Volkswagen Was Piëchs Ausstiegs-Pläne bedeuten

Der VW-Konzern ohne Ferdinand Piëch – das war für viele kaum denkbar. Jetzt zeichnet sich der Ausstieg des Firmenpatriarchen ab – und sein Bruch mit Volkswagen hinterlässt viele offene Fragen. Eine Übersicht der Fragen, die den Hauptinvestor von Volkswagen in den kommenden Tagen und Wochen beschäftigen wird.

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Ferdinand Piëch steht vor dem endgültigen Bruch mit VW. Quelle: dpa Picture-Alliance

Autopatriarch, VW-König, Jahrhundert-Manager: Es gab viele Versuche, die überragende Bedeutung von Ferdinand Piëch für Volkswagen in Worte zu fassen. Nun könnte das Kapitel bald enden. Spätestens bei der Hauptversammlung der Porsche SE Ende Mai wäre Piëch ohnehin stark unter Druck geraten. Mit den am Freitag bekannt gewordenen Plänen zum Ausstieg aus der Porsche Holding dürfte er den Vorgang beschleunigt haben. Eine Übersicht der drängendsten Fragen.

Kommt Piëchs vollständiger Bruch mit Volkswagen?
Alles deutet darauf hin. Die Porsche SE bestätigte am Freitag, dass Ferdinand Piëch den Verkauf seiner Anteile plane. Der Ausgang der Verhandlungen sei aber offen. In der Porsche SE (PSE) haben die Familien Porsche und Piëch ihre Anteile an der Volkswagen AG gebündelt. Die Holding hält 52,2 Prozent der VW-Anteile, Ferdinand Piëch ist wiederum Eigentümer von 14,7 Prozent der Porsche-SE-Aktien. Mit seinem Ausstieg aus der Beteiligungsgesellschaft würde Piëch auch bei VW aussteigen, da er außerhalb der Holding keine VW-Aktien besitzt.

Man könnte auch sagen: Piëch geht auf Distanz zu Volkswagen.

Aktionärsverteilung der Volkswagen AG

Wie schnell könnte der Verkauf über die Bühne gehen?
Die Familien wollen die endgültige Trennung offenbar so schnell wie möglich über die Bühne bringen. „Die Verhandlungen sind ernsthaft“, sagte ein Eingeweihter der Nachrichtenagentur Reuters. Der Insider rechnet damit, dass die Übernahme des Aktienpakets in den nächsten Wochen abgeschlossen wird, womöglich noch im März.

Welche Rolle spielt Piëch noch im VW-Konzern?
Ein Posten ist dem heute 79-jährigen Ex-Patriarchen geblieben: Er sitzt im Aufsichtsrat der Porsche SE. Bei der Hauptversammlung der Porsche SE am 30. Mai steht jedoch die komplette Neuwahl des Aufsichtsrats an. Wie die „Bild am Sonntag“ berichtete, soll laut einem Familienbeschluss Ferdinand Piëch keine Rolle mehr spielen. „Durch die Neuwahl gibt es die einmalige Chance, Ferdinand Piëch aus dem Gremium zu werfen“, sagte eine mit der Sache vertraute Person. Das könnte der Stein des Anstoßes gewesen sein, dass Piëch nun über den Verkauf seiner Beteiligung verhandelt.

Wie ändern sich die Machtverhältnisse in der Porsche SE?
Das kommt darauf an, wer Piëchs Anteile übernimmt. Die Familien haben ein Vorkaufsrecht, der Wert des Pakets wird auf gut eine Milliarde Euro geschätzt. Eine Übernahme wäre für die Familien zwar kostspielig, aber wichtig: So können sie verhindern, dass ein familienfremder Investor über Stammaktien und damit über Stimmrechte verfügt. Die Porsche SE ist das eigentliche Machtzentrum des Volkswagen-Konzerns.

Die Machtverteilung in der Porsche SE

Wer könnte die Anteile übernehmen?
Das ist die große Frage, die die Familien jetzt klären müssen. Möglich sind viele Modelle, etwa die 14,7 Prozent entsprechend dem Anteil auf die anderen an der PSE-Aktionäre umzulegen, wenn diese finanziell dazu in der Lage sind. Damit würde der Piëch-Familienzweig allerdings an Macht einbüßen. Wenn nicht die Balance zwischen den beiden Familienzweigen beeinflusst werden soll, müsste der Piëch-Clan die Aktion alleine stemmen. Über den Verlauf und Inhalte der Verhandlungen ist jedoch noch nichts bekannt. Der von Reuters zitierte Insider sagte, „die Familien Porsche und Piëch wissen, wie sie das finanzieren“.

Wolfgang Porsche hatte allerdings erst kürzlich in Genf betont, dass die Familien auch künftig allein das Sagen haben wollen bei der PSE.

Porsche setzt seine Top-Limousine unter Strom
Porsche Panamera Turbo S e-Hybrid Quelle: Porsche
Porsche Panamera Turbo S e-Hybrid Quelle: Porsche
Porsche Panamera Turbo S e-Hybrid Quelle: Porsche
Porsche Panamera Turbo S e-Hybrid Quelle: Porsche
Porsche Panamera Turbo S e-Hybrid Quelle: Porsche
Porsche Panamera Turbo S e-Hybrid Quelle: Porsche
Porsche Panamera Turbo S e-Hybrid Quelle: Porsche

Ferdinand Dudenhöffer vom Duisburger Center Automotive Research äußerte jedoch Zweifel, ob die Mitglieder der Familien Porsche und Piëch die Übernahme finanziell überhaupt stemmen können. Daher könnte der Verkauf auch eine Chance etwa für industrielle Investoren aus China sein.

Können Ferdinand Piëchs Kinder seine Rolle übernehmen?
Das ist sehr unwahrscheinlich. Keines seiner zwölf Kinder hat im VW-Reich eine wirklich gewichtige Funktion. „Wenn Ferdinand Piëch unter seinen Kindern einen potenziellen Nachfolger sehen würde, hätte er ihn für den VW-Aufsichtsrat nominiert“, vermutet Wolfgang Fürweger, der Biograf von Ferdinand Piëch.

Dabei hatte es durchaus einen Anwärter gegeben. Piëchs Sohn Ferdinand „Nando“ Piëch ist Immobilienunternehmer und besitzt ein namhaftes Feinkostgeschäft in Stuttgart. Von 2008 bis 2010 saß er im Aufsichtsrat der damaligen Porsche AG. Das Verhältnis zu seinem Vater soll allerdings nicht sonderlich herzlich sein. Mehr über die Familienmitglieder erfahren Sie in dieser Grafik.

Die nächste Generation ist gefragt

Wer kann – abseits des finanziellen Aspekts – die Führungsrolle von Ferdinand Piëch übernehmen?
Auf Seite des Porsche-Clans tritt derzeit vor allem Wolfgang Porsche auf, im Piëch-Clan ist Ferdinands Bruder Hans Michel derzeit die mächtigste Person. Hans Michel, zu dem Ferdinand ein gutes Verhältnis hat, sitzt im VW-Aufsichtsrat und hält ebenfalls rund 15 Prozent an der Porsche SE. Doch sowohl Wolfgang Porsche (Jahrgang 1943) oder Hans Michel Piëch (Jahrgang 1942) werden irgendwann kürzer treten (müssen) – die nächste Generation ist gefragt.

Seitens des Piëch-Clans sind in den vergangenen Jahren vor allem zwei Frauen aufgefallen: Hans Michels Tochter Julia Kuhn-Piëch und Louise Kiesling, Tochter von Louise Daxer-Piëch, einer Schwester von Hans Michel und Ferdinand. Louise Kiesling sitzt seit dem Rückzug Ferdinands und seiner Gattin Ursula im VW-Aufsichtsrat. Damals wurde auch Julia Kuhn-Piëch in das Kontrollgremium berufen – musste aber diesen Posten nach wenigen Monaten wieder räumen, damit der damalige Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch in den Aufsichtsrat aufrücken konnte. Aktuell sitzt Kuhn-Piëch im Aufsichtsrat der VW-Töchter Audi und MAN – dort wird sie inzwischen geschätzt und überraschte durch technisches Know-how und Detailfragen.

Im Porsche-Clan tauchen drei Namen aus der nächsten Generation regelmäßig auf. Mark Philipp, Christian und Peter Daniell Porsche. Vor allem Mark Philipp Porsche vertritt als Vorstand der Familien-Stiftung nun die Interessen der Porsches. Zweiter starker Mann der Autodynastie wird der Arzt Christian Porsche, der in zwei Aufsichtsräten des VW-Konzerns sitzt. Und Peter Daniell, Mitglied des Skoda-Aufsichtsrats, kommt ohnehin eine Sonderrolle zu: Der Sohn von Wolfgangs Bruder Hans-Peter Porsche ist ein Einzelkind – als einziger der nächsten Generation.

Wird aus der Nachfolge-Frage ein tiefergehender Streit zwischen den beiden Familienclans entstehen?
Unklar. Es ist aber vorerst unwahrscheinlich. Der Porsche-Clan hat heute schon eine kleine Mehrheit: Sämtliche Mitglieder des Porsche-Zweigs haben ihre Anteile in eine gemeinsame Stiftung eingebracht, die Ferdinand Porsche Familien-Privat-Stiftung. Damit treten sie geschlossen auf, während die PSE-Aktionäre auf Seiten des Piëch-Zweigs jeweils eigenständig auftreten.

von Melanie Bergermann, Martin Seiwert

Das aktuelle Übergewicht für Porsche rührt daher, dass, wie die WirtschaftsWoche bereits im April 2016 berichtete, Louise Kiesling aus dem Piëch-Clan übergelaufen ist und ihre Anteile in die Porsche-Stiftung eingebracht hat. Die Familienstiftung hält damit 51,7 Prozent der PSE-Anteile.

Wie steht die aktuelle VW-Führung zu Piëch?
Es scheint fast so, als ob Piëch in Wolfsburg zur „Persona non grata“ geworden ist. Vorstandschef Matthias Müller, einst ein enger Vertrauter Winterkorns, sagte erst kürzlich: „Ich stehe nicht in Kontakt mit Piëch.“ Cousin Wolfgang Porsche rückte von Piëch ab: Am Rande des Genfer Autosalons sagte er, dass zwischen den Familienoberhäuptern Sprachlosigkeit herrsche. Stephan Weil, VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident, warf dem „Alten“ gar vor, „fake news“ zu verbreiten. Und auch der Betriebsrat, früher lange ein enger Verbündeter, ist auf ihn alles andere als gut zu sprechen.

Piëch und seine Figuren

Auch Audi-Chef Rupert Stadler, Mitglied des VW-Vorstands und lange Zeit Büroleiter Piëchs, hat sich inzwischen von seinem Ziehvater distanziert – oder anders herum, das ist nicht genau bekannt. Klar ist, dass Stadler seit einigem Monaten nicht mehr die beiden Stiftungen Ferdinand Karl Alpha und Ferdinand Karl Beta führt – also jene Stiftungen, über die Piëch in der PSE investiert ist.

„Der Abgang könnte ein positives Signal sein“

Und was bedeutet das für VW?
„Für den Konzern könnte der Abgang auch ein positives Signal sein“, meint Stefan Bratzel von der Hochschule Bergisch-Gladbach. Schließlich sei das Unternehmen wie die ganze Autobranche in einem radikalen Umbruch zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren. Piëch habe von solchen Neuerungen wenig gehalten. Daher sei es gut, wenn jüngere Leute, die mehr Verständnis dafür hätten, an Einfluss gewännen: „Dadurch kommt frisches Blut samt frischen Ideen in die Reihen der Anteilseigner.“

Wie hat der Streit angefangen?
Im Frühjahr 2015 braute sich bei VW hinter den Kulissen – trotz Rekordzahlen – bereits das Unheil zusammen: Im März 2015 spricht Ferdinand Piëch auf dem Genfer Autosalon mit dem damaligen Vorstandschef Winterkorn über die möglichen Diesel-Probleme in den USA. Er will auf die Probleme hingewiesen haben, auf mögliche Manipulationen – und auch den innersten Machtzirkel bei VW, das Präsidium des Aufsichtsrats mit Leuten wie Weil und Osterloh, heißt es in Berichten. Die Kontrolleure weisen diese Anschuldigungen scharf zurück. Der Vorstand prüft Schadenersatzansprüche gegen Piëch.

Die Opfer des Ferdinand Piëch
Porsche-Miteigner und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch Quelle: dapd
Audi Quelle: dpa
Franz-Josef Kortüm Quelle: obs
Herbert Demel Quelle: dpa
Franz-Josef Paefgen Quelle: AP
José Ignacio López Quelle: REUTERS
Bernd Pischetsrieder Quelle: dpa

Dann, im April 2015, folgt das mittlerweile legendäre Zitat Piëchs im „Spiegel“: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“ Der Satz war intern, aber nicht mit der Familien abgesprochen. Die Folge: ein beispielloser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsrat und Wolfgang Porsche stützt am Ende – zur Überraschung vieler – Winterkorn. Piëch tritt als Aufsichtsratsvorsitzender zurück.

Seitdem ranken sich die Spekulationen über Piëchs Motive. So unter anderem, dass Piëch seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula in einer Art dynastischer Erbfolge als Nachfolgerin an der Spitze des Aufsichtsrats durchsetzen möchte, Winterkorn – im späteren Jahresverlauf 2015 über den Abgas-Skandal gestürzt – selbst wollte diesen zentralen Posten.


Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei höchst unzufrieden mit der Entwicklung von Volkswagen in den USA gewesen – vor dem Hintergrund der später bekanntgewordenen Diesel-Probleme.

Aber Genaues weiß man nicht, schriftliche Belege darüber soll es nicht geben. Piëch selbst hat sich seit fast zwei Jahren nicht mehr öffentlich geäußert, Interview-Anfragen sind zwecklos.

Mit Material von dpa.

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