Volkswagen Die unselige Allianz von Politik und VW

Seite 5/6

Der nächste Konflikt

Dem Land sind die Probleme wohl bewusst, wie ein hochrangiger Insider aus der Staatskanzlei einräumt: „VW muss wettbewerbsfähig sein, wir wollen Niedersachsen nicht zum industriepolitischen Naturschutzgebiet erklären.“ Doch wieder steckt das Land in der Bredouille: Soll man sich für Einschnitte in Niedersachsen entscheiden oder aber – die nächste Landtagswahl Anfang 2018 schon fest im Blick – querlegen und lieber andere Standorte außerhalb der Landes- und Bundesgrenzen bluten lassen?

Fest steht, dass ohne Niedersachsen in der Standortfrage nichts entschieden wird.


Ein Vetorecht bei Standortentscheidungen ist dem Land im VW-Gesetz garantiert. In der niedersächsischen Politik finden sich denn auch kaum Politiker, die das System VW ernsthaft infrage stellen. Als etwa das Europaparlament im Dezember einen Untersuchungsausschuss zu Dieselgate einsetzte, forderten die Parteien in Hannover nicht etwa Ähnliches – sie verurteilten den Untersuchungsausschuss in Straßburg und verlangten, die Politik möge VW in Ruhe lassen.

„Wir brauchen keine weiteren Gremien für die Aufklärung bei Volkswagen, und wir brauchen auch keine weiteren Kritiker, wir brauchen Sachlichkeit in der Arbeit“, erklärte Wirtschaftsminister Lies. Der Konzern betreibe „beispielhafte Aufklärung“. Die Oppositionsparteien CDU und FDP hielten der Landesregierung sogar vor, sich nicht ausreichend gegen die Einsetzung des EU-Ausschusses engagiert zu haben.

Großer Aktionär, kleine Visionen

Das Land bremst bei VW nicht nur die Aufklärung aus, es wird offensichtlich auch seiner Aufgabe nicht gerecht, die richtigen Innovationen einzufordern. Innovationen, die die Existenz von VW in Zukunft absichern, mit denen aber auch die Landesregierung ihrer Verantwortung gerecht werden würde. Etwa Elektro-, Hybrid- und Brennstoffzellenfahrzeuge, die eine abgasfreie Mobilität ermöglichen. Saubere Luft in den Städten – daran müsste jedem Landesvater gelegen sein, aber auch jedem Aktionär, der in einem zukunftsfähigen Unternehmen investiert sein will.

Spätsünden

Andere Großaktionäre haben diesen Weitblick bewiesen. Die BMW-Eigentümerfamilie Quandt etwa, die früh Milliarden investierte, damit BMW das Konzept eines nachhaltigen Elektroautos verwirklichen konnte – lange bevor VW über ein solches Modell nachdachte. Bei Volkswagen, so berichten Insider, fragten Niedersachsens Vertreter im Aufsichtsrat einmal vorsichtig an, ob VW denn nicht auch E-Autos entwickeln solle. Das bügelte der damalige Konzernchef Winterkorn mit der Rechnung ab, dass bei einer optimistisch geschätzten Zahl von einer Million E-Autos im Jahr 2020 nur 100.000 Fahrzeuge auf VW entfielen. Das sei zu wenig. Niedersachsen ließ sich mit der simplen Rechnung abspeisen.

Ähnliches beim Carsharing, also dem öffentlichen Kurzmieten von Autos. Während Daimler mit Car2Go und BMW mit DriveNow schon ab 2008 ins Geschäft mit dem Teilen einstiegen und mittlerweile in einigen Städten schwarze Zahlen schreiben, startete VW erst 2011 ein Pilotprojekt in Hannover, doch von einem bundesweiten Angebot ist man Lichtjahre entfernt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%