VW-Aufsichtsrat Weil zu Piëch-Vorwürfen „Ich habe von Dieselgate im September 2015 erfahren – und nicht vorher“

Zwei weitere prominente Zeugen im Untersuchungsausschuss zur Abgas-Affäre: Der niedersächsische Ministerpräsident und der Bundesverkehrsminister sagen aus. Sie geben sich als Aufklärer, einige Fragen bleiben aber offen.

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Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, steht am 16.02.2017 als Zeuge vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin. Quelle: dpa

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatten nach eigenen Worten keine frühzeitige Kenntnis über den VW-Abgasbetrug. Weil, der im VW-Aufsichtsrats sitzt, bekräftigte im Untersuchungsausschuss des Bundestages, erst am 19. September 2015 von den Manipulationen erfahren zu haben - aus dem Fernsehen. „Es war abends beim Betrachten der „Tagesschau“.“ Weil widersprach erneut angeblichen Anschuldigungen von Ex-VW-Chefaufseher Ferdinand Piëch, er und weitere Kontrolleure seien früher im Bilde gewesen. Dobrindt wies Vorwürfe mangelnder Aufklärung zurück.

Weil sagte mit Blick auf das Bekanntwerden manipulierte Stickoxid-Testdaten in den USA: „Ich war tief betroffen. Ich hätte dergleichen bei Volkswagen nicht für möglich gehalten.“ Am 18. September 2015 hatten US-Umweltbehörden Verletzungen von Abgaswerten bei VW-Dieseln gemeldet. Der frühere Konzernchef Martin Winterkorn hatte im Ausschuss vor einem Monat ebenfalls gesagt, vor diesem Zeitpunkt nichts über illegale Praktiken gewusst zu haben.

Dobrindt betonte mit Blick auf die Aufklärung des Skandals: „Keine andere europäische Regierung hat so eine Vielzahl von Messungen veranlasst.“ Die Bundesregierung und er selbst hätten erstmals am Wochenende des 19. September 2015 aus den Medien von Manipulations-Vorwürfen gegen VW erfahren. Zwei Tage später habe er eine Untersuchungskommission eingesetzt. Dobrindt bekräftigte seine Forderung, die europäischen Vorschriften zu Abschalteinrichtungen der Abgasreinigung strenger zu fassen.

Der Ausschuss soll vor allem die Rolle der Bundesregierung und der ihr unterstellten Behörden bei der Prüfung auffälliger Emissionswerte untersuchen. Dobrindt wird von der Opposition mangelnde Aufklärung vorgehalten. Kritiker beklagen zudem, dass der Skandal nicht vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) aufgedeckt wurde, das Dobrindt untersteht.

Dobrindt sagte, dazu, das Amt komme seinen Aufgaben nach. Prüfungen könnten aber auch nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Es treffe nicht zu, dass das KBA nach Beginn der Affäre bei VW nicht ausreichend aktiv geworden sei. „Ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist.“ Neue Testverfahren wie Straßenmessungen des RDE-Standards würden erst im September 2017 eingeführt.

Auf die Frage, wann er erstmals mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über das Abgasproblem bei VW gesprochen habe, nannte Dobrindt keine Details. „Gehen Sie davon aus, dass ich über Themen, die in meinem Ressort von Bedeutung sind, die Kanzlerin informiere.“ Er könne sich jedoch nicht mehr genau an den Zeitpunkt erinnern.

Weil sagte, mit Landes-Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) - auch er ist Mitglied des Aufsichtsrates - habe er „an einer nachhaltigen Aufklärung von „Dieselgate“ mitgearbeitet“. Dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen. „Es geht jetzt auch um die Prüfung von Haftungsansprüchen gegenüber Mitgliedern der Unternehmensorgane.“

Alle Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums bei VW, die Piëch in Aussagen gegenüber Staatsanwälten und der US-Kanzlei Jones Day attackiert haben soll, hätten die Anschuldigungen inzwischen „mit sehr klaren Worten sehr vehement zurückgewiesen“, sagte Weil. „Ich habe von „Dieselgate“ im September 2015 erfahren - und nicht vorher.“

Nach Angaben eines Experten der EU-Kommission wurden schon vor zehn Jahren auffällige Abgaswerte von Dieselautos ermittelt. Man habe dies in eigenen Tests etwa bei Modellen von VW (Golf, T5 Multivan), Fiat (Scudo, Bravo), Renault (Clio) und BMW (120d) bemerkt, sagte der Leiter des Referats für nachhaltigen Verkehr, Alois Krasenbrink.

Bei den damals von Lkw auf Pkw übertragenen Messungen hätten sich für „praktisch alle Fahrzeuge“ Abweichungen zwischen Prüfstandsdaten und realem Straßenbetrieb gezeigt. Die Werte seien zwischen 2007 und 2010 entstanden. Es habe seinerzeit aber noch keine konkreten Hinweise auf „betrügerische Absichten“ gegeben, sagte Krasenbrink.

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