalen Bedürfnisse eingegangen. Das beginnt bei der Art, wie die Amerikaner ihr Navigationssystem bedienen und ist bei Details wie der Aufnahmevorrichtung für die Anhängerkupplung noch lange nicht vorbei. Negativ-Schlagzeilen wie die zunächst fehlenden Cupholder beim US-Passat will Volkswagen unbedingt verhindern – solche Kleinigkeiten können über Erfolg oder Misserfolg eines Milliarden-Projekts bestimmen. Quelle: Volkswagen
A propos Negativ-Schlagzeilen: Einen Diesel wird es in dem Midsize-SUV nicht geben. Deshalb wird der Wagen erst einmal nur einen 238 PS starken Vierzylinder-Turbo oder einen V6-Sauger mit 3,6 Litern Hubraum und 280 PS angetrieben. Damit das bislang größte Modell auf Basis des konzerneigenen Modularen Querbaukastens auf einen Einstiegspreis von 30.000 Dollar kommt, mussten die Entwickler eine neue Balance zwischen Preis und Premium finden – bislang hat VW als deutsche Marke seine Autos stets etwas teurer verkauft als die einheimische Konkurrenz. Das zieht natürlich Einschnitte bei Qualität und Materialauswahl nach sich – und wohl einer der Gründe, warum das SUV nicht nach Europa exportiert werden wird. Die offizielle Begründung lautet übrigens: "Zu groß". Quelle: Volkswagen
Der Schuss mit dem Midsize-SUV muss sitzen – das ist den VW-Verantwortlichen in den USA und in Wolfsburg klar. Deshalb wird es auch an anderer Stelle eine Neuerung geben: Als erstes Modell nach dem Rabbit wird das Midsize-SUV in Amerika einen eigenständigen Namen bekommen. Der US-Passat, neben dem das SUV im US-Werk Chattanooga vom Band laufen wird, hat einen Namensvetter in Europa – auch wenn sich beide Modelle erheblich unterscheiden. Bleibt abzuwarten, ob VW mit dem Konzept wirklich den Geschmack der US-Kunden trifft – und ob das Design und ein frischer Name wirklich ausreichen. Die Premiere im November wird erste Antworten liefern. Quelle: Volkswagen

Bei VW kommt noch erschwerend hinzu: Die letzten Verhandlungen mit den US-Behörden im Dieselskandal laufen noch. Werden hier nach der Vereidigung Trumps wichtige Beamte ausgetauscht, könnte das den Ablauf erheblich verzögern oder gar VW zum Spielball der protektionistischen Wirtschaftspolitik werden.

Ein weiterer Punkt in Trumps handelspolitischer Agenda könnte aber nicht nur VW und die anderen deutschen Autobauer treffen, sondern die globale Wirtschaft: der mögliche Austritt der USA aus diversen Freihandelszonen.

US-Absatz deutscher Hersteller 2000-2025

Denn ohne den zollfreien Handel könnte es mit „America first“ bald vorbei sein: BMW baut etwa fast sämtliche SUV-Modelle in South Carolina. Trotz der SUV-Beliebtheit in den USA geht der überwiegende Teil der Produktion von X3, X4, X5 und X6 (und künftig des X7) in den Export. Mit Handelsbeschränkungen wäre das nicht mehr attraktiv – wenn einige Kilometer weiter das neue Werk in Mexiko lockt.

Ähnliches gilt auch für Ford-Chef Mark Fields. Eine Investition in die Zukunftstechnologien wäre ohnehin notwendig gewesen - egal ob unter Präsident Trump oder Präsidentin Clinton. Der Focus wird dennoch künftig in Mexiko gebaut. Und niemand weiß, wie schnell Fields die fertigen Pläne für ein neues Mexiko-Werk wieder aus der Schublade holen wird. „Es ist ein Vertrauensvotum für den designierten US-Präsidenten“, sagte Fields in Flat Rock.

Ein Vertrauen, das auch Trump irgendwann erfüllen muss. Sonst kommt die Abwanderung womöglich doch noch.

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