Die Chefin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, hat sich zu Worte gemeldet und auf die Luftverschlechterung samt Gesundheitsgefährung hingewiesen.
Zu hohe Abgaswerte führen zu stärkerer Feinstaubbelastung. Wenn es sich um unerlaubte Werte handelt, kommt eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung - jedenfalls theoretisch - in Betracht: Denn Autos, die diese Belastung erhöhen, beeinträchtigen damit die Gesundheit und das Wohlbefinden. Allerdings dürfte es kaum möglich sein nachzuweisen, ob beziehungsweise inwieweit die erhöhten Abgaswerte mitursächlich für eine Mehr-Belastung der Gesundheit eines einzelnen Menschen sind.
Es gibt zwar auch den Straftatbestand der Luftverunreinigung, aber von dem sind gerade die Autos ausgenommen - und zwar ausdrücklich. Kritiker dieser Regelung bekommen nun Wasser auf ihre Mühlen.
Die EPA
Die Environmental Protection Agency, kurz EPA, ist so ziemlich die letzte US-Aufsicht, mit der Unternehmen sich anlegen wollen. Die 1970 als unabhängige Umweltschutzbehörde der US-Regierung gegründete Institution gilt als knallharter Regulierer. Politiker - vor allem aus dem Lager der Republikaner - kritisieren die weitreichenden Kompetenzen der EPA immer wieder und sehen die große Macht der Aufseher als Gefahr für die Wirtschaft. Die EPA verteidigt Umweltschutzgesetze wie etwa den „Clean Water Act“ oder den „Clean Air Act“ - gegen den der deutsche Autobauer Volkswagen verstoßen haben soll - teils auch mit drastischen Mitteln wie Milliardenstrafen und strafrechtlicher Verfolgung.
Und was ist mit Urkundenfälschung?
Durchaus, es gibt den Straftatbestand der Fälschung technischer Aufzeichnungen: Wer Messvorgänge aus einem manipulierten Test als richtig darstellt, macht sich auch in Deutschland strafbar. Es droht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
Wenn das Top-Management im Elfenbeinturm saß und das auch glaubhaft machen kann, droht ihm dennoch Strafe?
Selbst wenn die Manipulationen nicht von ganz oben angeordnet waren, greift das Strafrecht: Wer als Manager Straftaten seiner Mitarbeiter erkennt, gegen diese aber nicht einschreitet, macht sich ebenfalls strafbar. Das ist eine Unterlassungstat oder Beihilfe, je nachdem. Selbst wenn die Führungsriege aber wirklich nichts wusste, muss sie wegen Aufsichtspflichtverletzung - das ist eine Ordnungswidrigkeit - eine Geldbuße bis zu einer Million Euro befürchten, jeder einzelne Vorstand und auch jeder Abteilungsleiter. Zumindestens dann, wenn sie nicht ausreichend aufgepasst hat. Die Grundregel: Wer seine Aufsichtspflicht verletzt und dadurch Fehlverhalten seiner Mitarbeiter ermöglicht, muss mit Bußgeldern bis zu einer Million Euro rechnen.
Stimmen zum Abgas-Skandal bei VW
Osterloh fordert im Skandal um manipulierte Abgastests in den USA ein entschiedenes Durchgreifen auch innerhalb des Konzerns. „Das muss jetzt mit aller Konsequenz und Offenheit aufgeklärt werden; und wir müssen Konsequenzen daraus ziehen“, sagte er dem Magazin „Stern“. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Osterloh, der als einer der mächtigsten Männer bei Volkswagen auch Mitglied des Aufsichtsrats ist, äußerte sich geschockt über die Vorwürfe und forderte: „Wir müssen verloren gegangenes Vertrauen bei unseren Kunden zurückgewinnen.“ Vor allem Konzernchef Martin Winterkorn stehe dabei nun in der Pflicht.
„Eine Manipulation von Emissionstests ist völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen“, sagte der SPD-Politiker, der als amtierender Regierungschef in Niedersachsen Mitglied im Präsidium des Aufsichtsrates von VW ist. „Es muss selbstverständlicher Anspruch des VW-Konzerns sein, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten.“ Er habe die Nachricht "mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. Die gegen VW in den USA erhobenen Vorwürfe wiegen schwer“, sagte Weil. Er gehe davon aus, dass diese Vorfälle „schnell und gründlich aufgeklärt werden. Erst danach kann über mögliche Folgen entschieden werden."
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine rasche und volle Aufklärung der Abgas-Manipulationen des Volkswagen-Konzerns gefordert. Merkel sprach sich „angesichts der schwierigen Lage“ für „volle Transparenz“ aus und forderte: „Ich hoffe, dass möglichst schnell die Fakten auch auf den Tisch kommen.“
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Abgas-Manipulationen scharf kritisiert. Der Vizekanzler geht aber von keinem nachhaltigen Schaden für die deutsche Industrie insgesamt aus. „Dass das ein schlimmer Vorfall ist, ist glaube ich klar“.Natürlich gebe es Sorge, dass der exzellente Ruf der deutschen Automobilindustrie und vor allem von Volkswagen darunter leidet: „Ich bin aber sicher, dass das Unternehmen schnell und restlos den Fall aufklären und die denkbar eingetreten Schäden wieder gut machen wird.“ Der Fall sei aber nicht typisch. „Der Begriff „Made in Germany“ ist weltweit ein Qualitätsbegriff.“ Deshalb müsse schnell aufgeklärt werden: „Aber ich glaube nicht, dass das ein dauerhafter und prinzipieller Schaden für die deutsche Industrie ist.“ Gabriel sprach sich dafür aus, Messfehler oder Manipulationen vielleicht einmal insgesamt zu überprüfen.
Die Bundesregierung fordert von den Autoherstellern „belastbare Informationen“, um mögliche Manipulationen bei Abgastests auch in Deutschland prüfen zu können. Diese Überprüfung müsse durch das Kraftfahrtbundesamt vorgenommen werden, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums. Er forderte zudem die Hersteller auf, eng mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten, um eine „lückenlose Aufklärung“ zu ermöglichen. Der Sprecher sagte, seinem Haus lägen „keine weiteren Kenntnisse über mögliche Schummeleien deutscher Automobilproduzenten vor“.
CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat Volkswagen aufgefordert, Kunden "vollumfänglich aufzuklären", um dadurch Vertrauen zurückzugewinnen. Er betonte, die Regierung wolle selbst aktiv dafür sorgen, dass derartige Manipulationen in Zukunft nicht wieder vorkämen.
Volkswagen-Chef Martin Winterkorn kann nach Meinung von Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer angesichts des Abgas-Skandals in den USA nicht im Amt bleiben. Winterkorn, in dessen Verantwortung auch die konzernweite Forschung und Entwicklung falle, habe entweder von den Manipulationen gewusst oder aber er sei ahnungslos und habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff, sagte der Direktor des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen der „Frankfurter Rundschau“. „In beiden Fällen würde ich sagen, dass Winterkorn an der Konzernspitze nicht mehr tragbar ist.“ Der „Westdeutschen Allgemeinen“ sagte er: „Jeder Politiker könnte bei einer solchen Angelegenheit nicht in seinem Amt bleiben.“
In Europa werden die Auto-Abgaswerte nach Angaben des TÜV Süd bereits während der Produktion streng überwacht. „Da gibt es klare Regeln“, sagte ein Sprecher. Für alle Fahrzeuge, die in der EU zugelassen werden sollen, müssten die Hersteller externe Kontrollen sicherstellen. „Die Fahrzeuge werden nach dem Zufallsprinzip vom Band genommen und kontrolliert“, sagte er. Allein der TÜV Süd nehme pro Jahr mehr als tausend dieser Kontrollen vor.
BMW ist nach eigenen Angaben von dem Skandal nicht betroffen. Bei Überprüfungen eines Dieselfahrzeugs habe es keine auffälligen Abweichungen der Werte gegeben, erklärte das Unternehmen. Bei BMW habe sich die EPA nicht gemeldet, hieß es in München. Wie sich der Skandal auf den Absatz von Diesel-Fahrzeugen in den USA auswirken werde, lässt sich nach Einschätzung von BMW noch nicht beurteilen. Für BMW machen diese Fahrzeuge bislang erst einen kleinen Anteil aus: In den letzten Jahren habe der Absatz von Dieselwagen in den USA drei bis sechs Prozent des gesamten Absatzes ausgemacht - höchstens rund 20.000 Fahrzeuge jährlich.
Daimler ist nach eigenen Angaben nicht von den Ermittlungen der US-Umweltschutzbehörde EPA wegen Abgas-Manipulationen betroffen. "Es gibt nach unseren Erkenntnissen keine Untersuchungen zu Mercedes-Benz", teilte der Stuttgarter Konzern am Montag mit.
Nach Meinung von Experten des DIW wird der VW-Abgasskandal im schlimmsten Fall auch die deutsche Konjunktur belasten. "Die Autoindustrie ist technologisch eine der Schlüsselbranchen, es ist die Leitindustrie schlechthin in Deutschland", sagt Industrieexperte Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. "Wenn es zu Absatzeinbußen kommt, könnte es auch Zulieferer treffen und damit die gesamte Wirtschaft."
Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, hat von VW eine schnelle Aufklärung des Abgasskandals gefordert. "Wir kritisieren jegliche Manipulation scharf", sagte er. "Jedes Unternehmen muss sich an die geltenden Regeln halten." Er begrüße aber, dass VW die Vorwürfe von unabhängigen Fachleuten prüfen lassen wolle. "Jedes Fehlverhalten muss lückenlos aufgeklärt werden. Jetzt helfen nur Transparenz, Offenheit und Tempo."
Darf das Unternehmen dies für ihn zahlen?
Ja, wenn es begründen kann, dass dies im Interesse des Unternehmens liegt. Bei Aktiengesellschaften allerdings nicht ohne die Zustimmung der Hauptversammlung, entschied der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr.
Was muss der Konzern in Wolfsburg befürchten?
Für jeden einzelnen Verstoß - und wir sprechen ja von Millionen Verstößen - kann das Gericht eine Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro verhängen. Außerdem kann es den Gewinn abschöpfen, der durch die Tat generiert wurde. In Deutschland können Unternehmen also durchaus empfindlich bestraft werden. Es ist völlig egal, ob wir dies nun Strafe nennen oder Buße. Die wirtschaftlichen Folgen für das Unternehmen sind gleich katastrophal. Siemens, MAN, Ferrostaal - sie alle mussten das schon erfahren.