VW-Abgas-Skandal Welchen Einfluss Katar bei Volkswagen hat

Am Wochenende musste VW-Chef Müller beim katarischen Staatsfonds zum Rapport antreten – offiziell war es sein Antrittsbesuch. Was wollen die Scheichs bei den Wolfsburgern? Und welchen Einfluss haben sie? Eine Analyse.

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VW-Chef Matthias Müller: Antrittsbesuch in Katar. Quelle: AP

Nein, in Katar ist man keineswegs erfreut über den Abgasskandal bei Volkswagen. Die Kataris sorgen sich dabei weniger um die Umwelt oder die künftigen Absatzmöglichkeiten für ihr Öl, sondern vielmehr um ein Milliarden-Investment. Der Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA) ist der drittgrößte VW-Aktionär. Als die Aktie im Zuge von Dieselgate abstürzte, machte sich das in den Büchern des Golfstaats nicht gut.

Am Wochenende musste die neue VW-Führung um Konzernchef Matthias Müller nach Katar reisen, um die Wogen zu glätten und den verschnupften Großaktionär zu beruhigen.

Was ist am Wochenende geschehen?
Inmitten der VW-Abgasaffäre ist der neue Konzernchef Matthias Müller in das arabische Emirat Katar gereist, um sich einem seiner wichtigsten Aktionäre vorzustellen. "Es handelt sich um einen Antrittsbesuch der neuen Konzernführung, der dem Austausch mit einem wichtigen Partner des Unternehmens dient", sagte ein Firmensprecher am Sonntag. Laut einem Bericht der "Bild am Sonntag" sind mit Müller auch Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und mit Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch auch zwei Vertreter der VW-Eigentümerfamilien an den Persischen Golf geflogen.

Worüber wurde gesprochen?
Angaben zum Inhalt der Gespräche gibt es offiziell nicht. Dem Vernehmen nach sollen die Kataris aber nicht nur über das Milliarden-Loch in ihrer Kasse entzürnt sein. Laut "Bild am Sonntag" wollte Katar bei dem Treffen am Sonntag auch strukturelle Veränderungen bei Volkswagen fordern. So solle der Einfluss des VW-Betriebsrats auf unternehmerische Entscheidungen zurückgedrängt werden. In den USA werde von VW eine milliardenschwere "Investitionsoffensive E-Mobilität" verlangt. Bei Volkswagen hieß es dazu, das Thema Mitbestimmung und Betriebsrat habe bei den Gesprächen nicht auf der Agenda gestanden. Bei der Qatar Investment Authority war dazu am Sonntag kein Kommentar zu erhalten.

Das neue Who is Who im VW-Konzern
Stefan Knirsch Quelle: Audi
Hinrich Woebcken Quelle: dpa
Neuer Generalbevollmächtigter für die Aggregate-Entwicklung: Ulrich EichhornVolkswagen hat einen neuen Koordinator für die Aggregate-Entwicklung auf Konzernebene. Der WirtschaftsWoche bestätigte Ulrich Eichhorn, dass er im Frühjahr zu VW zurückkehrt. Der 54-Jährige kommt vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), wo er die Verantwortung für die Bereiche Technik und Umwelt inne hatte. Zuvor war Eichhorn neun Jahre lang Entwicklungsvorstand bei der VW-Tochter Bentley. Eichhorn wird nicht Mitglied des Vorstands, sondern berichtet als Generalbevollmächtigter direkt an VW-Chef Matthias Müller – ähnlich wie der neue Chef-Stratege Thomas Sedran. Quelle: Presse
Der neue Generalbevollmächtigte für Außen- und Regierungsbeziehungen: Thomas StegEs ist kein Wechsel der Funktion, sondern der Zuordnung: Thomas Steg ist seit 2012 Generalbevollmächtigter des Volkswagen-Konzerns für Außen- und Regierungsbeziehungen. Bislang war dieser Bereich Bestandteil der Konzernkommunikation. Jetzt ist das Team um Steg als eigenständiger Bereich in das Ressort von VW-Chef Matthias Müller zugeordnet, an den Steg persönlich berichtet. Der diplomierte Sozialwissenschaftler wird zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit verantworten. „Mit der Bündelung der Konzernzuständigkeiten und der neuen Zuordnung des Themas Nachhaltigkeit trägt Volkswagen dessen wachsendem Gewicht Rechnung“, teilte der Konzern mit. Steg begann seine berufliche Laufbahn 1986 als Redakteur der Braunschweiger Zeitung. Danach war er Pressesprecher zunächst des DGB Niedersachsen/Bremen, ab 1991 des Niedersächsischen Sozialministeriums und ab 1995 der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen. 1998 übernahm er im Bundeskanzleramt die stellvertretende Leitung des Büros von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ab 2002 war er stellvertretender Regierungssprecher, ab 2009 selbstständiger Kommunikationsberater. Quelle: Presse
Der neue VW-Entwicklungsvorstand: Frank WelschKurz nach dem Bekanntwerden von Dieselgate wurde der Entwicklungsvorstand der Marke VW, Heinz-Jakob Neußer, beurlaubt. Bei der Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember ernannte das Kontrollgremium Frank Welsch zu seinem Nachfolger. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur ist seit 1994 im Konzern. Über verschiedene Stationen in der Karosserie-Entwicklung, als Entwicklungsleiter in Shanghai und Leiter der Entwicklung Karosserie, Ausstattung und Sicherheit der Marke Volkswagen arbeitete er sich zum Entwicklungsvorstand von Skoda hoch. Diesen Posten hatte Welsch seit 2012 inne.Sein Vorgänger Neußer verlässt den Konzern allerdings nicht, sondern steht laut VW-Mitteilung "dem Unternehmen für eine andere Aufgabe zur Verfügung". Quelle: Volkswagen
Der neue VW-Beschaffungsvorstand: Ralf BrandstätterRalf Brandstätter wird Vorstand für Beschaffung der Marke Volkswagen. Der 47-Jährige folgt in seiner neuen Funktion auf Francisco Javier Garcia Sanz, der die Aufgabe als Markenvorstand in Personalunion zusätzlich zu seiner Funktion als Konzernvorstand für den Geschäftsbereich Beschaffung wahrgenommen hatte. In Zukunft wird Garcia Sanz zusätzlich zu seinen Aufgaben als Konzernvorstand Beschaffung die Aufarbeitung der Diesel-Thematik betreuen. Brandstätter kam 1993 in den Konzern. Seit dem ist der Wirtschaftsingenieur in verschiedensten Posten für die Beschaffung verantwortlich gewesen, zuletzt als Leiter Beschaffung neue Produktanläufe. Zwischenzeitlich war er auch Mitglied des Seat-Vorstands. Seit Oktober 2015 ist Brandstätter auch Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG. Brandstätter berichtet wie der ebenfalls neu berufene Entwicklungschef Frank Welsch direkt an VW-Markenvorstand Herbert Diess. Quelle: Volkswagen
Neuer VW-Personalvorstand: Karlheinz BlessingMitten in der größten Krise der Konzerngeschichte bekommt Volkswagen mit dem Stahlmanager Karlheinz Blessing einen neuen Personalvorstand. Der Aufsichtsrat stimmte am 9. Dezember bei seiner Sitzung dem Vorschlag der Arbeitnehmerseite für den vakanten Spitzenposten bei Europas größtem Autobauer zu. Blessing folgt damit auf den bisherigen Personalvorstand Horst Neumann, dieser war Ende November in den Ruhestand gegangen. Der Ernennung war eine lange Suche nach einem geeigneten Kandidaten vorausgegangen. Blessing (58) ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Stahlherstellers Dillinger Hütte. Zuvor war er Büroleiter des damaligen IG Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler und Anfang der 1990er Jahre Bundesgeschäftsführer der SPD. 1993 ersetzte er als Arbeitsdirektor bei der Dillinger Hütte Peter Hartz, der damals zu VW nach Wolfsburg ging. Blessing sei gut in der IG Metall vernetzt, habe aber auch unternehmerische Erfahrung, hieß es in den Konzernkreisen. Quelle: dpa

Welchen Einfluss hat Katar in Wolfsburg?
Dem Staatsfonds QIA gehören 17 Prozent der VW-Stammaktien mit Stimmrecht. Zudem hält der Staatsfonds einen großen Teil der Vorzugsaktien. Diese haben im Gegensatz zu den Stammaktien keine Stimmrechte, dafür entfällt auf die Vorzugsaktien eine höhere Dividende. Damit ist der Staatsfonds der drittgrößte Einzelaktionär bei den Stammaktien: Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte Porsche Automobil Holding PSE hält 50,73 Prozent, das Land Niedersachsen 20,0 Prozent und nach den 17 Prozent von QIA befinden sich 12,27 Prozent in Streubesitz. Katar hatte 2009 im Zuge der Übernahme von Porsche seinen Anteil auf 17 Prozent erhöht. Zudem sitzen zwei Vertreter des Emirats im 20-köpfigen Aufsichtsrat von Volkswagen. In dem Machtkampf Piëch-Winterkorn im Frühjahr hatte sich die QIA neutral verhalten – man hielt Winterkorn nicht mehr für tragbar, rügte aber auch den unabgestimmten Alleingang Piëchs. Auf der Hauptversammlung im Mai hat das Emirat zudem eines seiner Aufsichtsratsmitglieder ausgetauscht.

Mit 17 Prozent liegt Katar nahe dem 20-Prozent-Anteil von Niedersachsen. Wollen die Kataris ihren Anteil erhöhen?
Eher nicht. Im Oktober kamen zwar entsprechende Gerüchte auf, das Emirat kaufe heimlich Aktien zu. Als Indiz dafür galt, dass sich die Stammaktien deutlich schneller von dem Kursrutsch erholten als die Vorzugsaktien – eigentlich ein Indiz für einen laufenden Übernahmeversuch. Andere Gerüchte besagten jedoch, die Porsche Holding habe ihre Anteile weiter aufgestockt. Bis heute ist aber keine Änderung der Aktionärsverteilung publik geworden.

Aktionärsverteilung der Volkswagen AG

Als wahrscheinlicher gilt, dass der massive Kursanstieg durch Short-Seller ausgelöst wurde, die auf weiter fallende Kurse bei VW gesetzt hatten. Da der VW-Kurs nun aber über Tage stieg, waren sie gezwungen, ihre Positionen glatt zu stellen. Das ist jedoch schwierig, da die Stammaktien – im Gegensatz zu den stimmrechtslosen Vorzugsaktien – kaum gehandelt werden.

Was passiert, wenn Katar doch auf 20 Prozent erhöht?
Dann hätte das Emirat de facto eine Sperrminorität und damit die gleichen Rechte wie das Land Niedersachsen. Laut dem VW-Gesetz müssen wichtige Entscheidungen auf der Hauptversammlung mit vier Fünfteln der Stimmen plus eine Aktie getroffen werden müssen. Jeder, der exakt 20,00 Prozent der Stammaktien hält, könnte also so Entscheidungen wie eine Kapitalerhöhung blockieren. Das würde dann auch für die Vertreter des Emirates gelten. Zwei wichtige Sonderregelungen für das Land Niedersachsen – der Bund und Niedersachsen konnten je zwei Vertreter im Aufsichtsrat von Volkswagen stellen, die Stimmrechte der Aktionäre waren unabhängig von ihrem Aktienanteil auf 20 Prozent begrenzt – waren nach dem EuGH-Urteil 2007 aus dem VW-Gesetz gestrichen worden.

Wie sind die Kataris finanziell von Dieselgate betroffen?
Auch wenn sich die Papiere in den vergangenen Tagen wieder etwas erholt haben, sollen die Scheichs nach früheren Informationen aus VW-Konzernkreisen schwer verärgert sein, denn der Kurssturz infolge des Abgasskandals hat zu einem Buchverlust in Milliardenhöhe geführt. Zudem würden sinkende Gewinne bei Volkswagen wohl auch niedrigere Dividendenzahlungen bedeuten.

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