Die Energiekosten steigen weiter stark an. Das trifft vor allem die Zulieferer in der Metallindustrie. Die Standortkosten schießen gegenüber Ost- und Südeuropa, Asien und Südamerika so in die Höhe, dass die Hersteller ihre Kapazitäten nach unten anpassen. Heymann rechnet dafür mit rund 25 Prozent Wahrscheinlichkeit. Es ist also nicht völlig aus der Luft gegriffen, dass es mit für die dem Standort abwärts geht. "Politik und Industrie dürften sich nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen", mahnt Heymann. „Gerade Berlin muss darauf achten, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass man auch in Zukunft noch gerne Autos in Deutschland baut.“ Die Rente mit 63 sieht er kritisch. "Sie schmälert das Fachkräftepotenzial. Bessere wäre es (…) ältere Menschen produktiv in den Wertschöpfungsprozess einzubinden.“ Die Gefahr, Know-how zu verlieren, sei zu groß.
Den Status quo aufrecht erhalten
Für am wahrscheinlichsten hält Heymann jedoch Szenario Nummer drei: Stagnation. Die Märkte in Westeuropa ziehen wieder an, das genügt um die deutschen Werke auszulasten, die immer weniger nach China oder in die USA exportieren. Außerdem werden aus Deutschland kleinere Wachstumsmärkte etwa in der ASEAN-Region beliefert.
Mario Franjičević beim internationalen Marktforschungsinstituts IHS Automotive geht davon aus, dass in Deutschland 2018 etwa 5,9 Millionen Autos vom Band rollen – gut 300.000 mehr als im Jahr 2014. Damit stünde Deutschland im Vergleich zu Spanien, Italien und Großbritannien sehr gut da. Nur für Frankreich geht der Analyst mit einem Plus von gut 400.000 Stück von einem größeren Wachstum aus. Allerdings erreicht damit Frankreich mit 2,2 Millionen Autos nicht einmal die Hälfte des deutschen Niveaus. Hoffnung für den Standort Deutschland hat er mittel- bis langfristig aus drei Gründen:
1. Die deutschen Premiumhersteller wachsen schneller als die Automobilbranche im Durchschnitt, damit bleibt auch für den Standort Deutschland immer noch etwas hängen.
2. "Made in Germany" und "engineered in Germany" sind das Aushängeschild der deutschen Premiumautobauer. Wer glaubwürdig bleiben will, darf seine Basis nicht vernachlässigen.
3. Plattformstrategien machen die Produktion weltweit flexibler. Um Exportlücken schnell schließen zu können, werden auch in Zukunft in deutschen Werken Modelle für den weltweiten Export gebaut werden.
Das Zünglein an der Waage sind für Franjičević die Zulieferer. Für sie steigt der Wettbewerbsdruck. Seit einiger Zeit interessieren auch japanische Konkurrenten für den deutschen Markt. Und schon heute sind es die Zulieferer die große finanzielle Vorleistungen schultern, um die Innovationen der Hersteller zu ermöglichen. Einen noch höheren Wettbewerb- und Internationalisierungsdruck werden manche nicht aushalten, fürchtet der Analyst. Branchenexperte Bratzel: „Gerade kleinere mittelständische Zulieferer können nicht so internationalisieren wie große OEMs. Damit besteht die Gefahr, dass die Innovationsverflechtungen nach und nach ausgehöhlt werden.“ Und „Made in Germany“?
Noch ist das Label für Kunden vor allem in China wichtig. Ob es 2025 dieselbe Strahlkraft besitzt? Gut möglich, dass dann andere Werte zählen.