Volkswagens mit US-Klägern ausgehandelter Milliarden-Vergleich in der Abgasaffäre trifft bei den geschädigten Kunden auf breite Zustimmung. Über 200.000 Dieselbesitzer hätten sich bereits registriert, um das Angebot anzunehmen, teilten Klägeranwälte am Donnerstag (Ortszeit) mit. „Tausende weitere registrieren sich täglich“, sagte Elizabeth Cabraser von der Kanzlei Lieff Cabraser Heimann & Bernstein, die das Komitee der Klägeranwälte leitet.
Der hohe Zuspruch in so kurzer Zeit sei ein starkes Zeichen, dass die außergerichtliche Einigung gelinge, sagte Steve Berman von der Kanzlei Hagens Berman. Seiner Einschätzung nach dürfte mit der bisherigen Zustimmung bereits eine kritische Masse erreicht sein, um den Vergleich zu schließen.
VW hatte sich mit Hunderten Klägern im US-Rechtsstreit um rund 480.000 Dieselwagen, die mit einer Software zur Manipulation von Abgaswerten ausgestattet wurden, auf einen Vergleich von bis zu 14,7 Milliarden Dollar (13,0 Milliarden Euro) geeinigt. Ende Juli hatte das zuständige US-Gericht seine vorläufige Zustimmung dazu gegeben. Entscheidend ist nun, dass die Kunden die Lösung auch akzeptieren.
Die Milliarden-Buße für VW im Überblick
Der Konzern hat mit US-Klägern einen Vergleich ausgehandelt. Demnach muss VW die knapp 15 Milliarden Dollar für verschiedene Dinge ausgeben: für einen Umweltfonds und die Förderung von emissionsfreien Autos etwa. Der weitaus größte Teil wird aber an Kunden fließen, die in den USA einen manipulierten VW oder Audi besitzen.
Die reine Entschädigung für Autobesitzer soll zwischen 5100 und knapp 10.000 Dollar pro Fahrzeug liegen. Das kommt darauf an, wie alt das Auto ist. Zusätzlich muss der Konzern den Kunden anbieten, ihre Autos zurückzukaufen. Die Diesel-Besitzer sollen dabei so viel Geld bekommen, wie ihr Auto vor Bekanntwerden der Manipulationen wert war.
Jein. Generell haben US-Kunden eine Wahlmöglichkeit: Entweder Rückruf mit einer Nachbesserung oder Rückkauf, also Rückgabe. Diese Varianten stehen in Deutschland und Europa nicht zur Auswahl. Dafür hat der Rückruf hierzulande schon begonnen und in den nächsten Wochen soll er weiter Fahrt aufnehmen, so dass zum Jahresende alle 2,5 Millionen Diesel in Deutschland nachgebessert sein könnten. In den USA hat VW bis Mai 2018 Zeit, um sich technische Nachbesserungslösungen von den Behörden absegnen zu lassen. Das gilt dort als deutlich kniffliger.
Wahrscheinlich nicht viel. Volkswagen hat wiederholt betont, dass eine Entschädigung wie in den USA in Europa und damit auch in Deutschland nicht infrage komme. Vorstandschef Matthias Müller selbst hat das mehrfach ausgeschlossen. Verbraucherschützer kritisieren, dass Kunden in den USA mehr bekommen sollen. Einige Anwaltskanzleien haben sich zum Ziel gesetzt, auch für betroffene Autobesitzer in Europa Schadenersatz zu erstreiten. Die Erfolgsaussichten sind aber aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme ungewiss.
Nein. Zum einen müssen sich nicht alle Kläger in den USA einem Vergleichsvorschlag anschließen und können individuell weiter klagen. Auch von drei US-Bundesstaaten sind inzwischen Klagen eingegangen. Zum anderen muss VW auch außerhalb der USA viele Verfahren bewältigen. In Deutschland fordern ebenfalls Kunden Entschädigungen oder Rückkäufe. Gerichte haben hier in ersten Instanzen unterschiedlich geurteilt. Zudem fühlen sich zahlreiche VW-Aktionäre von dem Konzern zu spät über die Manipulationen informiert. Sie wollen sich Kursverluste erstatten lassen.
VW bietet den Dieselbesitzern in den USA je nach Modelltyp und Baujahr zwischen 5100 und 10.000 Dollar pro Fahrzeug als Entschädigung. Zudem muss der Konzern Rückkauf oder Umrüstung der Dieselwagen in einen gesetzeskonformen Zustand anbieten. In Deutschland und anderen Ländern sträubt der Konzern sich bislang gegen vergleichbare Angebote zur Wiedergutmachung. Weltweit sind etwa elf Millionen Dieselwagen vom Abgas-Skandal betroffen.
US-Richter Charles Breyer will am 18. Oktober verkünden, ob er dem Milliarden-Vergleich endgültig zustimmt. Vor allem die Frage, wie viele VW-Kunden die Entschädigung annehmen wollen, dürfte ihn interessieren. Um die Umrüstung von weiteren etwa 85.000 größeren Fahrzeugen mit 3,0-Liter-Motoren, die ebenfalls eine verbotene Abgas-Software an Bord haben, ringt VW noch mit den US-Behörden.
Bei den größeren Motoren mit drei Litern Hubraum hatte die kalifornische Umweltbehörde Carb vor mehreren Wochen einen Reparaturplan von Volkswagen abgelehnt. Später machte sie Volkswagen dann Hoffnung, auch die Reparatur dieser größeren Motoren könnte genehmigt werden. In den USA sind davon Modelle wie der VW Touareg, der Porsche Cayenne und der Audi A8 betroffen.
Aber auch bei einem Vergleich ist der Streit mit den US-Behörden für VW nicht ausgestanden. Denn mit dem US-Justizministerium verhandeln die Wolfsburger noch über eine Beilegung der strafrechtlichen Ermittlungen. Analysten erwarten, dass Volkswagen für seine Manipulation der Abgaswerte eine Rekordstrafe zahlen muss. Toyota hatte wegen klemmender Gaspedale mit 1,2 Milliarden Dollar die bisher höchste Strafe eines Autobauers in den USA geleistet.
Wegen der zahlreichen rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit dem Abgasskandal hatte der Konzern seine Rückstellungen unlängst um 1,6 Milliarden Euro auf 17,8 Milliarden aufgestockt. Davon wird ein großer Teil durch den Vergleich mit Behörden und Privatklägern in den USA verschlungen.
Auch mit den verärgerten US-Händlern steht VW offenbar vor einer Einigung: Wegen des Abgasskandals zahlt Volkswagen seinen rund 650 Händler Entschädigungen über insgesamt mindestens 1,2 Milliarden Dollar. Das erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag von zwei mit der Sache vertrauten Personen. Außerdem habe sich der Konzern zu bestimmten Erfolgsprämien für Händler bereiterklärt. Zuvor hatten der Autobauer und ein Anwalt der Händler bekanntgegeben, dass es eine Grundsatzvereinbarung gebe, ohne Details zu nennen. Die Händler waren nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals vor fast einem Jahr auf den Dieselautos sitzengeblieben.