Volvo Das Ausweichmanöver

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Die Angst der deutschen Automanager

Samuelssons Gegner dabei sind mächtig: Daimler hat gerade zwei Milliarden Euro in die Entwicklung seines neuen Aggregats gesteckt, erst diese Woche beschloss der Vorstand einen „Zukunftsplan für Dieselantriebe“. Auch Volkswagen-Chef Matthias Müller versprach neulich auf einer Konferenz in Wien, in den kommenden Jahren zehn Milliarden Euro in saubere Diesel zu investieren. Zu alledem kämpft die Bundesregierung aufseiten des Diesels. Zwar hatte sie vor ein paar Jahren noch das Ziel ausgegeben, bis 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben und das sogar mit Milliarden für eine E-Auto-Prämie unterstützt. Doch das ist kassiert. Stattdessen denkt man nun darüber nach, den Topf zur Umrüstung dreckiger Diesel herzunehmen.

Historische Volvo-Werbung. Quelle: Volvo

Ihnen allen macht Samuelsson mit seiner Ankündigung der Elektromobilität nun das Leben schwer. Wenn das kleine Volvo das schafft, warum dann nicht auch VW, Daimler oder BMW? Die deutschen Automanager wissen nur zu gut, was eigentlich die beste Antwort auf den Dieselskandal wäre: der Hybridantrieb. Mit der Kombination eines Benziners mit einem Elektromotor lassen sich nicht nur Abgase vermeiden, sondern auch Kosten und Sprit sparen.

Volvo etwa verspricht, seine Hybridmodelle ab 2019 zum Preis eines heutigen Dieselfahrzeugs anzubieten. Dass das geht, hat der Hybridpionier Toyota längst vorgemacht. Den hoch profitablen und weltgrößten Autobauer kostet die Herstellung eines Hybrids weniger als die eines Diesel. Seit dem Dieselskandal lernen selbst die deutschen Kunden die Vorzüge der Doppelantriebe schätzen: In diesem Jahr wurden 27 Prozent mehr Toyota in Deutschland zugelassen, bei VW dagegen schrumpften die Zulassungen um vier Prozent.

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Nicht, dass die deutschen Hersteller keine Hybride bauen könnten. Sie haben die Technik einst sogar erfunden. Nur: Sie mögen sie nicht, weil sie früh auf den Diesel setzten und die damit verbundenen Investitionen und Arbeitsplätze nicht einfach abschreiben wollen.

Volvo indes denkt bei seiner Entscheidung vor allem an China, den inzwischen wichtigsten Markt des Autobauers. Über 90.000 Fahrzeuge verkaufte man hier im vergangenen Jahr, mehr als doppelt so viele wie in Deutschland. Das liegt auch an der chinesischen Konzernmutter Geely, die Volvo vor sechs Jahren übernahm, den Schweden zwar kein Geld für Investitionen gab, aber drei Werke baute. Nun soll sich das natürlich rechnen. Und Peking setzt dabei voll auf alternative Antriebe. Während chinesische Hersteller keine konkurrenzfähigen Verbrennungsmotoren haben, sieht Peking im Rennen um alternative Antriebe eine Chance, mit der ausländischen Konkurrenz gleichzuziehen. Dafür überschüttet es seine heimischen Hersteller mit Fördergeldern und belegt ausländische Hersteller mit einer Zwangsquote: Ab kommendem Jahr sollen die Autobauer acht und in den Folgejahren zehn und zwölf Prozent ihrer Verkäufe mit E-Auto-Modellen machen. Schaffen sie das nicht, drohen ihnen herbe Strafen.

Man muss also etwas tun, die „Spur wechseln“, wie Samuelsson sagt. Schon heute ist China E-Auto-Markt Nummer eins. Dieses Jahr sollen bereits bis zu 800.000 Fahrzeuge mit E-Antrieben verkauft werden. Bis 2020 soll sich die Zahl verfünffachen.

Auch deshalb halten viele Beobachter Samuelssons Versprechen für glaubwürdig. Ein Freund, der ihn schon aus seiner Zeit bei Scania kennt, wo er Ende der Siebziger als Ingenieur angefangen hat, sagt, Samuelsson sei kein Schauspieler. „Er ist extrem clever, nüchtern und geht sehr strukturiert an Herausforderungen heran.“ Als ein Unternehmen mit einem chinesischen Eigentümer sei klar, dass sich Volvo jetzt auf alternative Antriebe fokussiere.

In Göteborg hört man dieses Argument nicht so gern. Dort sieht man sich als selbstbestimmten, eigenständigen Konzern – der eben gut mit China im Geschäft ist und das auf keinen Fall riskieren will. Für Samuelsson ist sein Versprechen denn auch alles andere als eine reine Inszenierung. Vielmehr, meint er, mache man sich so interessant für Kunden und für junge Talente. Schließlich biete Volvo nun die Chance, an der „Frontlinie der technischen Entwicklung“ zu arbeiten. „Man kann immer die Risiken bedenken, die eine solche Ankündigung mit sich bringt“, sagt Samuelsson. „Nur wenn man nichts sagt und nichts tut, bekommt man auch keine Vorwürfe. Aber ich glaube, das Risiko, nichts zu tun, ist viel größer, als eine klare Position zu haben.“

Die immerhin hat der Volvo-Chef nun. Und auch seine eigene Position steht bis dahin fest. Gerade hat der 66-Jährige seinen Vertrag noch mal verlängert bis 2020. Sei Ziel: „Als Volvo-Chef den ersten vollelektrischen Volvo auf der Straße zu sehen.“

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