Verlagerung Was wird aus dem Autostandort Deutschland?

Audi und BMW bauen riesige Fabriken - in China und Mexiko. Kann sich Deutschland als Standort für Produktion, Forschung und Entwicklung langfristig behaupten?

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Kann sich Deutschland als Produktions- und Forschungsstandort auf lange Sicht behaupten? Quelle: dpa

In 40 Jahren bei Audi hat Klaus-Peter Körner so etwas noch nicht erlebt. Mitten im mexikanischen Nirgendwo ziehen die Ingolstädter binnen weniger Monate ein neues Werk hoch. Kosten: 900 Millionen Euro.

Noch sind nur die Gerippe aus Stahl zu sehen, doch schon 2016 werden hier pro Jahr 150.000 Stück des neuen Audi Q5 vom Band rollen. Das bedeutet Arbeit für 20.000 Menschen. „Gigantisch, unglaublich“, schwärmt Körner, der die neue Produktion in Mexiko leiten wird.

Bald schon könnten die Bayern einen Nachbarn bekommen. BMW ist dem Vernehmen nach ebenfalls auf der Suche nach einen passenden Fleckchen für ein neues Werk in Übersee – vorzugsweise Mexiko.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Der nordamerikanische Markt liegt vor der Tür, die Lust der Amerikaner auf Neuwagen ist nach Jahren der Krise wieder voll entflammt und die Wechselkursrisiken werden bei der Produktion vor Ort minimiert.

Logisch, dass BMW bei den gigantischen Absatzchancen und der erfolgreichen Erweiterung seines Werks in Spartanburg in South Carolina über eine weitere Fabrik nachdenkt. Hier sollen der Einser, Dreier und Mini vom Band laufen. Die Kapazität in Nordamerika stiege damit von 300.000 auf 600.000 Autos.

Das sind die innovativsten Autostandorte der Welt
BMW drückt beim Ausbau seines weltweiten Produktionsnetzwerks aufs Tempo. Laut einem Bericht des "Handelsblatt " prüft der Konzern intensiv den Bau eines zweiten großen Werks in Übersee, der Favorit soll Mexiko sein. Gebaut werden sollen dort die Kompakten der Einser- und Dreier-Reihe sowie der Mini. Der neue Standort würde BMW mindestens eine Milliarde Dollar kosten, berichtet das Blatt weiter. Mit einem Ausbau in Startanburg und dem angedachten neuen Werk wolle BMW sein Produktionsvolumen in Amerika auf mehr als 600.000 Autos pro Jahr verdoppeln.Ein Blick auf die innovativsten Auto-Standorte der Welt: Quelle: AP
Russland"Wie wettbewerbsfähig sind Ihrer Meinung nach folgende Automobilstandorte hinsichtlich ihrer Innovationskraft?", lautete eine der Fragen, die die Berater von Ernst & Young den Managern von 300 Unternehmen aus der europäischen Automobilbranche stellten. Im Falle Russlands antworteten sieben Prozent mit "sehr wettbewerbsfähig", 24 Prozent sagten "wettbewerbsfähig". Quelle: dpa-tmn
FrankreichFrankreich gehört nach wie vor zu den bedeutendsten Automobilstandorte der Welt. Allerdings hat das Land sehr unter der Absatzkrise auf dem europäischen Automarkt gelitten. Das zeigt sich in den Bewertungen der Europäischen Automanager: In den Bereichen Innovationskraft, Produktqualität und Produktivität verlor Frankreich als Standort zwischen sieben und 21 Prozentpunkten. 34 Prozent der Befragten halten Frankreich in puncto Innovation für wettbewerbsfähig beziehungsweise sehr wettbewerbsfähig. Das reicht für Platz neun. Quelle: AP
Schweden43 Prozent der Manager aus der Automobilbranche halten Schweden als Automobilstandort für wettbewerbsfähig bis sehr wettbewerbsfähig, was die Innovationskraft anbelangt. Besser schneiden die skandinavischen Autobauer bei der Qualität ihrer Produkte ab: 2013 landet Schweden auf dem dritten Platz des Produktqualitäts-Rankings. Quelle: dpa
IndienIn Indien haben derzeit 14 Automobilhersteller ihren Hauptsitz, darunter Ashok Leyland, Bajaj Auto oder Tata Motors. Tata Motors ist der größte Automobilhersteller Indiens. Was die Wettbewerbsfähigkeit des Landes in puncto Produktionskosten angeht, belegt Indien sogar den zweiten Platz. Nur bei der Innovation sind die befragten Manager skeptischer. Da reicht es nur für Platz sieben. Quelle: obs
BrasilienBrasilien ist der viertgrößte Autoproduzent der Welt. Doch nur zehn Prozent der Automobilhersteller halten den Standort für "sehr wettbewerbsfähig", 39 Prozent schätzen das Land immerhin als wettbewerbsfähig ein, was die Innovationsfähigkeit anbelangt. Quelle: dpa
USA56 Prozent der Automanager sind der Meinung, dass die Vereinigten Staaten als Automobilstandort 2013 in Sachen Produktqualität wettbewerbsfähig sind. 13 Prozent schätzen den Standort als "sehr wettbewerbsfähig" ein. Im Vergleich zu 2011 entspricht das einem Zuwachs von sieben Prozent. Damals hielten etwas weniger als die Hälfte der Automanager die USA für einen wettbewerbsfähigen Standort in der Kategorie Innovationskraft. Quelle: AP

Tolle Nachrichten für die mexikanische Bevölkerung, die sich über weitere mehrere tausend Arbeitsplätze freuen darf. Doch wann immer von neuen Werken in Mexiko oder China die Rede ist, fragen sich Werksangestellte in Dingolfing, München oder Leipzig: Was wandert wohl noch alles ins Ausland?

Zunächst ist der Bau einer Fabrik im Ausland ein Grund zur Freude – auch und gerade für die deutschen Angestellten. Der Konzern wächst und sucht dafür gute Leute. Wie Audi-Mann Klaus-Peter Körner in Mexiko, so brauchen die Hersteller weltweit Experten. Noch sind es meist in Deutschland ausgebildete Ingenieure und Manager, die die Produktion im Ausland einrichten und dafür sorgen, dass Personal nach deutschem Qualitätsverständnis angelernt und ausgebildet wird.

Eine Chance

Die Internationalisierung ist also auch für deutsche Arbeitskräfte eine Chance - egal ob bei den Herstellern selbst oder ihren mittelständischen Zulieferern. Schon rund ein Drittel der Betriebe mit weniger als 500 Mitarbeitern ist im Ausland aktiv, weiß Stefan Bratzel, Leiter des CAM Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. „Die würden sich am liebsten klonen“. Das Fachpersonal zwischen deutschem Stammwerk und neuen Standorten zerreiße sich regelrecht, um am Wachstum in Übersee teil zu haben.

Doch in einigen Jahren, wenn die Mitarbeiter vor Ort eingelernt sind und die Produktion läuft, wird sich auch das ändern. Bratzel ist sicher: „Langfristig werden in Deutschland wohl vor allem die höherqualifizierten Jobs angesiedelt bleiben, die niedrigqualifizierten werden immer mehr ins Ausland verlagert.“

Nicht von heute auf morgen, aber schleichend werden Jobs in der Automobilproduktion verschwinden – vor allem für Zulieferer und Ausrüster wird es schwierig. „Das Risiko, dass der Mittelstand in Deutschland an Bedeutung verliert, ist real. Und es wird sich nicht vollständig verhindern lassen“.

Deutschlands Alleinstellungsmerkmal

Die größten Autobauer der Welt
Volkswagen-Chef Martin Winterkorn hat gut Lachen: "Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich erstmals mehr als zehn Millionen Fahrzeuge verkaufen, dieses große Ziel hatten wir eigentlich erst für 2018 angestrebt", sagte Winterkorn der „Bild am Sonntag“. "Unser großer Wachstumsmarkt ist natürlich China. Dort werden wir in diesem Jahr voraussichtlich 3,6 Millionen Autos verkaufen, von denen übrigens weit über 90 Prozent vor Ort in China gebaut werden." Erreicht VW dieses Ziel, stiegen die Wolfsburger dadurch zum größten Automobilhersteller der Welt auf. Doch noch sieht das Ranking der größten Autobauer wie folgt aus... Quelle: dpa
BentleyDer britische Luxuswagen-Hersteller Bentley hat im abgelaufenen Jahr so viele Autos verkauft wie noch nie. Die Volkswagen-Tochter mit Sitz in Crew lieferte 2013 genau 10.120 Wagen aus. 2012 waren es 8510. Im bisherigen Rekordjahr 2007 waren 10.014 Bentleys verkauft worden, wie Vorstandschef Wolfgang Schreiber sagte. „2013 ist das vierte Jahr in Folge, in dem der Absatz zweistellig steigt“, so Schreiber. Der weltweite Marktanteil im Preissegment über 150.000 Euro liege bei 25 Prozent. 86 Prozent der Produktion geht in den Export, vor allem in die USA, China und Nahost. Der europäische Markt läuft schleppender. Allerdings stieg auch der Absatz in Deutschland deutlich. 544 Bentleys wurden den Angaben zufolge 2013 nach Deutschland geliefert, ein Plus von 22 Prozent zum Vorjahr. Kunden warten derzeit im Schnitt 45 Monate auf ihren bestellten Bentley. Schreiber will den Absatz bis 2018 auf 15.000 Autos hochschrauben und dafür in den nächsten Jahren mehrere hundert Millionen Euro in den Standort Crew investieren. Die Mannschaft von derzeit 3700 Mitarbeitern soll allein um 400 zusätzliche Leute aufgestockt werden, um bis 2016 einen luxuriösen Geländewagen auf den Markt zu bringen. Von den Absatzzahlen der Autohersteller wie Audi, BMW oder Daimler kann Bentley allerdings nur träumen... Quelle: REUTERS
AudiAudi hat auch im Dezember deutlich mehr Autos verkauft und damit erneut ein Bestjahr perfekt gemacht. Im vergangenen Jahr verkaufte der Konzern weltweit rund 1,57 Millionen Autos, ein Plus von 8,3 Prozent. Bereits im November hatte Audi die Rekordwerte von 2012 erreicht. „Unser strategisches Etappenziel von 1,5 Millionen Auslieferungen haben wir zwei Jahre früher als geplant erreicht und sogar komfortabel übertroffen“, sagte Vorstandschef Rupert Stadler. Quelle: REUTERS
DaimlerDie Schwaben haben und im vergangenen Jahr 1,32 Millionen Autos ihrer Top-Marke Mercedes verkauft. Das entspricht einem Plus von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Quelle: dapd
BMWVon ihrer Kernmarke setzten die Bayern im vergangenen Jahr 1,54 Millionen Fahrzeuge ab. Das entspricht einem Plus von 12 Prozent gegenüber 2011. Quelle: dpa
Fiat-ChryslerDer Fiat-Konzern lieferte im vergangenen Jahr 4,2 Millionen Fahrzeuge weltweit aus - sechs Prozent mehr als 2011. Fiat profitiert dabei vom guten Geschäft der US-Tochter Chrysler. Denn ähnlich wie die Kollegen von PSA Peugeot Citroen litten die Italiener massiv unter der Absatzkrise in Europa, sie verkauften dort 16 Prozent weniger als im Vorjahr. Quelle: dpa
Nissan RenaultCarlos Ghosn - Chef der französisch-japanischen Allianz - kann zufrieden mit sich sein. Bei Nissan lief es hervorragend, Partner Renault litt unter der Schwäche des europäischen Markts. Die Renault-Gruppe setzte weltweit 2,55 Millionen Fahrzeuge und damit 6,3 Prozent weniger als im Vorjahr. In Europa sank der Absatz um volle 18 Prozent. Die Marke Renault verkaufte weltweit 2,1 Millionen Fahrzeuge, Dacia knapp 360.000 Autos. In Deutschland setzte Renault inklusive der Marke Dacia im Jahr 2012 mit 170.000 Einheiten rund 11.000 Fahrzeuge weniger ab als 2011. Die Marke Renault allein verkaufte 2012 in Deutschland 123.779 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Der Marktanteil sank um knapp 0,4 Prozentpunkte. Quelle: REUTERS

Dabei ist es gerade die einzigartige Verflechtung von mittelständischen Unternehmen aus Maschinenbau und Zuliefererindustrie und großen Premium-Herstellern, die den Autostandort Deutschland zum weltweit führenden macht. Die räumliche Nähe von Hersteller und Zulieferer, die enge Kooperation bei Forschung und Entwicklung, das perfektionierte Zusammenspiel von Familienunternehmen und Großkonzernen – das gibt es nur in Deutschland. „Daraus schöpft die deutsche Autoindustrie ihre enorme Innovationskraft“, sagt Bratzel.

So entstehen Fahrsicherheitssysteme wie in Daimlers S-Klasse, Leichtbau-Techniken, wie Audi sie perfektioniert hat oder hochentwickelte Benzin- und Dieselmotoren, die so sauber verbrennen wie nie zuvor. Was da weltweit für Aufsehen sorgt, stammt aus deutschen Technikzentren. Bratzel: „Forschung und Entwicklung der deutschen Hersteller findet zu über 90 Prozent noch in Deutschland statt. Allerdings erleben wir jetzt schon, dass einzelne Forschungsthemen ins Ausland verlagert werden.“

In Kalifornien und Nevada etwa befinden sich die Testzentren für pilotiertes Fahren – Audi ist bereits dort. Elektromodelle wie der Daimler-Denza oder der BMW Zinoro entstehen mit den jeweiligen Joint-Venture-Partnern für deren Heimatmärkte. Der Trend, Fahrzeuge vor Ort für den jeweiligen Markt weiterzuentwickeln nimmt zu. „In Zukunft“, spinnt Bratzel den Gedanken weiter, „wird die Gefahr größer, dass Autos immer weniger in Deutschland entwickelt werden.“

Forschung, Entwicklung, Zulieferer und Ausrüster – sämtliche Bereich der automobilen Wertschöpfung wandern den Herstellern in die neuen Wachstumsmärkte hinterher. Sie haben kaum eine Wahl, wollen sie vom Nachfrageboom in Asien oder Amerika profitieren.

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So sicher sich der Ausbau von Kapazitäten im Ausland weitergehen wird, so klar ist auch: Ohne die Internationalisierungsstrategie von VW, Audi, BMW und Daimler hätte die in Deutschland ansässige Automobilindustrie dieselbe Talfahrt erlebt wie die Kollegen in Frankreich oder Italien. Volumenhersteller wie Peugeot oder Renault lassen sich zwar nicht eins zu eins mit den deutschen Premium-Autobauern vergleichen. Die Premium-Kundschaft ist krisenfester, die Länder Südeuropas hat die Krise besonders schwer getroffen.

Doch das allein erklärt nicht, warum Deutschland in der Absatzkrise mit einem blauen Auge davon gekommen ist. Nur dank ihrer massiven Expansion haben die deutschen Hersteller die Absatzeinbrüche in Europa kompensiert. Aktuell gehen 77 Prozent der in Deutschland produzierten Autos ins Ausland. 14 Prozent sind für die USA bestimmt, 9,5 Prozent für China.

Auch in den nächsten Jahren werden die konsumfreudigen Amerikaner, Chinesen, Brasilianer oder Indonesier die Bänder in Deutschland am Laufen halten. Noch sind Getriebe, Motoren und weitere Zulieferer-Komponenten aus Deutschland im Ausland gefragt. Doch der Trend geht – das zeigt BWM mit seinen Gedankenspielen in Mexiko - zur lokalen Produktion kompletter Fahrzeuge.

Was spricht noch für Deutschland?

Deutsche lieben VW und verschmähen Daihatsu
Land Rover (+66,5 Prozent)Ihr Marktanteil ist in Deutschland klein, aber sie verzeichneten hier zu Lande das größte Wachstum: Bei Neuwagen von Land Rover griffen die Deutschen 11.113 Mal zu. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) beziffert ihren Anteil an allen Neuzulassungen damit auf 0,4 Prozent. Das Zahl der Neuzulassungen wuchs damit 2012 um zwei Drittel – so viel, wie bei keiner anderen Marke. Die Briten profitieren von der Lust der Deutschen auf SUVs. Quelle: dapd
Porsche (+ 9,8 %)Porsche ist der Gewinner unter den deutschen Autobauern. 20.561 Neuwagen der Stuttgarter Luxusschmiede meldeten die Deutschen 2012 an. Mit 0,7 Prozent ist der Porsche-Anteil an den Neuzulassungen zwar gering, doch verzeichnet das Unternehmen laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) damit ein Plus von 9,8 Prozent. Die größte Nachfrage verzeichnete der Hersteller laut eigenen Angaben zwischen Januar und November 2012 in Asien: Dort lieferte er 46.432 Neuwagen aus, ein Wachstum von 22,8 Prozent. Quelle: dpa
Volkswagen (- 2 %)Er ist der Platzhirsch in Deutschland: VW kann bei den Neuzulassungen auch kein Rückgang von zwei Prozent etwas anhaben. 672.921 neue Volkswagen meldeten die Deutschen 2012 an, das entspricht ein Marktanteil von 21,8 Prozent. Quelle: dpa
BMW, Mini (- 4,4 Prozent)BMW und Mini haben zwar den zweithöchsten Marktanteil in Deutschland – dem Erstplatzierten VW sind sie jedoch alles andere als auf den Fersen. Mit 284.494 Neuzulassungen beträgt bei den beiden bayrischen Automarken der deutsche Marktanteil 9,2 Prozent. Damit stehen BMW und Mini 2012 auf der Seite der Verlierer: Das KBA zählte bei ihnen 4,4 Prozent weniger Neuzulassungen. In diesem Jahr will BMW mit dem neuen 4er und dem BMW i3 bei den Käufern punkten. Quelle: REUTERS
Mercedes-Benz (- 0,9 Prozent)Hauptkonkurrent Mercedes-Benz liegt nur wenige hundert Neuwagen hinter BMW: Mit seinen 283.006 Neuzulassungen kommt die Daimler-Hauptmarke immer noch auf einen Marktanteil 9,2 Prozent – wie BMW. Im Gegensatz zum bayrischen Wettbewerber verzeichnen die Stuttgarter auch ein geringeres Minus: Die Neuzulassungen gingen um 0,9 Prozent zurück. 2013 will Mercedes unter anderem mit den neuen E-Klasse wieder mehr Kunden für sich begeistern. Quelle: dpa
Audi (+ 6,3 Prozent)Gut dabei ist Audi: Die Ingolstädter steigerten ihre Neuzulassungen 2012 um 6,3 Prozent auf 266.582 Stück. Damit spielt Audi in Deutschland ganz vorne mit und hat einen Marktanteil von 8,6 Prozent. In diesem Jahr könnte den Ingolstädtern ihre Neuauflagen im SUV-Segment nochmals einen Schub verpassen. So rollen der neue RS Q3, der SQ 5 und ein rundum verjüngter Q7 in diesem Jahr zum Händler. Quelle: obs
Opel (-16,1 Prozent)Die kriselnde Autobauer Opel gehört immer noch zu den am meisten verbreiteten Automarken in Deutschland: 213.627 Neuwagen ließ das KBA 2012 zu (Marktanteil 6,9 Prozent). Allerdings ist Opel auf dem Rückmarsch: Die Neuzulassungen verzeichneten ein Minus von 16,1 Prozent. Besonders stark zeigt sich die Kaufzurückhaltung im Dezember 2012. Hier betrug das Minus im Vergleich zum Vorjahresmonat 42,6 Prozent. 2013 will die General Motors-Tochter mit dem Stadtflitzer Adam auftrumpfen und Freiluft-Fans mit dem Cabrio Cascada für sich gewinnen. Ob es gelingt ? Man darf gespannt sein. Quelle: dpa

2013 liefen in China bereits knapp 3,5 Millionen Autos deutscher Hersteller vom Band – seit 2005 wuchs die Zahl jährlich um 30 Prozent. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Autos, die aus Deutschland ins Reich der Mitte verschifft werden ab. Die Werke in China nähren den eigenen Markt.

Auf einen großen Nachfrageschub aus den westeuropäischen Märkten darf kein Automanager mehr hoffen. Eine Erholung nach der Krise, leichtes Wachstum im einstelligen Prozentbereich, mehr ist nicht drin.

Was also soll die deutschen Fabriken in zehn, 15, 20 Jahren am Laufen halten? Was spricht noch für Deutschland? Bei aller Liebe zum Standort: Nirgends sind Arbeitskosten so hoch wie hier. In der Slowakei oder Tschechien liegen sie bei einem Viertel bis einem Fünftel des deutschen Niveaus, selbst in den USA bei nur gut 50 Prozent.

Doch im Vergleich zu China etwa wachsen die Löhne in Deutschland nur moderat und die Branche ist findig, was Arbeitszeitmodelle und Flexibilisierung angeht. Der Standort ist hochproduktiv, betont Eric Heymann, Autor der Studie „Zukunft des Automobilstandorts Deutschland“ von Deutsche Bank Research und wirft ein: „Man darf nicht allein den Output vergleichen. Das qualitative Wachstum der deutschen Autobranche sei nämlich deutlich höher als im Ausland. Die hier gebauten Autos sind als viel schneller viel besser geworden als etwa in Frankreich oder Italien. Neue Sicherheitssysteme, mehr Komfort und höhere Motorisierung hat Klein-, Mittel- und Oberklasse-Wagen noch hochwertiger gemacht. Beim reinen Stückzahlenvergleich gehe das unter. Am Grundproblem der geringen Wachstumsaussichten ändert es aber nichts.

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Welche Perspektive bleibt für Deutschland?

CAM-Leiter Bratzel: „Das Positivste was passieren könnte, ist dass die Produktionshöhe in Deutschland durch die Internationalisierung stabil gehalten wird, und dass die Hersteller die Innovations-Wertschöpfung in Deutschland erhalten.“ Dann hätte auch der Mittelstand langfristig Sicherheit.

Ohne weitere Automatisierung in den Fabriken werden die Hersteller die Produktivität aber kaum erhöhen können. Die Rechnung ist einfach: mehr Maschinen – weniger Angestellte. Eric Heymann hat in seiner Studie drei mögliche Szenarien für die Autobranche 2025 entworfen. Nummer eins speist sich aus der Idee, dass neue Technologien im Bereich Prozessautomation Bahn brechen. Stichwort: Industrie 4.0. Sie könnten für einen ungeahnten Produktivitätsschub in deutschen Fabriken sorgen. Wie realistisch dieses Szenario ist?

Heymann selbst misst ihm nur eine geringe Wahrscheinlichkeit bei.  Industrie 4.0 das ist nicht mehr als eine Vision. Konkrete Beispiele sind rar, das Internet der Dinge existiert bisher nur in den Köpfen der Programmierer und Ingenieure.

Szenario Nummer zwei könnte schon eher Realität werden: Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nimmt demnach bis 2025 weiter ab. Etwa weil erfolgreiche Reformen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts oder zur Verbesserung der Erwerbstätigkeit älterer Menschen wieder rückgängig gemacht oder eingeschränkt wurden.

Rahmenbedingungen verbessern

Die Lieblingsautos der Deutschen
Der VW UP der Wolfsburger ist in der Mini-Klasse der beliebteste Wagen. Insgesamt 4490 Mal wurde er im Oktober 2012 neu zugelassen - eine Steigerung um 8,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Von Januar bis Oktober wurden insgesamt bislang 24.719 Wagen verkauft. Quelle: Volkswagen
6.853 Wagen des VW Polo wurden in diesem Jahr im Oktober verkauft. Im Vergleich zum Oktober 2011 macht das einen Anstieg von 5,8 Prozent aus. In den vergangenen zehn Monaten wurden insgesamt 65.894 Exemplare des Kleinwagens an den Mann gebracht. Quelle: dpa
VW Golf und Jetta sind unangefochten die beliebtesten Autos in der Kompaktklasse mit 21.957 neuzugelassen Wagen im Oktober. In dieser Klasse hält VW einen Marktanteil von 34 Prozent. Insgesamt wurden zwischen Januar und Oktober 209.010 Golfs und Jettas verkauft - damit sind sie meistverkauften Automodelle in Deutschland. Quelle: dpa
Der Gewinner in der Mittelklasse heißt VW Passat. Insgesamt 8.204 Autos wurden davon im Oktober verkauft - ein Rückgang um 4,2 Prozent gegenüber Vorjahr. Im gesamten Jahr wurden bisher fast 75.000 Passat verkauft.
In der oberen Mittelklasse überzeugte der 5er BMW am meisten Kunden. Er wurde im Oktober 3.817 Mal verkauft - und damit 20 Prozent weniger als im Oktober 2011. Insgesamt schlug BMW das Modell in diesem Jahr bisher fast 40.000 Mal los. Quelle: dpa
Der BMW 7er war im Oktober das Lieblingsauto der Deutschen in der Oberklasse (423 Neuzulassungen). Gegenüber dem Vorjahr legte der 7er nochmal um fast 18 Prozent zu. Insgesamt konnte BMW in Deutschland bis Ende Oktober 3.447 Modelle dieses Typs verkaufen. Quelle: BMW
GeländewagenDer VW Tiguan ist die Nummer eins unter den SUV mit 5.147 verkauften Modellen im Oktober. Damit legt das VW-Modell gegenüber Vorjahr um mehr als 43 Prozent zu. In diesem Jahr hat sicher der Tiguan bisher fast 47.000 Mal verkauft.

Die Energiekosten steigen weiter stark an. Das trifft vor allem die Zulieferer in der Metallindustrie. Die Standortkosten schießen gegenüber Ost- und Südeuropa, Asien und Südamerika so in die Höhe, dass die Hersteller ihre Kapazitäten nach unten anpassen. Heymann rechnet dafür mit rund 25 Prozent Wahrscheinlichkeit. Es ist also nicht völlig aus der Luft gegriffen, dass es mit für die dem Standort abwärts geht. "Politik und Industrie dürften sich nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen", mahnt Heymann. „Gerade Berlin muss darauf achten, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass man auch in Zukunft noch gerne Autos in Deutschland baut.“ Die Rente mit 63 sieht er kritisch. "Sie schmälert das Fachkräftepotenzial. Bessere wäre es (…) ältere Menschen produktiv in den Wertschöpfungsprozess einzubinden.“ Die Gefahr, Know-how zu verlieren, sei zu groß.

Den Status quo aufrecht erhalten

Für am wahrscheinlichsten hält Heymann jedoch Szenario Nummer drei: Stagnation. Die Märkte in Westeuropa ziehen wieder an, das genügt um die deutschen Werke auszulasten, die immer weniger nach China oder in die USA exportieren. Außerdem werden aus Deutschland kleinere Wachstumsmärkte etwa in der ASEAN-Region beliefert.

Entwicklung der Auto-Produktionsvolumen je Land von 2004 bis 2018 (zum Vergrößern bitte anklicken).

Mario Franjičević beim internationalen Marktforschungsinstituts IHS Automotive geht davon aus, dass in Deutschland 2018 etwa 5,9 Millionen Autos vom Band rollen – gut 300.000 mehr als im Jahr 2014. Damit stünde Deutschland im Vergleich zu Spanien, Italien und Großbritannien sehr gut da. Nur für Frankreich geht der Analyst mit einem Plus von gut 400.000 Stück von einem größeren Wachstum aus. Allerdings erreicht damit Frankreich mit 2,2 Millionen Autos nicht einmal die Hälfte des deutschen Niveaus. Hoffnung für den Standort Deutschland hat er mittel- bis langfristig aus drei Gründen:

1. Die deutschen Premiumhersteller wachsen schneller als die Automobilbranche im Durchschnitt, damit bleibt auch für den Standort Deutschland immer noch etwas hängen.

2. "Made in Germany" und "engineered in Germany" sind das Aushängeschild der deutschen Premiumautobauer. Wer glaubwürdig bleiben will, darf seine Basis nicht vernachlässigen.

3. Plattformstrategien machen die Produktion weltweit flexibler. Um Exportlücken schnell schließen zu können, werden auch in Zukunft in deutschen Werken Modelle für den weltweiten Export gebaut werden.

Das Zünglein an der Waage sind für Franjičević  die Zulieferer. Für sie steigt der Wettbewerbsdruck. Seit einiger Zeit interessieren auch japanische Konkurrenten für den deutschen Markt. Und schon heute sind es die Zulieferer die große finanzielle Vorleistungen schultern, um die Innovationen der Hersteller zu ermöglichen. Einen noch höheren Wettbewerb- und Internationalisierungsdruck werden manche nicht aushalten, fürchtet der Analyst. Branchenexperte Bratzel: „Gerade kleinere mittelständische Zulieferer können nicht so internationalisieren wie große OEMs. Damit besteht die Gefahr, dass die Innovationsverflechtungen nach und nach ausgehöhlt werden.“ Und „Made in Germany“?

Noch ist das Label für Kunden vor allem in China wichtig. Ob es 2025 dieselbe Strahlkraft besitzt? Gut möglich, dass dann andere Werte zählen.

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