Das änderte sich jedoch 2012. Bei der zweiten Generation des Skandalmotors („Gen2“ genannt), traten neue Probleme auf: Die Prüfstanderkennung arbeitete nicht zuverlässig genug, auch auf der Straße fuhren einige Fahrzeuge weiterhin im schadstoffarmen Prüfstand-Modus – und hielten die Stickoxid-Grenzwerte ein. Doch dafür war der Abgasstrang gar nicht ausgelegt, er sollte nur kurze Zeit auf dem Prüfstand aktiv sein. Die Ingenieure führten die wachsende Belastung des Abgassystems darauf zurück, dass der Wagen zu lange im Prüfstand-Modus fuhr.
Deshalb soll es laut der Strafanzeige im Juli 2012 zu mehreren Treffen innerhalb der Motorenentwicklung der Marke VW gekommen sein. Dabei war, neben einem ebenfalls von der Strafanzeige betroffenen Mitarbeiter des Qualitätsmanagements Bernd Gottweis auch der damalige Leiter der VW-Motorenentwicklung Heinz-Jakob Neußer anwesend. Ihnen wurde das Problem erklärt – unter anderem illustrierten die Mitarbeiter die Funktionsweise der Software mit einem Dokument. Laut den US-Ermittlern „verstanden Gottweis und Neußer den Zweck und die Bedeutung der Software und förderten das weitere Verschweigen der Software“. Zudem sollen beide die Ingenieure angewiesen haben, das Dokument zu zerstören.
Mit anderen Worten: Spätestens im Juli 2012 war ein führendes Mitglied der VW-Entwicklung über die Software und deren Bedeutung informiert. 2013 stieg Neußer sogar zum Entwicklungschef der Marke VW auf und war damit Mitglied des Markenvorstands. Diesem Gremium saß zu jener Zeit Martin Winterkorn vor, der damals den Konzern und die Marke in Personalunion leitete.
Nachdem die Ingenieure ihren Vorgesetzten die Existenz und Funktion der Software erklärt hatten, entwickelten sie eine Lösung für die Überbelastung: Mit der Erkennung des Lenkwinkels (auf dem Prüfstand „fährt“ das Auto nur geradeaus), konnten sie genauer feststellen, ob das Auto auf der Straße oder dem Prüfstand bewegt wird. „Mit diesen Anpassungen an der Funktionsweise des Defeat Device stellten die Verschwörer sicher, dass die betroffenen 2,0-Liter-Autos auf der Straße fast nie in einer emissionseinhaltenden Weise gefahren wurden“, schreiben die Ermittler.
Doch anders als bislang öffentlich häufig angenommen, gab es VW-intern auch Widerspruch. Einige Mitarbeiter brachten ihre Bedenken zum Ausdruck – speziell über die Ausweitung des Defeat Device mit der Lenkwinkelerkennung – und forderten die Zustimmung höherer Manager. Direkt darauf angesprochen, soll Neußer im April 2013 die Aktivierung der Software samt Lenkwinkelerkennung autorisiert haben – woraufhin die Software ab Werk eingebaut und bei älteren Fahrzeugen beim Kundenservice aufgespielt wurde.