Verlagerung Was wird aus dem Autostandort Deutschland?

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Deutschlands Alleinstellungsmerkmal

Die größten Autobauer der Welt
Volkswagen-Chef Martin Winterkorn hat gut Lachen: "Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich erstmals mehr als zehn Millionen Fahrzeuge verkaufen, dieses große Ziel hatten wir eigentlich erst für 2018 angestrebt", sagte Winterkorn der „Bild am Sonntag“. "Unser großer Wachstumsmarkt ist natürlich China. Dort werden wir in diesem Jahr voraussichtlich 3,6 Millionen Autos verkaufen, von denen übrigens weit über 90 Prozent vor Ort in China gebaut werden." Erreicht VW dieses Ziel, stiegen die Wolfsburger dadurch zum größten Automobilhersteller der Welt auf. Doch noch sieht das Ranking der größten Autobauer wie folgt aus... Quelle: dpa
BentleyDer britische Luxuswagen-Hersteller Bentley hat im abgelaufenen Jahr so viele Autos verkauft wie noch nie. Die Volkswagen-Tochter mit Sitz in Crew lieferte 2013 genau 10.120 Wagen aus. 2012 waren es 8510. Im bisherigen Rekordjahr 2007 waren 10.014 Bentleys verkauft worden, wie Vorstandschef Wolfgang Schreiber sagte. „2013 ist das vierte Jahr in Folge, in dem der Absatz zweistellig steigt“, so Schreiber. Der weltweite Marktanteil im Preissegment über 150.000 Euro liege bei 25 Prozent. 86 Prozent der Produktion geht in den Export, vor allem in die USA, China und Nahost. Der europäische Markt läuft schleppender. Allerdings stieg auch der Absatz in Deutschland deutlich. 544 Bentleys wurden den Angaben zufolge 2013 nach Deutschland geliefert, ein Plus von 22 Prozent zum Vorjahr. Kunden warten derzeit im Schnitt 45 Monate auf ihren bestellten Bentley. Schreiber will den Absatz bis 2018 auf 15.000 Autos hochschrauben und dafür in den nächsten Jahren mehrere hundert Millionen Euro in den Standort Crew investieren. Die Mannschaft von derzeit 3700 Mitarbeitern soll allein um 400 zusätzliche Leute aufgestockt werden, um bis 2016 einen luxuriösen Geländewagen auf den Markt zu bringen. Von den Absatzzahlen der Autohersteller wie Audi, BMW oder Daimler kann Bentley allerdings nur träumen... Quelle: REUTERS
AudiAudi hat auch im Dezember deutlich mehr Autos verkauft und damit erneut ein Bestjahr perfekt gemacht. Im vergangenen Jahr verkaufte der Konzern weltweit rund 1,57 Millionen Autos, ein Plus von 8,3 Prozent. Bereits im November hatte Audi die Rekordwerte von 2012 erreicht. „Unser strategisches Etappenziel von 1,5 Millionen Auslieferungen haben wir zwei Jahre früher als geplant erreicht und sogar komfortabel übertroffen“, sagte Vorstandschef Rupert Stadler. Quelle: REUTERS
DaimlerDie Schwaben haben und im vergangenen Jahr 1,32 Millionen Autos ihrer Top-Marke Mercedes verkauft. Das entspricht einem Plus von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Quelle: dapd
BMWVon ihrer Kernmarke setzten die Bayern im vergangenen Jahr 1,54 Millionen Fahrzeuge ab. Das entspricht einem Plus von 12 Prozent gegenüber 2011. Quelle: dpa
Fiat-ChryslerDer Fiat-Konzern lieferte im vergangenen Jahr 4,2 Millionen Fahrzeuge weltweit aus - sechs Prozent mehr als 2011. Fiat profitiert dabei vom guten Geschäft der US-Tochter Chrysler. Denn ähnlich wie die Kollegen von PSA Peugeot Citroen litten die Italiener massiv unter der Absatzkrise in Europa, sie verkauften dort 16 Prozent weniger als im Vorjahr. Quelle: dpa
Nissan RenaultCarlos Ghosn - Chef der französisch-japanischen Allianz - kann zufrieden mit sich sein. Bei Nissan lief es hervorragend, Partner Renault litt unter der Schwäche des europäischen Markts. Die Renault-Gruppe setzte weltweit 2,55 Millionen Fahrzeuge und damit 6,3 Prozent weniger als im Vorjahr. In Europa sank der Absatz um volle 18 Prozent. Die Marke Renault verkaufte weltweit 2,1 Millionen Fahrzeuge, Dacia knapp 360.000 Autos. In Deutschland setzte Renault inklusive der Marke Dacia im Jahr 2012 mit 170.000 Einheiten rund 11.000 Fahrzeuge weniger ab als 2011. Die Marke Renault allein verkaufte 2012 in Deutschland 123.779 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Der Marktanteil sank um knapp 0,4 Prozentpunkte. Quelle: REUTERS

Dabei ist es gerade die einzigartige Verflechtung von mittelständischen Unternehmen aus Maschinenbau und Zuliefererindustrie und großen Premium-Herstellern, die den Autostandort Deutschland zum weltweit führenden macht. Die räumliche Nähe von Hersteller und Zulieferer, die enge Kooperation bei Forschung und Entwicklung, das perfektionierte Zusammenspiel von Familienunternehmen und Großkonzernen – das gibt es nur in Deutschland. „Daraus schöpft die deutsche Autoindustrie ihre enorme Innovationskraft“, sagt Bratzel.

So entstehen Fahrsicherheitssysteme wie in Daimlers S-Klasse, Leichtbau-Techniken, wie Audi sie perfektioniert hat oder hochentwickelte Benzin- und Dieselmotoren, die so sauber verbrennen wie nie zuvor. Was da weltweit für Aufsehen sorgt, stammt aus deutschen Technikzentren. Bratzel: „Forschung und Entwicklung der deutschen Hersteller findet zu über 90 Prozent noch in Deutschland statt. Allerdings erleben wir jetzt schon, dass einzelne Forschungsthemen ins Ausland verlagert werden.“

In Kalifornien und Nevada etwa befinden sich die Testzentren für pilotiertes Fahren – Audi ist bereits dort. Elektromodelle wie der Daimler-Denza oder der BMW Zinoro entstehen mit den jeweiligen Joint-Venture-Partnern für deren Heimatmärkte. Der Trend, Fahrzeuge vor Ort für den jeweiligen Markt weiterzuentwickeln nimmt zu. „In Zukunft“, spinnt Bratzel den Gedanken weiter, „wird die Gefahr größer, dass Autos immer weniger in Deutschland entwickelt werden.“

Forschung, Entwicklung, Zulieferer und Ausrüster – sämtliche Bereich der automobilen Wertschöpfung wandern den Herstellern in die neuen Wachstumsmärkte hinterher. Sie haben kaum eine Wahl, wollen sie vom Nachfrageboom in Asien oder Amerika profitieren.

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So sicher sich der Ausbau von Kapazitäten im Ausland weitergehen wird, so klar ist auch: Ohne die Internationalisierungsstrategie von VW, Audi, BMW und Daimler hätte die in Deutschland ansässige Automobilindustrie dieselbe Talfahrt erlebt wie die Kollegen in Frankreich oder Italien. Volumenhersteller wie Peugeot oder Renault lassen sich zwar nicht eins zu eins mit den deutschen Premium-Autobauern vergleichen. Die Premium-Kundschaft ist krisenfester, die Länder Südeuropas hat die Krise besonders schwer getroffen.

Doch das allein erklärt nicht, warum Deutschland in der Absatzkrise mit einem blauen Auge davon gekommen ist. Nur dank ihrer massiven Expansion haben die deutschen Hersteller die Absatzeinbrüche in Europa kompensiert. Aktuell gehen 77 Prozent der in Deutschland produzierten Autos ins Ausland. 14 Prozent sind für die USA bestimmt, 9,5 Prozent für China.

Auch in den nächsten Jahren werden die konsumfreudigen Amerikaner, Chinesen, Brasilianer oder Indonesier die Bänder in Deutschland am Laufen halten. Noch sind Getriebe, Motoren und weitere Zulieferer-Komponenten aus Deutschland im Ausland gefragt. Doch der Trend geht – das zeigt BWM mit seinen Gedankenspielen in Mexiko - zur lokalen Produktion kompletter Fahrzeuge.

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