VW-Abgas-Skandal Wie eng wird es für Winterkorn?

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Winterkorns Image wird zum Bumerang

Oder auch die Frage, wann und wie Winterkorn zum ersten Mal vom Abgas-Thema erfahren hat. Da kommt der erwähnte Brief aus dem Mai 2014 ins Spiel. Winterkorns ausführlicher Postmappe für das Wochenende lag am 23. Mai 2014 eine Notiz bei, dass es Unregelmäßigkeiten bei Abgaswerten von Dieselautos mit dem Motor EA189 in den USA gab – im Kern gehen diese Informationen auf eine Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) zurück, die den Skandal am Ende ins Rollen brachte.

von Andreas Macho, Sebastian Schaal

In der Notiz sei es jedoch nicht um mögliche Risiken oder die Ursache der auffälligen Stickoxid-Emissionen gegangen, betonte VW bereits vor knapp einem Jahr. „Ob und inwieweit Herr Winterkorn von dieser Notiz damals Kenntnis genommen hat, ist nicht dokumentiert“, erklärte der Konzern weiter. Sprich: Ob Winterkorn den Vermerk nicht gelesen oder ignoriert hat, ist unklar.

Viele Fragen sind noch offen. Ob Winterkorn diese Fragen beantworten kann und wird, zeigt sich am Donnerstag. Auch wenn er keine Antwort gibt, wird womöglich von anderer Seite etwas Licht ins Dunkel gebracht: Der Ausschuss hat neben Winterkorn auch die Manager Gerwin Postel (VW), Axel Eiser (Audi), Andreas Dirndorf (Opel), VDA-Präsident Matthias Wissmann, Jakob Seiler (beim VDA unter anderem für das Thema Emissionen zuständig) und Eckart von Klaeden geladen. Der frühere CDU-Politiker und Kanzleramtsminister ist seit drei Jahren Cheflobbyist des Daimler-Konzerns. Bei den Vernehmungen der drei Letztgenannten dürfte es dem Ausschuss vor allem um deren Einfluss auf die europäische Abgasgesetzgebung und deren Überwachung gehen.

Bei seiner Aussage sollte Winterkorn bei der Wahrheit bleiben, selbst wenn der Ausschuss kein Gerichtsverfahren ersetzt. Denn ein Untersuchungsausschuss hat das Recht, im Falle einer „ungerechtfertigten Zeugnisverweigerung“ ein Ordnungsgeld festzusetzen. Und wie vor Gericht droht bei Falschaussage eine Strafe.

Winterkorn pflegte jahrelang sein Image vom Technik-Freak, vom detailversessenen Tüftler und Top-Manager, der jede wichtige Entscheidung selbst trifft. Das hat zumindest in der Öffentlichkeit die Beteuerung seiner Unwissenheit unglaubwürdig wirken lassen. Die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss wird bei Weitem nicht das Ende, sondern erst der Anfang der detaillierten Aufarbeitung des milliardenschweren Abgas-Skandals sein. Die Politik legt vor, vermutlich werden eines Tages die Gerichte nachziehen.

Eines ist aber schon jetzt klar: Es wird ernst für Martin Winterkorn.

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