VW Die drei Probleme des Martin Winterkorn

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Audi geht es kaum besser als VW

Der Tochter Audi geht es kaum besser. „Wurden vom Kompaktauto A3 im November noch über 3000 Fahrzeuge hergestellt, waren es von März bis Mai insgesamt nur etwa 1200 Fahrzeuge“, sagt Branchenkenner Siebert. Audi-Händler berichten von Nachfrageeinbrüchen, von Rabatten bis zu 30 Prozent auf Neuwagen und von Schließungen einzelner Händler.

Der VW-Konzern bestätigt sinkende Auslastungen in seinen 20 chinesischen Fahrzeug- und Komponentenwerken. Allerdings sei dies eine „bewusste Normalisierung der Produktion“ in Werken, die zuvor am Anschlag produziert hätten. Rückgänge der A3-Produktion begründet VW mit der planmäßigen Umstellung eines Werks auf ein neues Modell.

Besonders erfinderisch macht die Not die VW-Manager in Russland, wo die Nachfrage nach Modellen der Wolfsburger seit Jahresbeginn um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen ist.

In Russland und Brasilien baut VW Personal ab

Bereits im Frühjahr gaben die Wolfsburger bekannt, einen Teil der in Russland gefertigten Motoren nach Europa liefern zu wollen. Bisher exportierte VW nur in andere ehemalige Sowjetrepubliken. Gleichzeitig schickt VW möglichst viele russische Mitarbeiter nach Hause. „Seit 2014 wird auf Leiharbeiter verzichtet“, sagt Dmitri Trudwoj, Gewerkschaftsmitglied und Mitarbeiter im VW-Werk in Kaluga bei Moskau.

Angehörige der Stammbelegschaft wiederum versuchen die Wolfsburger loszuwerden, indem sie ihnen knapp sechs Monatsgehälter (umgerechnet 3600 bis 4200 Euro) als Abfindung bieten, wenn sie freiwillig gehen. So wurde VW bereits etwa 400 von 3500 Mitarbeitern los. Zudem seien derzeit etwa 120 Mitarbeiter zu einem sogenannten Betriebspraktikum in den Werken Emden und Zwickau im Einsatz, sagt Gewerkschafter Trudwoj. „Nominell ist es ein Praktikum, tatsächlich wird so auch ein Teil der freien Arbeiter einfach woanders eingesetzt.“

In Brasilien entlässt der Konzern Mitarbeiter, ordnet Kurzarbeit an, verabschiedet Beschäftigte mit Sozialplänen oder verdonnert die Belegschaft zu Werksferien. Inzwischen streiken die Mannschaften in zwei Werken gegen den Stellenabbau.

Die Probleme, die nun durch die Krisen in den Regionen aufpoppen, wird VW-Chef Martin Winterkorn mit den Rettungsaktionen nicht beseitigen können. Dazu sind die Fehlentwicklungen von zu grundsätzlicher Art. So fährt Winterkorn in China einen sagenhaften Wachstumskurs, der für 2019 fünf Millionen verkaufte Autos, rund eine Million mehr als heute, und 30 000 neue Jobs vorsieht, ein Plus von über 40 Prozent. Dazu soll VW gemeinsam mit den chinesischen Joint-Venture-Partnern 22 Milliarden Euro im Reich der Mitte investieren, einen Großteil davon in neue Fabriken. Die Zusammenarbeit mit dem langjährigen chinesischen Partner-Autobauer FAW wurde gerade um 25 Jahre verlängert.

Obwohl VW von den Absatzeinbrüchen „sehr überrascht“ worden sei, sagt ein Konzerninsider, bleibe es bei den angekündigten Investitionen und würden 2015 die geplanten 60 neuen oder überarbeitete Modelle in China eingeführt.

Die Baustellen des VW-Konzerns
VW in den USA Quelle: dpa
Winterkorn mit dem Chinesischen Vize-Premier Ma Kai Quelle: obs
VW Quelle: dpa
MAN Quelle: dapd
Hauptwerk in Wolfsburg Quelle: dpa

Doch all diese Planungen beruhen auf den glänzenden Geschäften in der Vergangenheit: Während die Marke Volkswagen dem Konzern bis zuletzt nur einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von durchschnittlich gut zwei Prozent des Umsatzes bescherte, brachte sie in China je nach Werk zwischen 15 und 19 Prozent.

VW braucht dringend ein Billigauto

Diese paradiesischen Zustände nähern sich nun aber ihrem Ende. Das belegen Prognosen der Marktforscher von IHS in Frankfurt, wonach VW bis 2018 nur noch mit einem Fünftel bis einem Viertel des bisherigen Wachstums rechnen kann. Damit wird eine Revision der Investitionspläne unvermeidlich, zumal die chinesischen Hersteller den ausländischen Konzernen Geschäft wegnehmen.

In dieser Situation bräuchte VW dringender denn je ein Billigauto. Doch weil die VW-Ingenieure bis heute kein weltweit wettbewerbsfähiges Kleinauto zustande bekamen, lassen die Wolfsburger südostasiatische Zukunftsmärkte wie Indien oder Indonesien mit insgesamt rund 1,8 Milliarden Einwohnern seit Jahren brachliegen.

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