VW Die Tage der Wahrheit für Volkswagen

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Manager der Skandalära bleiben in den Schlüsselrollen

Ebenfalls falsch in der Rolle als Aufklärer gilt unter Compliance-Experten Manfred Döss, der Leiter der VW-Rechtsabteilung. Denn die ist wie in jedem Konzern auf die Verteidigung des Unternehmens getrimmt. Sie soll Vorwürfe von Behörden, Öffentlichkeit oder Klägern nach allen Regeln entkräften, nicht aber ihnen auf den Grund gehen und ihre Ursachen publik machen.

VW erklärt dazu auf Anfrage: „Die lückenlose Aufklärung der Sachverhalte hat für uns größte Priorität.“

Manager mit Vergangenheit: Zwar trat VW-Chef Winterkorn nur fünf Tage nach Bekanntwerden des Abgasskandals zurück. Doch ihm folgte mit Porsche-Chef Matthias Müller ein Konzernmanager, der in der entscheidenden Zeit der Abgasmanipulationen einen verantwortungsvollen Job hatte: Müller war 2007 bis 2010 Leiter der Produktstrategie im gesamten VW-Konzern. In dieser Zeit wurde der ab 2007 hergestellte Skandaldieselmotor EA 189 eingeführt. Die Einhaltung immer strengerer Abgaswerte war schon damals eine der wichtigsten strategischen Fragen, vor allem mit Blick auf die scharfen Stickoxidvorschriften in den USA.

Wie VW die „Dieselgate“-Drahtzieher finden will

Hinweise, dass Müller von den Betrügereien wusste oder in den Skandal verstrickt war, gibt es allerdings keine. Einen lupenreinen personellen Neuanfang an der Konzernspitze sähen US-Behörde darin aber nur schwerlich, sagt ein Ex-Siemens-Ermittler. Siemens-Aufsichtsratsvorsitzender Cromme etwa weigerte sich 2007, aus Sorge vor Kritik der US-Börsenaufsicht SEC, den Vertrag von Konzernchef Klaus Kleinfeld zu verlängern. Und das, obwohl dieser nur von Pierer nachgefolgt war, dem die Staatsanwaltschaft ein Bußgeld aufgebrummt hatte, weil er es zu dem Schmiergeldsystem kommen ließ.„Bei VW dagegen überträgt man einem Manager, der in der Skandalära schon Schlüsselfunktionen hatte, die Aufarbeitung des Skandals“, sagt ein einstiger Aufklärer. „Das dürfte jeder US-Behörde als Erstes unangenehm auffallen.“

Auch die Wiederbeschäftigung Eichhorns bei VW dürfte die US-Behörden kaum besänftigen. Denn der Exlobbyist gilt als einer, der mit dafür sorgte, dass Stickoxidemissionen nicht mehr wie früher bei der Abgassonderuntersuchung direkt am Auspuff der Fahrzeuge gemessen werden. Stattdessen muss sich der TÜV seit Jahren auf Angaben verlassen, die ihm die Bordelektronik im Auto (kurz: EOBD) auf dem Rollenprüfstand liefert – und die VW manipuliert hatte. „Gegen eine Einführung einer Stickoxidmessung im Rahmen der Abgasuntersuchung spricht die Tatsache, dass dies bereits sehr verlässlich durch die EOBD abgedeckt ist“, hatte Eichhorn am 7. August 2013 an das Bundesverkehrsministerium geschrieben. Das verhinderte daraufhin die von der EU-Kommission geforderte Stickoxidmessung am Auspuff.

Was VW-Kunden jetzt wissen müssen
Ein kurzer Tastendruck und es geht los: Millimeter um Millimeter wächst der blaue Balken auf dem Computerbildschirm. In nur knapp zehn Minuten ist der schwarze VW-Amarok fertig, der an der anderen Seite des Kabels steckt. Es ist ein kleiner Schritt für den Techniker, aber ein großer für Volkswagen. Denn das Update markiert den Auftakt der größten Rückrufaktion in der Konzerngeschichte. Aber damit nicht genug: Zugleich stiftete das Update neue Verwirrung rund um den im Diesel-Skandal steckenden Autobauer. Noch vor dem offiziellen Segen des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamtes KBA waren die ersten VW-Amarok am Computer – früher als eigentlich angenommen. Quelle: dpa
Zur Aufklärung sagte am Mittwochabend ein VW-Sprecher: „In den vergangenen Tagen sind im Unternehmen die organisatorischen Vorbereitungen für den Rückruf des Amarok abgeschlossen worden.“ Dazu habe auch das Verschicken von Kundenbriefen gehört. Der Sprecher bestätigte zudem, dass die finale Freigabe vom KBA bei VW an diesem Mittwoch einging - das teilte die Behörde aber erst am frühen Abend mit. Zuvor hatte es von dort stets geheißen, die Freigabe stehe noch aus. Die Freigabe für die weiteren betroffenen Modelle befinden sich derzeit beim Kraftfahrt-Bundesamt noch in der Prüfung, wie es weiter hieß. Der VW-Sprecher erklärte: „Im Zuge einer so komplexen, umfassenden und markenübergreifenden Rückrufaktion kann es dazu gekommen sein, dass einige wenige Fahrzeuge bereits in den Werkstätten waren.“ Quelle: dapd
Das Anschreiben von Volkswagen im WortlautSehr geehrter Herr (), wir bedauern sehr, dass Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen derzeit auf die Probe gestellt wird. Und möchten uns zunächst in aller Form hierfür bei Ihnen entschuldigen. Im Rahmen der aktuellen Berichterstattungen über die Stickoxidproblematik bei Volkswagen müssen wir Ihnen mitteilen, dass auch Ihr Amarok betroffen ist. In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergerätesoftware verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes erforderlich. Mit diesem Schreiben möchten wir Sie informieren, dass die benötigte Software zur Verfügung steht und Ihr Fahrzeug nun umprogrammiert werden kann. Wir möchten Sie bitten, sich umgehend mit einem autorisierten Partner für Volkswagen in Verbindung zu setzen, damit ein Termin vereinbart werden kann. Die Maßnahme wird je nach Arbeitsumfang zwischen 30 Minuten und 1 Stunde in Anspruch nehmen und ist für Sie selbstverständlich kostenlos. Haben Sie bitte Verständnis, wenn die Maßnahme aus organisatorischen Gründen im betrieblichen Ablauf auch einen etwas längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann. Wir möchten Sie zudem darauf hinweisen, dass bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gem. §5 FZV durchgeführt werden kann. Zur reibungslosen Abwicklung ist es sinnvoll, wenn Sie zu dem vereinbarten Termin dieses Schreiben und den Serviceplan für die notwendigen Eintragungen mitbringen. Auch wenn Ihnen dieser außerplanmäßige Werkstattaufenthalt Unannehmlichkeiten bereiten sollte, hoffen wir auf Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung bei der Abwicklung dieser vorsorglichen Maßnahme. Wir schätzen Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen und bedanken uns für Ihre Loyalität. Sollten Sie nicht mehr im Besitz dieses Fahrzeuges sein, so geben Sie uns bitte den Namen und die Anschrift des neuen Halters beziehungsweise den Verbleib des Fahrzeugs an. Füllen Sie dazu bitte einfach die beiliegende Antwortkarte aus und senden Sie uns diese Information so schnell wie möglich zurück. Sollten Sie im Zusammenhang mit dieser Überprüfung Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Partner für Volkswagen oder an das Servicetelefon unter der Telefonnummer 05361 83 89 99 60. Mit freundlichen Grüßen Hinweis des Kraftfahrt-Bundesamtes: Ihre Anschrift haben wir für diese Maßnahme gemäß §35 Abs.2 Nr.1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vom Kraftfahrt-Bundesamt erhalten. Quelle: dpa
In der Werkstatt verlief die Umrüstung ohne Probleme. „Aktion 23R7 durchgeführt - Motorsteuergerät NOx“, stand danach im Serviceheft des Amarok in Hannover, dessen Update ein dpa-Fotojournalist begleitete. Das Auto soll nun nicht mehr erkennen können, ob sich ein Auto bei Abgasprüfungen auf dem Teststand befindet oder im Straßenverkehr. Für VW ist es der Startschuss des größten Rückrufs in der Geschichte. Allein hierzulande geht es um 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge. Die Rückruf-Aktion soll sich monatelang hinziehen. Quelle: dpa
Mitte September hatte Europas größter Autokonzern eingeräumt, mit einer Software Abgas-Tests bei Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Dies hatte den Konzern in eine schwere Krise gestürzt. Nun beginnt das „Jahr der technischen Umrüstung“, wie es im VW-Aufsichtsrat bereits hieß. Während die Rückruf-Maßnahmen in den USA für die betroffenen Diesel mit zwei und drei Litern Hubraum derzeit noch mit den Behörden abgestimmt werden, steht der Fahrplan in Deutschland bereits fest: Nach dem Amarok sollen die weiteren Varianten mit 2.0-TDI-Motor in die Werkstätten beordert werden, etwa beim Golf und Passat. Später soll dann der Rückruf für den 1.2-TDI-Motor anlaufen, auch hier reicht ein reines Software-Update aus. Quelle: dpa
Komplizierter wird es bei den 1,6-Liter-Modellen des Skandalmotors EA189. Stand am Anfang noch ein aufwändiger und teurer Austausch der Einspritzdüsen im Raum, hat Volkswagen bereits im vergangenen Jahr eine deutlich günstigere Lösung des Abgas-Problems vorgestellt. Nach Angaben von VW soll der zusätzlich eingebaute Strömungsgleichrichter dafür sorgen, dass Luft besser angesaugt und Treibstoff effizienter verbrannt werden kann. So sollen auch Abgaswerte entsprechend den Emissionsnormen verbessert werden. Quelle: dpa
Experten haben aber bereits Zweifel angemeldet, ob das vorgestellte Luftgitter wirklich ausreicht, um die Messwerte und damit die Verbrennung entscheidend zu verbessern. Die Umrüstung ist bei dem 1.6 TDI aufwändiger, weil alle drei Varianten des EA189 unterschiedliche Motorsteuerungen von verschiedenen Zulieferern stammen, die auf den jeweiligen Motor abgestimmt sind, werden bei jeder Variante auch andere Maßnahmen nötig. Quelle: dpa

Mangelnde Reue: Es ist der 10. Dezember 2015 – knapp drei Monate nach Bekanntwerden der Manipulationen und zwei Wochen vor Müllers Reise in die USA. Der Konzernlenker und neben ihm Aufsichtsratschef Pötsch sitzen auf dem Podium im MobileLifeCampus in Wolfsburg vor 150 Journalisten, stellen die Maßnahmen vor, die VW zur internen Aufklärung ergriffen hat. Eine Journalistin fragt, ob Müller in den USA einen Kniefall plane. Müllers Mundwinkel verbreitern sich zu einem Grinsen, Pötsch lacht auf. „Ob ich einen Kniefall plane – das glaub ich jetzt nicht“, sagt Müller, „ich werde dort selbstbewusst auftreten, mich natürlich noch mal entschuldigen, aber auch optimistisch und selbstbewusst nach vorne blicken.“

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