VW-Aufsichtsrätin Ursula Piëch Die mächtigste Frau der deutschen Wirtschaft

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Weitsichtige Personalpolitik

Sollte: Wie der Patriarch im Gespräch andeutet, ist die Konstellation für die Zeit nach seinem Ableben noch nicht sattelfest. Einige seiner Kinder aus früheren Ehen haben Einsprüche gegen die Pläne erhoben. Jetzt muss alles neu aufgesetzt werden. Piëch: „Ich bin noch am Konstruieren.“ Grund zur Eile sieht der 77-Jährige nicht: Seine Mutter wurde immerhin 94 Jahre alt.

Auch Ursula Piëch hofft, dass ihr noch viel Zeit an der Seite ihres Mannes bleibt – Zeit, die sie nutzen könnte, um ihre Verbindungen zu vertiefen. Die Macht, die Ferdinand Piëch im Konzern hat, speist sich schließlich nicht allein aus seiner Position als Chef des Aufsichtsrats und seinem Aktienpaket. Sie ist auch eine Folge einer weitsichtigen Personalpolitik.

Der auf Außenstehende unübersichtlich wirkende Riesenkonzern mit zwölf Marken, 570 000 Mitarbeitern und 106 Fabriken in 27 Ländern wird vom Aufsichtsratsvorsitzenden und einer Handvoll Vertrauten gesteuert. Stadler, einst Leiter des Generalsekretariats von Piëch in Wolfsburg, ist heute Vorstandschef von Audi. Martin Winterkorn, der in der Ära Piëch bei VW unter anderem Produktmanagement und Qualitätssicherung leitete, ist heute Konzernchef. Ulrich Hackenberg, der Rolls-Royce Bentley Motor Cars nach dem Kauf durch VW zusammen mit Piëch restrukturierte, leitet heute die Audi-Entwicklung.

Große Sparpläne

Zum Kreis der Piëch-Vertrauten zählen ferner Konzern-Designchef Walter Maria de Silva, VW-Einkaufsvorstand Francisco Garcia Sanz und China-Chef Jochem Heizmann. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, VW durch einen Ausbau von Produktion und Produktpalette sowie Zukäufe zum profitabelsten und größten Autohersteller der Welt zu machen, mit einem Absatz von fast zehn Millionen Fahrzeugen pro Jahr und einer Umsatzrendite von acht Prozent.

Dass der Weg dorthin kein Spaziergang wird, zeigt die Brandrede, die Winterkorn dieser Tage bei einer Führungskräftetagung in Wolfsburg hielt: „Wir müssen“, mahnte er mit Blick auf steigende Entwicklungs- und Vertriebskosten bei sinkenden Renditen, „in den Jahren 2014, 2015, 2016 finanziell auf Zielkurs kommen. Denn ohne entsprechende finanzielle Basis wird und muss jede Strategie scheitern.“ Bis 2017 seien fünf Milliarden einzusparen – durch Maßnahmen, die „deutlich, wirksam und auch schmerzhaft sind.“

Was auf Winterkorns To-Do-Liste steht
Sind die gesteckten Ziele zu halten?Bis 2018 will Martin Winterkorn den Volkswagen-Konzern zum größten Autohersteller der Welt machen und an Toyota und General Motors vorbeiziehen. Auf der Präsentation der Bilanz im März 2014 sagte er, die Chancen stünden gut, schon 2014 die magische Marke von 10 Millionen Fahrzeugen zu knacken. Spätestens 2018 will der VW-Chef eine Rendite von 8 Prozent erreichen. Dieses Ziel ist dem Manager offenbar wichtiger, als Absatz-Primus zu werden. Als wichtigste Effizienzmaßnahme gilt die Einführung des Baukastensystems, bei dem möglichst viele gleiche Teile für verschiedene Modelle verwendet werden. Das Prinzip gilt als zukunftsweisend für die gesamte Branche. Allerdings... Quelle: dpa
Querbaukasten spart nicht so viel Geld, wie erhofft... ist von den erhofften Einsparungen noch nichts zu sehen. In der im März vorgelegten Bilanz waren sie jedenfalls nicht zu entdecken. Stattdessen kostet die Einführung des Systems den Konzern bis 2018 Investitionen in Höhe von 84 Milliarden Euro. Auf Basis der MQB (Modularer Quer-Baukasten) sollen über 30 Modelle der Kompakt- und Mittelklasse auf den Markt kommen. Volkswagen hatte sich eine Senkung von Stückkosten und Einmalaufwendungen für Werkzeuge um jeweils 20 Prozent erhofft. Quelle: dpa
Absatzrückgang in den USA und BrasilienSeit 13 Monaten in Folge kämpft Volkswagen bei seiner Kernmarke VW mit abnehmenden Verkäufen in den USA. Im April 2014 waren es gut 8 Prozent weniger - immerhin fiel der Rückgang nicht mehr zweistellig aus. Als Grund für die Absatzflaute gilt, dass VW die Modelle in den USA nicht rasch genug überarbeitet. Auch in Brasilien brachen die Auslieferungen im April ein - um fast 18 Prozent. Einziger Trost: Für Premium-Tochter Audi lief es gut. Die Ingolstädter konnten auf dem amerikanischen Markt im April 19 Prozent mehr Autos verkaufen als im Vorjahresmonat und setzen damit ihre Erfolgsfahrt fort. Allerdings fährt Audi der deutschen Konkurrenz BMW und Daimler auf dem US-Markt noch immer hinterher. Quelle: dpa
Scania - Übernahmedebakel mit Happy EndIm ersten Anlauf war Volkswagen mit der Komplettübernahme von Scania gescheitert. Bis zum Ablauf der Frist konnte sich VW nur 25,62 Prozent der Scania-Aktien der anderen Anteilseigner sichern und kontrollierte damit einschließlich der bereits gehaltenen Papiere lediglich 88,25 Prozent, statt angestrebter 90. Nun hat es aber doch noch geklappt. Am Morgen des 13.5, pünktlich zur VW-Hauptversammlung, kommt die frohe Kunde aus Schweden: Der schwedische Fonds Alecta will seine 16,3 Millionen Papiere an die Wolfsburger verkaufen. Damit hätte VW die 90-Prozent-Hürde genommen. Der Konzern muss allerdings noch die offizielle Finanzmarktinformation von Alectas abwarten. VW hatte 200 schwedische Kronen je Aktie geboten. Insgesamt lässt sich Winterkorn die Komplettübernahme 6,7 Milliarden Euro kosten. Scania gilt in Schweden als eine der letzten Ikonen, die Verhandlungen hatten sich über Wochen hingezogen. Die Wolfsburger wollen durch die Übernahme einen neuen Nutzfahrzeug-Giganten gemeinsam mit Tochter MAN schmieden. Quelle: REUTERS
Wo ist die Elektro-Strategie?Das Ein-Liter-Auto XL 1 ist zweifelsohne ein Hightech-Ökomobil, das seines gleichen sucht. Doch viel mehr als ein Prestige- und Sammlerobjekt ist der schicke Flitzer, aus dem sich Chefaufseher Piech bereits zur Hauptversammlung 2013 quälte, nicht. Der 111.000 Euro teure Wagen ist nicht für die Serienproduktion gedacht. Im Angebot hat VW den e-Up!, den e-Golf und bei Tochter Audi den A3 e-tron Plug-In-Hybrid sowie ab 2015 den Sportwagen R8 e-tron. Letzterer sollte zunächst nicht in Serie gehen, nun aber doch kommen - ein kleines Wunder. Als Innovatoren haben sich die Wolfsburger in punkto E-Mobilität mit diesem Modell-Sammelsurium nicht hervorgetan. Stattdessen gilt BMW mit i3 und i8 als Innovationstreiber bei den Stromern. Quelle: dpa
Ferdinand Piëch meckertDem VW-Aufsichtsratschef sind die Brötchen, die seine erster Mann Winterkorn backt, offenbar zu klein. Auf dem Genfer Automobilsalon mäkelte er: „Wir sind nicht wirklich gut unterwegs – nur besser als andere“. Und er deutete Veränderungen im Management an: „Wo gehobelt wird, fliegen Späne.“ Mehr mochte er aber nicht sagen. Dem Chefaufseher geht es offenbar in einigen Bereichen nicht schnell genug voran.... Quelle: dpa
Schneller am Modellrad drehenWinterkorn selbst hat bereits angedeutet, wo er mehr Tempo machen will: Schnellere Modellwechsel sind angesagt. Immer mehr Computer- und Internetbasierte Technologien halten Einzug in die Fahrzeuge - und hier dreht sich das Entwicklungsrad deutlich schneller. „Das“, so Winterkorn, „zwingt uns dazu, darüber nachzudenken, ob die üblichen Modellzyklen von sieben bis acht Jahren nicht deutlich kürzer werden müssten“. Zumindest sollte es möglich sein, Modelle durch ein Software-Update schneller wieder aufzufrischen. Quelle: dpa

Winterkorn läuft die Zeit davon – der Generationenwechsel an der Spitze des Konzerns ist längst überfällig. Winterkorn wäre bei BMW mit seinen 67 Jahren längst in den Ruhestand geschickt. Sein Adlatus Hackenberg erreicht 2015 das 65. Lebensjahr, Personalchef Horst Neumann hat seinen 65. Ende Juni gefeiert. Designchef de Silva ist wie Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch 63. Und Einkaufschef Garcia Sanz, obgleich erst 57, will die Segel streichen, sobald Winterkorn aus dem VW-Vorstand ausscheidet. Winterkorns Vertrag endet derzeit 2016. Doch eine Verlängerung gilt als sicher, um zwei Jahre – bis zur Vorstellung der nächsten Generation des Golf.

Die Uhr läuft

Und dann? Das ist die meistdiskutierte Frage im Konzern. Viele Namen werden genannt. Piëch hält nichts von derlei Spekulationen: „Wir haben erst vor zwei Jahren eine große Jobrotation gehabt.“ Die müsse erst mal greifen. Zudem würde eine Nachfolge-Debatte den Konzern lähmen: „Das kann VW jetzt nicht gebrauchen.“

Dennoch: Die Uhr läuft, auch für Ursula Piëch. Sie nutzt die Zeit, um ein eigenes Beraterteam aufzubauen, obwohl ihr eigentlich „einer reicht“. So sieht man den Hamburger Medienanwalt Matthias Prinz bei öffentlichen Veranstaltungen fast immer an ihrer Seite. Dessen Ehefrau Alexandra von Rehlingen ist eine bekannte PR-Managerin, die gesellschaftliche Großereignisse organisiert und weiß, wie man sich auf dem Promi-Parkett bewegt. Bei juristischen Fragen hilft Hans-Joachim Holzapfel: Der Gesellschaftsrechtler aus der Kanzlei Linklaters berät den VW-Aufsichtsrat.

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