VW-Chef Matthias Müller "Mehr Demut steht uns gut"

Seite 6/6

"VW ist nicht präzise genug definiert"

In welcher Richtung?
Porsche und Audi haben da tolle Vorarbeit geleistet und clevere Ideen entwickelt. Die werden wir uns in den nächsten Monaten genauer ansehen. Die Strategie 2025 werden wir Mitte kommenden Jahres vorstellen, dann kann ich Ihnen mehr sagen.

Volkswagen wirbt seit längerem mit dem großspurigen Slogan „Das Auto“. Werden Sie das weiterhin tun?
Im Mai habe ich den größten Auto-Händler der USA getroffen und ihn gefragt, warum wir uns in seinem Land so schwer tun. Er antwortete mit einer Gegenfrage: Wofür steht die Marke VW eigentlich? Das zeigt, dass sich auch die Marke VW eine klare Positionierung auf jedem Markt geben muss, wie dies Audi, Porsche oder Skoda getan haben. VW ist nicht präzise genug definiert – noch weniger in den USA. Vor diesem Hintergrund muss man auch den Slogan „Volkswagen. Das Auto“ kritisch überprüfen. Als er 2007 vorgestellt wurde, war er passend. Ob man ihn vor den aktuellen Ereignissen aufrechterhalten kann, ist eine andere Frage. Darum kümmert sich aber der Markenvorstand um Herrn Dr. Diess.

Der Konzern wurde bisher sehr stark von oben geführt. Warum nutzen Sie in dieser Situation nicht die Chance, Ihre Mitarbeiter zu fragen, was sie verbessern würden?
Bei uns ist jeder eingeladen, seine Meinung zu sagen. Aber groß angelegte Befragungen dauern mir viel zu lang. Bei uns muss es jetzt schnell gehen. Da ist es ein Vorteil, dass ich in diesem Konzern groß geworden bin.

Und warum sind Sie der Richtige?
Weil ich die Stärken, aber auch die Schwachstellen im Konzern kenne. Und viele Kollegen kennen sie auch.

Ihr Vorgänger verfolgte das große Ziel, spätestens bis 2018 Toyota als weltgrößten Autohersteller abzulösen. Bleibt es dabei?
Der Absatz wird sicher auch in Zukunft eine Rolle spielen, aber ich werde sicher nicht die schiere Größe zum Selbstzweck erklären. Ob Nummer eins, zwei oder drei beim Volumen, das ist mir letztlich egal. Wir werden den Führungsanspruch in unserer Branche nicht aufgeben. Aber wir definieren ihn jetzt anders. Unser Ziel ist es, die Zukunft der Mobilität mutig und entschlossen mitzugestalten.

Toyota zu überholen wäre ein solcher Selbstzweck?
In punkto Profitabilität würden wir die Wettbewerber gerne überholen. Dieses Schielen auf Stückzahlen und immer neue Verkaufsrekorde macht aus meiner Sicht wenig Sinn.

Um den Job als Chef des Volkswagen-Konzerns beneidet Sie derzeit wohl niemand. Gab es Momente, wo Sie es bereut haben, dem Ruf nach Wolfsburg gefolgt zu sein?
Nein. Ich wusste ja, was auf mich zukommt. Ich habe kurz darüber nachgedacht und dem Aufsichtsrat dann aber sehr bestimmt gesagt, dass ich es mache. Die Zuversicht, es zu schaffen, hat mich nicht verlassen. Ich spüre Aufbruchsstimmung, es geht voran. Mit der Zeit, davon bin ich überzeugt, wird das eine richtig schöne Aufgabe.

Wie gehen Sie mit dem Risiko um, dass immer noch irgendetwas Unentdecktes über Sie hereinbrechen kann?
So gut es eben geht. Ich schaue derzeit von Quartal zu Quartal. Bisher hatten wir fast nur Krisenmanagement zu bewerkstelligen und wussten morgens oft nicht, was der Tag so bringt. Jetzt richten wir allmählich den Blick wieder mehr nach vorn, auf das, was wir verändern wollen, die Prozesse, die Markenpositionierung, die Modellpaletten. Die Neuausrichtung des Konzerns wird sicher zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen und ist kein Kinderspiel. Aber wenn sich neue Formate und Strukturen herausschälen, ist das für mich der erste Schritt zum Erfolg.

Mit bösen Überraschungen rechnen Sie nicht mehr? Die Betrugsbehörde der EU prüft gerade, ob VW EU-Forschungsgelder zweckentfremdet hat.
100-prozentig sicher kann man nie sein. Aber die größten Probleme haben wir, so denke ich, identifiziert. Jetzt gilt es, sie zügig abarbeiten. Zu dem von Ihnen angesprochenen Fall kann ich nur folgendes sagen: Volkswagen waren zum damaligen Zeitpunkt die Ermittlungen der OLAF nicht bekannt. Wir sind verwundert darüber, dass die Behörde an die Öffentlichkeit geht, ohne zunächst die Betroffenen zu informieren. Grundsätzlich ist festzuhalten: Volkswagen steht seit Monaten in vertrauensvollen Gesprächen mit der Europäischen Investitionsbank. In diesen Gesprächen haben wir die Verwendung der Darlehensmittel offengelegt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%