Ob diese im Konzern tatsächlich vorhanden ist, ist zweifelhaft. Die Verwicklung von Teilen der aktuellen Spitze in den Dieselskandal ist bis auf Weiteres ungeklärt. Seit November ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts der Marktmanipulation, unter anderem gegen Aufsichtsratschef Pötsch. Als früherer VW-Finanzchef könnte der früh vom Skandal erfahren, den Kapitalmarkt aber zu spät darüber informiert haben, so die Vermutung.
Selbst wenn der Verdacht unbegründet ist, unterminiert er das Vertrauen in die Aufklärung des Dieselskandals. Christian Strenger, Exmitglied der Corporate Governance Kommission, kommt zu dem Schluss, dass Pötsch sich „als einer der Hauptverantwortlichen der Dieselaffäre in einem dauerhaften Interessenkonflikt“ befindet, weil er als Chefkontrolleur gegen sich selbst ermitteln müsse. Auch habe er „Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats“ zu verantworten.
Die Milliarden-Buße für VW im Überblick
Der Konzern hat mit US-Klägern einen Vergleich ausgehandelt. Demnach muss VW die knapp 15 Milliarden Dollar für verschiedene Dinge ausgeben: für einen Umweltfonds und die Förderung von emissionsfreien Autos etwa. Der weitaus größte Teil wird aber an Kunden fließen, die in den USA einen manipulierten VW oder Audi besitzen.
Die reine Entschädigung für Autobesitzer soll zwischen 5100 und knapp 10.000 Dollar pro Fahrzeug liegen. Das kommt darauf an, wie alt das Auto ist. Zusätzlich muss der Konzern den Kunden anbieten, ihre Autos zurückzukaufen. Die Diesel-Besitzer sollen dabei so viel Geld bekommen, wie ihr Auto vor Bekanntwerden der Manipulationen wert war.
Jein. Generell haben US-Kunden eine Wahlmöglichkeit: Entweder Rückruf mit einer Nachbesserung oder Rückkauf, also Rückgabe. Diese Varianten stehen in Deutschland und Europa nicht zur Auswahl. Dafür hat der Rückruf hierzulande schon begonnen und in den nächsten Wochen soll er weiter Fahrt aufnehmen, so dass zum Jahresende alle 2,5 Millionen Diesel in Deutschland nachgebessert sein könnten. In den USA hat VW bis Mai 2018 Zeit, um sich technische Nachbesserungslösungen von den Behörden absegnen zu lassen. Das gilt dort als deutlich kniffliger.
Wahrscheinlich nicht viel. Volkswagen hat wiederholt betont, dass eine Entschädigung wie in den USA in Europa und damit auch in Deutschland nicht infrage komme. Vorstandschef Matthias Müller selbst hat das mehrfach ausgeschlossen. Verbraucherschützer kritisieren, dass Kunden in den USA mehr bekommen sollen. Einige Anwaltskanzleien haben sich zum Ziel gesetzt, auch für betroffene Autobesitzer in Europa Schadenersatz zu erstreiten. Die Erfolgsaussichten sind aber aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme ungewiss.
Nein. Zum einen müssen sich nicht alle Kläger in den USA einem Vergleichsvorschlag anschließen und können individuell weiter klagen. Auch von drei US-Bundesstaaten sind inzwischen Klagen eingegangen. Zum anderen muss VW auch außerhalb der USA viele Verfahren bewältigen. In Deutschland fordern ebenfalls Kunden Entschädigungen oder Rückkäufe. Gerichte haben hier in ersten Instanzen unterschiedlich geurteilt. Zudem fühlen sich zahlreiche VW-Aktionäre von dem Konzern zu spät über die Manipulationen informiert. Sie wollen sich Kursverluste erstatten lassen.
Wie sehr der Dieselskandal den Neustart finanziell abbremst, ist nicht absehbar. Bisher hat VW dafür 18,2 Milliarden Euro zurückgestellt, Analysten der Nord/LB schätzen die Kosten auf bis zu 35 Milliarden Euro.
Volkswagen muss deshalb sparen und aufpassen, dass dies nicht auf Kosten der Zukunft geschieht. Im Verhältnis zum Umsatz gibt der Konzern künftig weniger für Forschung und Entwicklung aus – die Quote soll bis 2020 um 0,9 Prozentpunkte auf sechs Prozent sinken, allein in der technischen Entwicklung sollen die Kosten bis Ende 2020 jährlich um hohe dreistellige Millionenbeträge sinken.
Dabei liegt VW beim Thema E-Mobilität schon jetzt hinten. Erst im zweiten Quartal 2017 bringt der Konzern den neuen E-Golf mit bis zu 300 Kilometern Reichweite. Bis 2025 will VW 30 reine E-Fahrzeuge auf den Markt bringen. Dann soll ein Viertel der im Konzern verkauften Autos elektrisch fahren.
Der Durchbruch der Technologie in Deutschland steht noch aus. Um die Autobauer zu unterstützen, hat die Regierung eine Kaufprämie von 4000 Euro für reine Elektroautos ausgelobt. Die Abrufzahlen, sagt Wolfgang Scheremet, der im Wirtschaftsministerium die Abteilung Industriepolitik leitet, seien mit „rund 6500 Anträgen“ derzeit jedoch gering. „Wir gehen davon aus, dass der Verkauf von Elektrofahrzeugen in den kommenden Monaten steigt.“ Flottenbetreiber etwa hätten „noch keine Anträge gestellt“, sagt er. Kämen die und steige die Zahl der Ladestationen, würden die Antragszahlen „anziehen“.
Wann macht China mit dem E-Auto Ernst?
Viel wichtiger als der deutsche Markt ist das Geschäft in China. Aktuell streicht der Konzern dort mehr als die Hälfte seiner Gewinne ein. Zwar sind VW und die Tochter Audi noch die Platzhirsche im chinesischen Premiumsegment, ein Billigauto für die Masse soll 2018 kommen. Doch die Erfolgsgeschichte dürfte ein Ende finden, wenn China beim Elektroauto Ernst macht. Mit strikten Produktionsvorgaben stärkt das Land gerade die heimischen Hersteller. Schon 2018 soll die Umstellung auf das elektrische Zeitalter losgehen. Üppige VW-Gewinne in China dürften bald Geschichte sein.
Stattdessen stehen Investitionen an. Zehn Fabriken für E-Auto-Batterien, ließ sich ein Insider jüngst entlocken, werde VW in China dann benötigen. Jede von ihnen dürfte mindestens zwei Milliarden Euro kosten.
Die Batteriefrage ist ohnehin ein Problem. Experte Dudenhöffer schätzt, dass sich die Nachfrage nach Batteriezellen bis 2025 versiebzigfacht. Bisher dominieren Samsung und andere Asiaten, sie bauen längst große Fabriken in Osteuropa. VW plant bislang nur eine Pilotanlage in Salzgitter. Damit bliebe der Konzern abhängig von wenigen Zulieferern. Und langfristig trägt die Batterie am meisten zur Wertschöpfung des E-Autos bei.
Allein mit Sparen ist es da nicht getan. VW will verstärkt Mitarbeiter in Altersteilzeit schicken, doch freiwillig werden die Arbeiter nicht weichen: „Die wollen uns loswerden, nicht wir die. Da müssen sie uns schon was anbieten“, sagt ein Endfünfziger auf dem Werksparkplatz. Er lehnt sich an sein schwarzes Auto und zeigt mit dem Finger Richtung Markenhochhaus. Sie haben es doch so gut gehabt in Wolfsburg, bisher. Der Weg bis zur bitteren Erkenntnis, dass die guten Zeiten vorbei sind, ist noch weit.