VW-Abgas-Skandal VW einigt sich mit US-Behörden – im Grundsatz

Die krisengebeutelten VW-Manager können ein bisschen aufatmen: In wichtigen Eckpunkten des Abgasskandals hat Volkswagen eine Einigung mit den US-Behörden erzielt. Viele Fragen sind aber weiterhin offen.

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Richter bestätigt: VW erzielt Teileinigung mit US-Behörden

Volkswagen und die US-Behörden haben kurz vor dem Ablauf eines Ultimatums einen Kompromiss zur Lösung der Abgas-Krise in den Vereinigten Staaten ausgehandelt. Entsprechende Eckpunkte stellten die Parteien dem zuständigen US-Richter Charles Breyer bei einer Anhörung am Donnerstag zur Prüfung vor.

„Ich bin sehr angetan, mitteilen zu können, dass die Parteien einen konkreten Plan vorgelegt haben“, verkündete Breyer zum Auftakt der Gerichtsanhörung in San Francisco. Die Lösung umfasse die Option, dass VW einen Großteil der betroffenen Dieselwagen zurückkaufe und „substanziellen Schadensersatz“ an die Besitzer zahle. Zudem sei ein Umweltfonds vorgesehen.

Das Gericht gibt den Parteien für die Detailarbeit Zeit bis zum 21. Juni. Dann werden die Vereinbarungen auch erst öffentlich gemacht. Auch die Höhe der Strafen muss noch ausgearbeitet werden. Als neuer Gerichtstermin wurde der 26. Juli festgesetzt.

Der für Hunderte Zivilklagen wegen Verstößen gegen US-Gesetze zuständige Breyer hatte bis zum Donnerstag eine Lösung verlangt. Bereits vor der Anhörung gab es Berichte über eine mögliche Einigung. So hatte die „Welt“ unter Berufung auf Verhandlungskreise gemeldet, jeder US-Halter eines VW-Modells, das mit der „defeat device“ genannten Betrugs-Software ausgestattet sei, solle 5000 US-Dollar (gut 4400 Euro) an Entschädigung erhalten. Daneben kursierten aber auch andere Summen. Von VW gab es zunächst keine Stellungnahme.

Mit der Einigung hat VW quasi in letzter Minute einen langwierigen Prozess abgewendet. Die ursprüngliche Frist von Richter Breyer war bis Gründonnerstag gelaufen – im März konnten sich VW, die Kläger und Behörden allerdings auf eine annehmbare Lösung verständigen. Zum Teil haben die Wolfsburger sich die Verhandlungen mit den US-Behörden durch ihr undiplomatisches Auftreten jedoch selbst erschwert.

Die Zahl der Kunden ist in den USA mit rund 580.000 manipulierten Fahrzeugen zwar weitaus niedriger als die 8,5 Millionen in Europa. Die Folgekosten des Skandals in den USA, wo er ins Rollen kam, sind jedoch der größte Brocken.

Was bei Volkswagen im April wichtig wird

Die freiwillige Entschädigung der US-Kunden wird auch in Europa eine Diskussion entfachen. Verbraucherschützer fordern eine Gleichbehandlung der Kunden in den USA und Europa. „Wenn Volkswagen geschädigten Kunden in den USA 5000 Dollar zahlt, steigt die Ungerechtigkeit gegenüber deutschen Kunden“, sagte Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), am Donnerstag. „Auch betroffene VW-Kunden in Deutschland erwarten eine unkomplizierte Lösung“, sagte Müller. „Verbraucher dürfen nicht auf Schäden sitzen bleiben.“

VW kann jetzt die Kosten abschätzen

Die Einigung ist nicht nur wegen des damit aller Wahrscheinlichkeit nach vermiedenen Prozesses wichtig. Sie gilt auch als Grundlage für die Jahresbilanz 2015, die Volkswagen immer noch nicht vorgelegt hat. Ohne Einigung waren die Kosten und Rückstellungen nicht absehbar. Ob sie es mit der erzielten Grundsatz-Vereinbarung ohne genauen Details sind, war zunächst nicht klar. Am Freitag soll der Aufsichtsrat die Bilanz absegnen, als Veröffentlichungstermin ist der 28. April geplant.

Ob VW für 2015 einen Verlust ausweisen wird, hängt entscheidend von den Rückstellungen ab. Volkswagen hatte kurz nach Bekanntwerden des Skandals im September 2015 rund 6,7 Milliarden Euro für die Reparatur der weltweit rund elf Millionen manipulierten Dieselautos zurückgestellt. Die genauen Kosten für den Skandal, inklusive Rückkäufe, Entschädigungen und mögliche Strafzahlungen, stehen aber noch nicht fest.

Volkswagen selbst geht einem Insiderbericht zufolge in den USA derzeit offenbar von Rückstellungen in einer Größenordnung von zehn bis 20 Milliarden Euro aus. „Es gibt keine Indikation, die sehr deutlich oberhalb von 20 Milliarden Euro liegt“, sagte eine Person mit Kenntnis der Beratungen der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. „Aus dem, was wir bis jetzt wissen, sind es auf jeden Fall mehr als zehn Milliarden“, fügte der Insider hinzu. Eine weitere mit den Zahlen vertraute Person sagte, dies sei eine realistische Größenordnung.

Der Insider sagte weiter, die für die USA geschätzte Summe umfasse eine Entschädigung der Kunden, die Reparatur der manipulierten Fahrzeuge sowie eine mögliche Strafe durch das US-Justizministerium und eine Kompensation für den jahrelangen überhöhten Stickstoffausstoß. Darin seien die wegen der Reparatur der weltweit rund elf Millionen von Manipulation der Dieselabgaswerte betroffenen Fahrzeuge bereits zurückgestellten 6,7 Milliarden Euro enthalten. Denkbar wäre, dass die Gesamtsumme buchhalterisch auf zwei Jahre aufgeteilt werde, sagte die Person.

Wie VW die „Dieselgate“-Drahtzieher finden will

Sieben Monate nach Ausbruch des Dieselskandals bei Volkswagen sind mehr Fragen offen als beantwortet. Die in den vergangenen Wochen viel diskutierte Höhe der Boni-Zahlungen für die Manager ist noch genauso unklar wie die Anerkennugnsprämie für die Tarif-Arbeiter. Die größere Sorge der Beschäftigten ist, inwiefern sie die finanziellen Folgen des Skandals auszubaden haben. Betriebsratschef Bernd Osterloh befürchtet, dass es zu personellen Einschnitten bei der Hauptmarke VW kommen wird. Rund 3000 Stellen sollen bereits in der Konzernverwaltung abgebaut werden. Verträge von Leiharbeitern werden nicht verlängert.

Über allem steht auch noch die Schuldfrage: Die US-Kanzlei Jones Day soll bald einen Bericht über die Hintergründe und Verantwortlichen für „Dieselgate“ präsentieren. War es nur eine begrenzte Zahl von Ingenieuren, die auf eigene Faust die Software von Bosch oder Continental zur Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand manipulierten? Oder gaben Vorstände bis hin zum früheren VW-Chef Martin Winterkorn dafür grünes Licht? Müssen einige von den beurlaubten oder noch aktiven Vorständen deshalb gehen? Der Bericht sollte noch vor der Bilanzpressekonferenz am 28. April veröffentlicht werden. Aber auch das steht noch infrage.

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