VW im GemeinwohlAtlas Volkswagen wird deutlich abgestraft

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VW ist tief in der deutschen Mentalität verankert

Widersprüchlich sind die Ergebnisse nur auf den ersten Blick: Auch wenn der erwartete persönliche Nutzen sinkt und der Kauf eines VW negativ besetzt ist, wird der Konzern nicht aus dem Koordinatensystem der deutschen Mentalität herausgerissen. Warum? VW fallenzulassen würde bedeuten, einen Teil von sich selbst aufzugeben. Dazu sind die Deutschen (noch) nicht bereit.

Es steht einfach zu viel auf dem Spiel, das - neben vielen Arbeitsplätzen - verloren ginge. Zum einen wäre da das Bild der Automobilnation, welches offenkundig vielen gut gefällt, wenn es um ihr Selbstverständnis geht. Zum zweiten wäre andernfalls eine mühsame, vielleicht auch schmerzhafte Redefinition dessen notwendig, was als Gemeinwohl gelten soll.

So bewerten die Deutschen die wichtigsten Unternehmen und Organisationen nach ihrem Einsatz für die Allgemeinheit.

Denn VW hat in seiner jüngeren Vergangenheit auch immer wieder Krisen erlebt, die in Zusammenhang mit moralisch fragwürdigen Praktiken standen. Man denke allein an die Bestechungsaffäre im Jahr 2005.

VW bietet Bausteine für Identität der Deutschen

Vielleicht verzeiht oder vergisst die Bevölkerung solche Affären immer dann recht schnell, wenn es eine Firma betrifft, mit der sie sich selbst stark identifiziert. Andernfalls müssten die Deutschen mit VW auch sich selbst in Frage stellen. Denn: Wir erkennen uns in VW wieder, weil das Unternehmen (nicht unbedingt die Manager) auch Bausteine für unsere eigene Identität und Lebenserzählung anbietet. VW dient als Projektionsfläche unserer eigenen Größe, aber auch unserer Widersprüchlichkeit.  Zudem würde ein mentaler Bruch mit VW bedeuten, die großen Leistungen von VW plötzlich in den Wind zu schreiben. Dies fällt viel schwerer und wäre auch nicht lebensklug.

Antworten auf vier Fragen

Daher kommt es neben der juristischen und moralischen Aufarbeitung darauf an, im Gespräch mit der Bevölkerung zu bleiben. Wie das geht? Sicher kaum durch Hochglanzbroschüren und teure Werbekampagnen. Eher geht es über eine Sprache und Ansprache der Bevölkerung und vor allem auch der eigenen Mitarbeiter, die der Otto-Normalverbraucher versteht und akzeptiert. Vor allem bedeutet dies, den Umbau stärker von der Gesellschaft her zu denken und nicht allein aus der Unternehmensperspektive.

Dafür braucht es einen klaren VW-Kompass, der überzeugende Antworten auf vier grundlegende und nur scheinbar einfache Fragen liefert:

  • Warum sind unsere Produkte immer noch sachlich gerechtfertigt?

  • Welchen Beitrag leisten wir für das Zusammenleben in Deutschland?

  • Was tragen wir zur Lebensqualität bei?

  • Warum sind wir eine anständige Firma?

Bricht nur eine dieser vier Säulen dauerhaft weg, besteht die Gefahr, dass VW wirklich aus dem Gemeinwohl-Koordinatensystem der Deutschen herausgerissen wird. Dann rollt der Volkswagen wahrscheinlich für immer ins Depot. Dies ist längst nicht der Fall und sollte Ansporn für VW sein, mit der Bevölkerung und den Mitarbeitern auf neue Weise ins Gespräch zu kommen. Das Tischtuch ist nicht zerschnitten.

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