VW-Dieselaffäre Neue Ermittlung gegen Martin Winterkorn

In der VW-Abgasaffäre weitet die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Ermittlungen aus. Davon ist auch Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn betroffen. Gegen ihn wird nun wegen des Anfangsverdachts des Betruges ermittelt.

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Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt wegen Betrugs gegen den früheren VW-Chef. Quelle: dpa

Düsseldorf Im VW-Abgasskandal rückt der frühere Vorstandschef Martin Winterkorn zunehmend ins Visier der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Gegen ihn werde nun auch wegen des Anfangsverdachts des Betruges ermittelt, teilte die Behörde am Freitag mit.

Es hätten sich „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür ergeben, dass Winterkorn früher als von ihm öffentlich behauptet Kenntnis von der „manipulierenden Software und deren Wirkung gehabt haben könnte“. Der Manager war im September 2015 kurz nach dem Bekanntwerden des Skandals von der VW-Spitze zurückgetreten. Er sei sich aber keines Fehlverhaltens bewusst, hatte er damals gesagt.

Winterkorn bleibt laut Mitteilung seiner Anwälte bei der Darstellung, bis zum September 2015 von illegalen Abgas-Manipulationen nichts gewusst zu haben. VW betonte, sich nicht zu Einzelheiten in dem laufenden Verfahren äußern zu wollen. Der Konzern kooperiere in vollem Umfang mit den Behörden.

Die niedersächsische Staatskanzlei erklärte, sie habe volles Vertrauen in die Arbeit der Justizbehörden. Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies, die beide im Aufsichtsrat von VW sitzen, hätten über die Mitteilung der Staatsanwaltschaft hinaus keine Kenntnisse über Inhalte der Ermittlungsverfahren. Niedersachsen ist mit 20 Prozent zweitgrößter VW-Eigner.

Im Zuge der Ausweitung der Ermittlungen gab es Razzien. Auch Winterkorns Villa wurde durchsucht, wie die Bild-Zeitung meldet. In dieser Woche seien insgesamt 28 Objekte mit Schwerpunkt im Bereich Wolfsburg, Gifhorn und Braunschweig durchsucht worden, hieß es. Die Durchsuchungen richteten sich vor allem gegen die VW-Beteiligung IAV richteten, erfuhr das Handelsblatt aus informierten Kreisen. Der Autotechnikentwickler IAV war kurzfristig für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Chronologie der VW-Diesel-Affäre

Die Zahl der Beschuldigten wurde nochmal deutlich erhöht. Bislang ermittelten die Beamten wegen Betrug gegen 21 Personen, nun sind 16 weitere dazugekommen. Die Ermittler filzten unter anderem die Häuser und Wohnungen der Betroffenen, um Informationen sicherzustellen.

Anhaltspunkte für den neuen Verdacht seien die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, insbesondere Erkenntnisse aus Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten sowie aus der Auswertung beschlagnahmter Dateien, hieß es von den Ermittlern.

Neu auf der Beschuldigten-Liste sind vor allem Software-Spezialisten, die bei der Manipulation der Abgaswerte eine Schlüsselrolle gespielt haben sollen. Ob auch Führungskräfte unter den weiteren Beschuldigten sind, ist nicht bekannt. Bislang ist Heinz-Jakob Neußer, der früher Leiter der Aggregateentwicklung, im Betrugsverfahren der prominenteste Beschuldigte. Er weist die Vorwürfe zurück.

Neben dem Betrugsverfahren gibt es weitere Ermittlungen wegen des Verdachts der Marktmanipulation gegen Winterkorn, VW-Markenvorstand Herbert Diess sowie den aktuellen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, ehemals zuständig für das Finanzressort. Diess' Verteidiger Tido Park betonte gegenüber dem Handelsblatt, dass sein Mandant von der Ausweitung der Ermittlungen nicht betroffen ist. Winterkorn und Pötsch waren für eine Stellungnahme kurzfristig nicht zu erreichen.

Der Skandal um manipulierte Abgastests bei Dieselfahrzeugen hatte VW in eine schwere Krise gestürzt. Die neuen Anschuldigungen sind Wasser auf die Mühlen von Kritikern des Ex-Konzernchefs - und spielen mitunter auch Klägern in die Karten. VW-Anleger fordern Entschädigungen in Milliardenhöhe, weil unter anderem die Aktie nach dem Bekanntwerden des Skandals im September 2015 deutlich an Wert verloren hatte.

Justizkrimi VW-Skandal

Laut Staatsanwaltschaft Braunschweig steht der Zeitpunkt für die neuen Ermittlungen nicht direkt in Verbindung mit zuletzt erhobenen Anklagen in den USA. Unter anderem hätten Zeugenaussagen die Verdachtsmomente bei den deutschen Ermittlungen erhärtet. „Sie können davon ausgehen, dass die Quellen der Erkenntnis auf beiden Seiten des Atlantiks sprudeln“, sagte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Wann die Ermittlungen abgeschlossen sein werden, konnte er noch nicht sagen. Das Ermittlungsverfahren wird nun jedoch noch einmal umfangreicher.

Vor einer Woche hatte Winterkorn erneut abgestritten, bis zum Bekanntwerden des Diesel-Skandals von illegalen Abgas-Manipulationen bei dem Autobauer gewusst haben. „Es ist nicht zu verstehen, warum ich nicht frühzeitig und eindeutig über die Messprobleme aufgeklärt worden bin“, sagte er vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags in Berlin. Die Affäre um manipulierte Abgastests bei Dieselfahrzeugen hatte VW in die schwerste Krise seiner Geschichte gestürzt.

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