Die Wettbewerber sehen der möglichen neuen Konkurrenz gelassen entgegen. „Als Karosserie-Spezialist hatten wir schon immer die Inhouse-Fertigung der Autobauer zur Konkurrenz“, sagt Arndt Kirchhoff, Chef der gleichnamigen Zulieferer-Gruppe. „Deshalb könnte es für uns sogar von Vorteil sein, wenn wir in einem fairen Wettbewerb mit den VW-Komponentenwerken konkurrieren könnten.“ Der Verdacht: Bislang wurden die eigenen Werke zum Teil bevorzugt, um die Auslastung zu erhöhen – auch wenn der externe Zulieferer günstiger war. Künftig könnte das beste Angebot zum Zug kommen – vorausgesetzt, der Wettbewerb läuft wirklich offen ab.
2. Werden die Komponentenwerke ein wettbewerbsfähiges Portfolio haben oder bleibt der Fokus auf der klassischen Teile-Produktion?
Bislang ist die VW-Komponentenfertigung, die Müller als „weithin unterschätzte Stärke des Volkswagen-Konzerns“ bezeichnete, ein Querschnitt des klassischen Automobilbaus: Presswerke für den Karosseriebau, Instrumententafeln für den Innenraum oder ganze Getriebe und Motoren werden entworfen, hergestellt und zusammengebaut. Was fehlt sind aber die Bauteile, die aktuell die Branche prägen: Batterien, Elektromotoren, Fahrassistenten.
Sinnbildlich dafür steht das Werk in Braunschweig: Dort werden Vorderachsen (1,7 Millionen Exemplare in 2015), Hinterachsen (3,8 Millionen Stück), Lenkungen (2 Millionen Einheiten) oder Stoßdämpfer für verschiedenste Konzernmarken hergestellt. Parallel werden noch Maschinen, Fertigungsanlagen, Werkzeuge und Formen gebaut. Alles Teile, für die auch spezialisierte Hersteller im Markt aktiv sind, die mit VW zusammenarbeiten, aber zugleich auch konkurrieren.
Der Haken an der Sache: Zulieferer, deren Produkte eher vom Produktionsprozess als durch Innovationen getrieben sind, sind leichter zu ersetzen – und werden sich laut der Commerzbank-Studie eher unterdurchschnittlich entwickeln. Hohe Margen stecken in innovationsstarken Bereichen wie der Digitalisierung und Vernetzung. Doch ob Volkswagen das an den eigenen Zulieferer auslagert oder doch bei VW-Pkw behält, ist unklar.
Wie VW im ersten Halbjahr abgeschnitten hat
Bei der Marke Volkswagen Pkw ging das Operative Ergebnis vor Sondereinflüssen auf von 1,4 auf 0,9 Milliarden Euro zurück. Grund für diese Entwicklung waren Wechselkurs- und Mixeffekte sowie geringere Absatzmengen und höhere Vermarktungskosten infolge des Abgas-Skandals.
Audi erzielte ein operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro (Vorjahreszeitraum: 2,9 Milliarden Euro). Währungseffekte und weiter hohe Vorleistungen für neue Produkte und Technologien sowie für den Ausbau des internationalen Produktionsnetzwerks belasteten das Ergebnis. In den Finanzkennzahlen von Audi sind die Marken Lamborghini und Ducati enthalten.
Das Operative Ergebnis von Škoda stieg von 522 auf 685 Millionen Euro, was einem Zuwachs von 31,2 Prozent entspricht. Der Anstieg war im Wesentlichen auf positive Volumen- und Mixeffekte sowie Produktkostenoptimierungen zurück.
Seat setzte ihre positive Entwicklung fort und steigerte das Operative Ergebnis um 40 Millionen auf 93 Millionen Euro. Dabei wurden negative Volumen- und Wechselkurseffekte durch Kostenreduzierungen und Mixverbesserungen kompensiert.
Das Operative Ergebnis der Marke Bentley ging um 75 Millionen auf minus 22 Millionen Euro zurück – vor allem wegen veränderter Marktbedingungen und Wechselkursverhältnisse.
Porsche verbesserte das Operative Ergebnis um 7,7 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro. Gründe waren gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Absatzanstieg sowie Wechselkurseffekte. Die Modelle Boxster, Cayman, 911 und Macan wurden verstärkt nachgefragt.
Das Operative Ergebnis von Volkswagen Nutzfahrzeuge lag im 1. Halbjahr mixbedingt mit 299 statt 268 Millionen Euro über dem Vorjahreswert.
Scania konnte die rückläufige Nachfrage in Südamerika, der Türkei und Russland durch steigende Verkaufszahlen in Europa kompensieren. Dadurch verbesserte sich das Operative Ergebnis vor Sondereinflüssen auf 550 (503) Millionen Euro.
MAN konnte trotz des anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Umfelds in Südamerika das Operative Ergebnis vor Sondereinflüssen auf 186 (54) Millionen Euro verbessern. Dazu trugen auch die eingeleiteten strukturellen Veränderungen positiv bei.
Volkswagen Finanzdienstleistungen steigerte das Operative Ergebnis um 2,6 Prozent auf 995 Millionen Euro. Positiv wirkten Volumeneffekte: Weltweit nahm die Zahl der Neuverträge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15,2 Prozent auf 3,3 Millionen Kontrakte zu.
Sicher ist: „Komponenten wie Karosserien, Fahrwerk und Achsen bleiben auch in Zukunft wichtig“, sagt Commerzbank-Experte Gronemeier. „Auch künftige Elektroautos benötigen solche Bauteile. Aber dort wo kein Wachstum mehr verzeichnet werden kann, wird die Marge tendenziell sinken.“
3. Erhalten die Komponentenwerke eine eigene Entwicklungsabteilung?
Der Preisdruck ist hoch, wer sich aber am Markt halten und anspruchsvolle Kunden wie VW zufriedenstellen will, muss auch Innovationen bieten. „Früher haben wir – zugespitzt formuliert – nur das gebaut, was auf der Konstruktionszeichnung war“, sagt Karosseriebauer Kirchhoff. „Heute sind wir alle auch Entwicklungsdienstleister für unseren Fachbereich.“ Nur zu produzieren sei heute zu wenig. „Innovation ist die Kernkompetenz der deutschen Industrie. Nur so können wir im Wettbewerb mit asiatischen oder anderen Unternehmen bestehen – das gilt für Autobauer, wie Zulieferer.“
Der Entwicklung – seien es Innovationen im klassischen Autobereich wie etwa Leichtbau oder die Megatrends Elektrifizierung und vernetztes sowie autonomes Fahren – wird also eine bedeutende Rolle zukommen. „Mittel- und langfristig hilft es natürlich, die großen Branchentrends zu antizipieren und durch eigene Entwicklungen, Zukäufe oder Kooperationen auf die sich anbahnenden Veränderungen zu reagieren“, sagt Gronemeier.
Aus genau diesem Grund hat etwa ZF Friedrichshafen den US-Konkurrenten TRW übernommen. Am Bodensee herrschte zwar eine ausgewiesene Hardware-Kompetenz, das Elektro-Know-how der Amerikaner musste aber für mehrere Milliarden zugekauft werden. Auch der weltgrößte Autozulieferer Bosch sowie der aufstrebende französische Konkurrent Valeo haben in den vergangenen Monaten kräftig eingekauft – wegen des Know-hows, nicht des Umsatzes.