Das ist noch nicht abzusehen – alleine schon, weil die Zahl an zivil- und strafrechtlichen Verfahren noch gar nicht bekannt ist. Rund um den Globus laufen Verfahren geschädigter Kunden, die je nach nationalem Recht mit mehr oder weniger großen Chancen um eine Entschädigungszahlung oder die Rücknahme ihres Wagens kämpfen.
Auch die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt noch – und wird wohl frühestens 2017 entscheiden, ob und wann die Ermittlungsverfahren in einer Anklage münden. Sollte es aber etwa in dem Verfahren um die kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht zu einem Gerichtsprozess kommen, dürfte der nicht schnell ausgestanden sein. Der Porsche-Prozess in Stuttgart hat zuletzt gezeigt, wie schwer solche internen Vorgänge hieb- und stichfest nachzuweisen sind.
Was ist schon von dem angekündigten Kulturwandel zu spüren?
Hier kann es nur schwer eine eindeutige Antwort geben. Eine Unternehmenskultur ist kaum messbar – und genauso schwer umzusetzen. Erste Auswirkungen der von Matthias Müller angestoßenen Reformen werden aber bereits sichtbar: Anders als sein Vorgänger Martin Winterkorn hält sich Müller aus einzelnen Produktfragen raus.
Das geht sogar so weit, dass die Entwickler des kommenden Midsize-SUVs, das im November vorgestellt werden soll, ungeahnte Freiheiten bekommen haben. Damit konnten sie – Baukasten-Strategie hin oder her – den Wagen auf die Wünsche und Gewohnheiten der US-Kunden anpassen. Ein Beispiel wäre das Navigationssystem, das US-Kunden anders nutzen als Europäer – eine leicht andere Programmierung und Bedienlogik schafft hier Abhilfe. Klingt nach einer Kleinigkeit, war aber früher in Wolfsburg undenkbar.
Es gibt aber auch andere Eindrücke: Als Volkswagen Anfang Juni diesen Jahres den Einstieg bei dem Fahrtenvermittler Gett bekannt gab – und quasi zum ersten Mal seit Monaten etwas Positives zu vermelden hatte – war gleich wieder das alte VW-Selbstbewusstsein zurück. Jetzt, da Volkswagen in den Mobilitätsmarkt einsteige, hätten sich massenhaft Fachkräfte anderer Autobauer in Wolfsburg beworben, war zu hören. Frei nach dem Motto: „Seht her, wir sind wieder wer!“ Die Demut war wie weggeblasen – und der alte Geist zurück.
Wer hat noch alles gemogelt?
Gegenfrage: Was ist mogeln? Wenn es darum geht, den zumindest in der EU gültigen Rechtsrahmen so zu biegen und zu verzerren, dass vollkommen unrealistische, aber rechtlich gerade noch vertretbare Abgas- und Verbrauchswerte auf dem Prüfstand gemessen werden, dann mogeln wohl fast alle Autobauer. In Nachtests in verschiedenen Ländern waren diverse Autos auffällig – zum Beispiel von Daimler, Opel und Renault. Ein „Defeat Device“ à la VW wurde aber bei keinem der auffälligen Autos nachgewiesen.
Wenn es beim Mogeln darum geht, auch eine illegale Abschaltvorrichtung zu verwenden, dann muss Fiat erwähnt werden. In einem auf Ende August datierten Brief an die EU-Kommission schreibt das Bundesverkehrsministerium, dass der „Nachweis des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung erbracht“ sei. Die Untersuchungen führte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Auftrag des Ministeriums durch.
Konkret kritisiert das Ministerium bei mehreren getesteten Fahrzeugen sowohl eine „Abschaltung der Abgasrückführung“ als auch einen speziellen Stickoxid-Katalysator, der nach wenigen Reinigungszyklen abgestellt wird. „Die Ansicht der italienischen Typgenehmigungsbehörde, die Abschalteinrichtung werde aus Gründen des Motorschutzes verwendet, kann Deutschland nicht teilen“, heißt es in dem Brief.
Noch ist der Vorwurf aus Berlin für Fiat ohne Folgen geblieben – Ausgang offen.
Einzig in Japan gab es noch einen vergleichbaren Vorgang: Mitsubishi hat zugegeben, über Jahre CO2- und Verbrauchstests manipuliert zu haben. Allerdings waren fast nur in Japan verkaufte Modelle betroffen – die Dimension des VW-Betrugs hat Mitsubishi nicht erreicht.