Neun Monate ist es her, dass der Abgasskandal Volkswagen in die tiefste Krise der Unternehmensgeschichte gerissen hat. Der langjährige Chef, zahlreiche Entwicklungsverantwortliche bei den Konzernmarken und vor allem das Vertrauen der Kunden – alles weg.
Einen ersten Lichtblick gab es Ende April: In den USA, wo der Skandal ans Licht kam und auch wohl seinen Anfang nahm, hatte VW eine Grundsatzeinigung mit den Behörden erzielt. Die Detail-Ausarbeitung des außergerichtlichen Kompromisses liegt jetzt vor – und enthält für die Wolfsburger einige kostspielige Passagen.
Was steht in der Einigung?
Der Vergleich zwischen Volkswagen, dem US-Justizministerium (Department of Justice, DOJ) und dem Bundesstaat Kalifornien sowie der Federal Trade Commission (FTC) und privaten Klägern, die durch das Steuerungskomitee der Kläger (Plaintiffs‘ Steering Committee, PSC) vertreten werden, sieht drei Möglichkeiten für die 475.000 betroffenen Fahrzeuge in den USA (460.000 VWs und 15.000 Audis) vor: ein Rückkauf, Leasingrücknahmen oder "behördlich genehmigte technische Anpassungen" – sprich eine Reparatur.
Welche Modelle unter den Diesel-Vergleich fallen
Baujahre 2013-2015
Baujahre 2010-2015
Baujahre 2009-2015
Baujahre 2012-2015
Baujahre 2010-2013 und 2015
Für den Ablauf bedeutet das:
- Volkswagen wird einen eigenen Fonds zur Finanzierung des "2,0l-TDI-Vergleichsprogramms" einrichten. Die Einlage in diesen Fonds wird einen Betrag von maximal 10,033 Milliarden US-Dollar nicht überschreiten.
- Kunden können wählen, ob sie ihr Fahrzeug an Volkswagen zurückverkaufen oder ihr Leasing ohne Sanktion beenden, oder, sofern technische Maßnahmen genehmigt sind, ihr Fahrzeug kostenfrei umrüsten lassen und es behalten. Zusätzlich zum angebotenen Rückkauf sollen die US-Kunden einen finanziellen Anreiz zwischen 5100 und 10.000 Dollar erhalten, der sich nach dem geschätzten Wert ihres Wagens bei Bekanntwerden der Manipulation im September richtet. Damit soll erreicht werden, dass möglichst viele Autobesitzer das Angebot annehmen. Denn die Kosten für den Umweltfonds steigen, wenn es VW nicht gelingt, mindestens 85 Prozent der manipulierten Wagen von der Straße zu holen.
- Der Rückkauf-Wert eines in Frage kommenden Fahrzeugs wird auf dem "Clean Trade-In"-Wert basieren wie in der Ausgabe September 2015 des NADA "Used Car Guide" veröffentlicht, unter Berücksichtigung von möglichen Zusatzausstattungen und Meilenstand.
Zudem wird Volkswagen in Absprache mit den Behörden EPA und CARB zwei Umweltprogramme im Gesamtwert von 4,7 Milliarden Dollar über mehrere Jahre hinweg unterstützen. Mit der Umsetzung des Vergleichs rechnet Volkswagen nicht vor dem Herbst.
"Wir nehmen unseren selbst gesetzten Auftrag, das Richtige zu tun, sehr ernst und sehen in diesen Vereinbarungen einen wichtigen Schritt nach vorn", so VW-Chef Matthias Müller. "Wir sind uns bewusst, dass wir noch viel tun müssen, um das Vertrauen der Menschen in Amerika zurückzugewinnen. Dabei gilt unser Augenmerk der Lösung der noch offenen Fragen."
Wie teuer wird die Einigung?
Die Gesamtsumme des Vergleichs mit der US-Umweltbehörde EPA und den klagenden Besitzern von Diesel-Autos beläuft sich auf 14,733 Milliarden Dollar, wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht. Davon sind gut zehn Milliarden Dollar für den Rückkauf von fast einer halben Million manipulierter Dieselautos mit 2,0-Liter-Motoren vorgesehen. Zudem hat sich Volkswagen mit 44 Bundesstaaten auf einen separaten Vergleich geeinigt, der den Konzern mindestens 603 Millionen Dollar kosten wird.
Wie teuer es am Ende wird, lässt sich aber noch nicht genau abschätzen. Die Einigung sieht vor, dass ein Teil der betroffenen US-Kunden die Wahl hat, ob er eine Entschädigung annimmt und VW das Auto umrüstet oder ob die Wolfsburger das Auto zurückkaufen sollen – was deutlich teurer als die Reparatur wäre. Solange unklar ist, wie viele Kunden sich für den Rückkauf entscheiden, lassen sich die Gesamtkosten nur schwer beziffern. Die bislang genannte Summe basiert auf einer Teilnahmequote von 100 Prozent "sowie der Annahme, dass sich 100 Prozent der in Frage kommenden Kunden entweder für einen Rückkauf oder eine vorzeitige Leasingrücknahme entscheiden", so der Konzern.
Wie VW im ersten Quartal abgeschnitten hat
Im Auftaktquartal 2016 hat Volkswagen 2,577 Millionen Fahrzeuge abgesetzt – zum ersten Quartal 2015 ein Rückgang von 1,2 Prozent (2,607 Millionen Fahrzeuge).
Zum Stichtag 31. März 2016 haben 613.075 Menschen für VW gearbeitet. Gegenüber dem Jahr 2015 sind das 0,5 Prozent mehr – damals waren es 610.076 Menschen.
In Deutschland sinkt jedoch die Zahl der VW-Mitarbeiter, zuletzt um 800 auf rund 277.900 Stellen. Der Zuwachs kommt aus dem Ausland, wo VW um fast 4.000 Stellen auf 335.200 Jobs zulegte.
Beim Umsatz musste VW im Vergleich zum Vorjahresquartal ein Minus von 3,4 Prozent hinnehmen. Die Umsatzerlöse sanken von 52,735 Milliarden Euro auf aktuell 50,964 Milliarden Euro.
Das operative Ergebnis (Ebit) stieg um 3,4 Prozent auf 3,44 Milliarden Euro – zum Jahresauftakt 2015 waren es noch 3,328 Milliarden Euro. Die operative Rendite stieg von 6,3 auf 6,8 Prozent.
Das Ergebnis nach Steuern ging deutlich zurück – von 2,932 Milliarden Euro im Q1 2015 auf aktuell 2,365 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang von 19,3 Prozent.
Die Marke Volkswagen Pkw verzeichnete in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Volumen- und Umsatzrückgang. Der Umsatz von VW-Pkw sank von 26,3 Milliarden Euro auf 25,1 Milliarden Euro, der Absatz fiel von knapp 1,12 Millionen auf 1,07 Millionen Fahrzeuge. Infolge dessen ging das Operative Ergebnis vor Sondereinflüssen auf 73 (514) Millionen Euro zurück, die operative Marge erreichte im ersten Quartal 0,3 Prozent.
Mit 1,3 Milliarden Euro erreichte Audi annähernd wieder das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen des Vorjahres. Bei einem nahezu stabilen Umsatz sank die operative Marge leicht von 9,7 auf 9,0 Prozent.
Bei Skoda stieg das operative Ergebnis aufgrund positiver Mixeffekte und geringerer Materialkosten um gut 30 Prozent auf 315 (242) Millionen Euro. Die operative Marge legte bei deutlich gestiegenem Umsatz auf 9,3 (7,6) Prozent zu.
Seat verbesserte sein Operatives Ergebnis aufgrund von Kostenoptimierungen auf 54 (33) Millionen Euro. Dies entspricht einer Steigerung der Operativen Rendite auf 2,6 (1,5) Prozent.
Gemessen am operativen Ergebnis ist Bentley im ersten Quartal in die roten Zahlen gerutscht. Statt einem Gewinn von 49 Millionen Euro im Vorjahresquartal steht 2016 ein Minus von 54 Millionen Euro zu Buche. Volkswagen begründet das mit gesunkenen Auslieferungen.
Porsche blieb auch zum Auftakt des laufenden Geschäftsjahres in der Erfolgsspur. Das Operative Ergebnis stieg weiter auf 895 (765) Millionen Euro und damit deutlich überproportional zum Umsatz, der aufgrund eines signifikant höheren Absatzes spürbar zulegte. Die operative Marge kletterte auf 16,6 (15,1) Prozent.
Das operative Ergebnis von Volkswagen Nutzfahrzeuge sank volumenbedingt auf 142 (165) Millionen Euro, die operative Marge ging auf 5,2 (6,1) Prozent zurück. Scania verbuchte einen leichten Anstieg des operativen Ergebnisses auf 244 (237) Millionen Euro und eine stabile operative Marge von 9,6 Prozent. Trotz des anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Umfelds in Südamerika verbesserte MAN Nutzfahrzeuge das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen unter anderem aufgrund des höheren Absatzes in Europa auf 65 (minus 13) Millionen Euro. Bei MAN Power Engineering belief sich das operative Ergebnis auf 48 (52) Millionen Euro.
Die Volkswagen Finanzdienstleistungen konnten ihr operatives Ergebnis deutlich auf 492 (403) Millionen Euro steigern. Insbesondere Volumeneffekte wirkten sich positiv aus.
Als sicher gilt, dass nicht alle Autos in einen gesetzeskonformen Zustand umgerüstet werden können. Es gibt drei verschiedene Generationen des Motors auf dem US-Markt, eine davon schafft die Grenzwerte wohl auch mit Reparatur nicht. Diese Autos muss VW sicher zurückkaufen.
Autobesitzer, die ihren Wagen von VW zurückkaufen lassen möchten, bekommen demnach den Preis erstattet, der vor Bekanntwerden des Skandals am 18. September 2015 galt. Der Durchschnittswert für einen VW-Diesel ist seit Beginn der Affäre dem um 19 Prozent gesunken.
Insgesamt liegt die Summe nahe dem, was Volkswagen bislang in der Bilanz 2015 zurückgestellt hat: Vorerst wurden gut 16 Milliarden Euro für die Folgekosten der Abgas-Manipulationen zurückgelegt. Dabei geht es aber nicht nur um die Probleme in den USA, weltweit sind elf Millionen Wagen betroffen. Möglich also, dass VW bei einem teureren Vergleich noch mehr aufwenden müsste.
Wie es in den USA weiter geht
Was hat VW bislang veranschlagt?
Der sich anbahnende Vergleich in den USA könnte den VW-Konzern einen Großteil seiner bisher erfolgten Rückstellungen kosten. Der bislang aufgebaute Puffer von 16,2 Milliarden Euro wäre mit dem Deal schon zu 80 Prozent aufgebraucht. Allerdings: Die gut 13 Milliarden Euro dort sind ein Maximalszenario.
"Die heutige Bekanntgabe bewegt sich im Rahmen unserer bereits veröffentlichten Rückstellungen und sonstigen finanziellen Verpflichtungen", sagt Finanzvorstand Frank Witter. "Wir sind in der Lage, die Konsequenzen zu beherrschen. Die Bekanntgabe bedeutet für unsere US-Kunden und -Händler sowie auch für unsere Anteilseigner mehr Klarheit. Vergleichslösungen in dieser Größenordnung belasten uns ohne Zweifel erheblich."
War es das jetzt für VW in den USA?
Nein, VW muss mindestens bis zum 26. Juli weiter bangen. Bis dahin will US-Richter Charles Breyer die eingereichten Dokumente prüfen und entscheiden, ob er dem Vergleich zustimmt. Lehnt er ab, könnte er einen Prozess eröffnen. VW will das unbedingt vermeiden. So war zumindest der ursprüngliche Zeitplan – laut diesem sollten die Dokumente aber bereits am 21. Juni eingereicht worden sein. Diese Frist hatte Breyer kurzfristig um eine Woche verlängert, wohl auf Bitte der US-Behörden. Ob er jetzt auch die Bekanntgabe seiner Entscheidung um eine Woche verschiebt, ist noch unklar.
Aktionärsverteilung der Volkswagen AG
Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte PSE hält 52,2 Prozent der Volkswagen-Stammaktien.
Quelle: Unternehmen, eigene Recherchen
Das Land Niedersachsen ist in Besitz von 20,0 Prozent der Stammaktien. Damit hat die Staatskanzlei bei wichtigen Entscheidungen – etwa einer Kapitalerhöhung – ein Vetorecht, da bei Volkswagen solche Entscheidungen mit 80 Prozent der Stimmen plus einer Aktie getroffen werden müssen. Weitere Vorzüge für das Land Niedersachsen wurden nach einem EuGH-Urteil 2007 gestrichen.
Die Kataris haben sich im Zuge der Porsche-Übernahme 2009 mit 17 Prozent der Stammaktien eingekauft. Den Anteil hält der Staatsfonds bis heute, es sitzen auch zwei Vertreter Katars im Aufsichtsrat.
10,8 Prozent der Stammaktien befinden sich in Streubesitz.
Betroffene Autobesitzer haben aber auch das Recht, die VW-Offerte auszuschlagen und den Konzern auf eigene Faust zu verklagen.
Was ist der Stand bei den Drei-Liter-Dieseln?
Hier ist offiziell Audi als Entwickler und Produzent der Motoren verantwortlich – Porsche und Volkswagen haben die Aggregate lediglich verbaut. Insgesamt sind in den USA rund 110.000 Fahrzeuge mit besagten Motoren betroffen. Inzwischen ist klar, dass zwei Generationen des Drei-Liter-Aggregats über eine Funktion verfügen, die laut US-Recht illegal sind. Laut Konzernkreisen reicht bei einer Generation ein Software-Update aus, während bei der anderen auch neue Teile eingebaut werden müssen.
Eine Einigung mit den Behörden samt Rückrufplan steht noch aus. Volkswagen wird "weiterhin zügig daran arbeiten, für betroffene Fahrzeuge mit 3,0l-TDI-V6-Dieselmotor eine einvernehmliche Lösung zu erreichen".
Das Problem ist aber anders gelagert als bei den Zwei-Liter-Motoren und am Ende wohl einfacher zu lösen. Kosten dürfte die Lösung dennoch verursachen – unklar ist, in welcher Höhe.
Die Lage in Deutschland
Was bekommen europäische Kunden?
Hierzu hat sich der Konzern noch nicht offiziell geäußert. Es wird aber regelmäßig darauf verwiesen, dass die Lage sowohl in Sachen Verbraucherschutz als auch bei der Schwere der Manipulation anders sei. Die Politik lässt sich damit nicht abspeisen. "Volkswagen sollte europäischen Fahrzeugbesitzern freiwillig eine Kompensation zahlen, die vergleichbar mit der ist, die den US-Konsumenten gezahlt wird", sagte EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska der "Welt am Sonntag".
VW argumentiert damit, dass die betroffenen Fahrzeuge nach der Umrüstung dem technischen Stand entsprechen und weitere Forderungen unbegründet seien. Auch sei die Rechtslage in den USA, wo der Dieselskandal aufgedeckt wurde, eine andere. "Es ist unfair, wenn sich Volkswagen hinter diesen rechtlichen Erwägungen versteckt", sagt Bienkowska. "Es ist nicht meine Rolle, Volkswagen Ratschläge zu erteilen. Aber die Konsumenten in Europa anders zu behandeln als die US-Konsumenten ist kein Weg, das Vertrauen wiederzuerlangen."
Wie steht es mit Klagen in Deutschland?
Die Finanzaufsicht BaFin hat laut Medienberichten den gesamten VW-Vorstand verklagt. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt allerdings nur gegen zwei Beschuldigte wegen des Verdachts der Marktmanipulation: Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn und den aktuellen Markenvorstand Herbert Diess.
Der Vorwurf: VW hat am 22. September mitgeteilt, dass der Konzern Unregelmäßigkeiten bei „einer verwendeten Software bei Dieselmotoren“ untersucht. Die US-Umweltbehörde EPA hatte den Konzern aber bereits am 18. September öffentlich beschuldigt, Schadstoffwerte manipuliert zu haben – gegenüber der EPA hatte Volkswagen sogar schon am 3. September den Einbau der Schummelsoftware zugegeben. Die BaFin kam in ihren eigenen Ermittlungen offenbar zu dem Schluss, dass VW Informationen, die für die Bewertung einer Aktie wichtig sind, nicht rechtzeitig veröffentlicht hat – wozu der Konzern laut Wertpapierhandelsgesetz gezwungen ist.
Matthias Müller über...
"VW hat die Lage im Griff und wird die Krise aus eigener Kraft bewältigen."
"Werden es nicht zulassen, dass uns diese Krise lähmt. Im Gegenteil: Wir nutzen sie als Katalysator für den Wandel, den Volkswagen braucht."
"Ein Unternehmen unserer Größe kann nicht mit den Strukturen von gestern gesteuert werden. Schon gar nicht in unserem Umfeld, das sich so schnell ändert."
"Unsere wichtigste Währung sind nicht Stückzahlen oder operative Kennzahlen, sondern Vertrauen in Unternehmen und Produkte."
"Wir haben keinerlei Veranlassung von unserer im Oktober angepassten Jahresprognose abzurücken."
"Wir werden alles streichen und verschieben, was jetzt nicht zwingend notwendig ist. Wir werden uns aber sicher nicht kaputt sparen."
"Überlegungen, einzelne Konzernteile zu verkaufen, stellen wir derzeit nicht an. Zu keiner Sekunde."
"Natürlich ist das Image des Diesels beschädigt."
"Just do it."
Bereits durch die EPA-Ankündigung hatte der Kurs der VW-Vorzugsaktien am 18. September zweistellig nachgegeben. Als Volkswagen dann fünf Tage später seine Erklärung veröffentlichte, rutschte die Aktie erneut kräftig ins Minus.
Noch sind es lediglich Ermittlungen der Staatsanwaltschaft – ob diese Ermittlungen in einer Klage münden, ist offen. Und selbst bei einer Anklage ist nicht gesichert, dass auch ein Strafprozess eröffnet wird.
Was ist mit den Schadensersatzklagen in Deutschland?
Hier sind einige Klagen beim Landgericht Braunschweig anhängig, etwa von der Kanzlei Quinn Emanuel, die mehrere US-Fonds und den norwegischen Staatsfonds vertritt, sowie von Rechtsanwalt Andreas Tilp, der im Namen von 278 institutionellen Investoren und 1129 Kleinanlegern Schadensersatz von VW fordert.
Einen möglichen Strafprozess gegen VW-Manager sehen die Anleger-Anwälte aber kritisch. „Strafprozesse sind für uns eher schädlich, weil dann meist der Eifer des Zivilgerichts erlahmt“, sagt Tilp. Grundsätzlich hält er seine Klage für aussichtsreicher: Denn anders als die Staatsanwälte müsse er der VW-Führung keinen Vorsatz nachweisen. Auch Nadine Herrmann von der Kanzlei Quinn Emanuel, die für US-Fonds klagt, sieht nur begrenzten Zusammenhang: „Vielleicht liefert das Verfahren neue Erkenntnisse, mehr nicht.“ Sie erwartet, dass sich das Verfahren, wenn es überhaupt eröffnet wird, bis zu zehn Jahre hinziehen wird.
Warum es keine Neuigkeiten bei der Aufklärung gibt
Was sind die nächsten wichtigen Termine?
Bereits am Mittwoch müssen sich VW-Vorstandschef Matthias Müller und der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch bei der Hauptversammlung der Konzernmutter Porsche SE direkt den Aktionären stellen – sprich den Familien Porsche und Piëch. Bei der Hauptversammlung von Volkswagen in der vergangenen Woche hatten sich die Familien hinter Vorstand und Aufsichtsrat gestellt.
Die nächsten wichtigen Termine im Finanzkalender stehen erst Ende Juli an: Am 26. Juli der Gerichtstermin bei Richter Charles Breyer und am 29. Juli will VW über das zweite Geschäftsquartal 2016 Bericht anlegen.
Was ist der Stand der Aufklärung?
Hier gibt es seit Ende April keine Neuigkeiten. Damals hatte der Konzern nicht nur den Rekordverlust für 2015, sondern auch die Grundsatz-Einigung in den USA verkündet. Um die Verhandlungen nicht zu gefährden, hat Volkswagen auf anraten der Anwälte den angekündigten Zwischenbericht der mit der Aufarbeitung beauftragten Kanzlei Jones Day nicht veröffentlicht. Bei der Hauptversammlung vergangene Woche beteuerten Müller und Pötsch erneut, dass sie gerne Ergebnisse präsentieren würden – dies aus verhandlungstaktischen Gründen aber nicht können.
Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass in den kommenden Wochen neue Details über die Verursacher des Skandals bekannt werden. Wenn etwas bei Volkswagen in den vergangenen Monaten funktioniert hat, dann war es der selbst auferlegte Maulkorb. Der Bericht wird jetzt für das letzte Quartal dieses Jahres erwartet.