VW-Skandal Wieso Katar mehr Einfluss in Wolfsburg will

Präsidium, Aufsichtsrat und Vorstand: Das sind die Machtzentren im VW-Konzern. Großaktionär Katar ist nur im Aufsichtsrat vertreten – und will mehr Einfluss. In der Abgas-Krise flackern alte Begehrlichkeiten auf.

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VW Touareg in Katar: Der Großaktionär vom Golf will mehr Einfluss. Quelle: dpa

Die weltweite Abgas-Krise hat Volkswagen in den vergangenen Monaten heftig durcheinander gewirbelt. Auf allen Ebenen des 600.000-Mitarbeiter-Konzerns ist die Nervosität spürbar – nicht nur am Band, wo Leiharbeiter um Jobs und Stammkräfte um die Zukunft bangen. Auch in den höchsten Etagen – Vorstand, Präsidium, Aufsichtsrat – haben die Diesel-Manipulationen Spuren hinterlassen.

Die über Jahre etablierten Machtverhältnisse sind aus den Fugen geraten. Denn die Zielsetzungen der wichtigsten Akteure sind nicht überall deckungsgleich: Während die einen um ihre Dividenden bangen, fürchten andere um Arbeitsplätze und ganze Werkstandorte.

Ein gutes Beispiel für die aktuell schwierige Gemengelage ist der VW-Großaktionär Katar. Seit 2009 ist das finanzkräftige Emirat drittgrößter Anteilseigner in Wolfsburg, nach den Inhaberfamilien Piëch und Porsche sowie dem Land Niedersachsen. Rund 17 Prozent von Volkswagen gehören den Scheichs, gebündelt wird das Investment in einer eigens gegründeten Holding. Dafür hat Katar zwei Plätze im 20-köpfigen Aufsichtsrat, der seit vergangenem Jahr vom ehemaligen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch geleitet wird. So weit, so gut.

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Doch im übergeordneten Präsidium sind die Katarer außen vor. Tonangebend sind – wie im gesamten Aufsichtsrat – die Vertreter von Land und Arbeitnehmerseite sowie natürlich des Porsche/Piëch-Clans. Während sich das Emirat bislang gut damit arrangieren konnte, kommen im Zuge der Krise aber wieder alte Begehrlichkeiten hoch.

Katar will offenbar einen Platz im Präsidium

Die Katarer fordern mehr Einfluss, pochen angeblich gar auf einen Platz im sechsköpfigen Präsidium. Damit nicht genug: In den letzten Wochen häuften sich Berichte, wonach der Großaktionär mächtig sauer ist. Die Aussicht auf Milliardenstrafen und einen drohenden Ausfall der begehrten Dividende hat die Stimmung nicht gerade verbessert. Offizielles dazu ist von den Katarern auf Anfrage zunächst nicht zu hören.

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Ein Dividendenausfall wäre ein Novum in der Beziehung von Volkswagen und Katar. 2014 flossen noch 241 Millionen Euro in den Nahen Osten. Im Aufsichtsrat werden mögliche Drohgebärden aber gelassen gesehen. „Die wollten schon immer mehr Macht“, fasst eines der Mitglieder die Situation dieser Tage zusammen. Solche Aussagen sind keine Seltenheit. Und etwas spöttisch wird dann angefügt: „Vielleicht bauen die auch nur eine Drohkulisse auf, weil der Emir gemerkt hat, wie selten seine Vertreter bei den Sitzungen präsent sind.“

Muss eines der bisherigen VW-Präsidiumsmitglieder bangen?

Schon 2009 beim Einstieg sei ein Präsidiumsplatz in Aussicht gestellt worden, erklärt ein damals mit den Verhandlungen Betrauter. Angesichts des Besitzes von über 50 Millionen stimmberechtigten Stammaktien erscheint das Ansinnen im Sinne der Machtbalance durchaus legitim – das Land Niedersachsen hat mit rund 20 Prozent Stammaktien einen Sitz inne. Warum sollen die Katarer also darauf verzichten?

Technisch wäre die Umsetzung der Forderung einfach, der Aufsichtsrat selbst entscheidet über die Zusammensetzungen der Gremien. Aber müsste dann eines der bisherigen Präsidiumsmitglieder um seinen Platz bangen? Oder soll das Gremium auf acht Köpfe aufgebläht werden? Denn für einen weiteren Vertreter der Kapitalseite müsste in jedem Fall auch ein weiterer Vertreter der Arbeitnehmerseite aufgenommen werden.

von Melanie Bergermann, Martin Seiwert

Im Sinne der Machtarchitektur sehen die meisten Mitglieder keinen dringenden Handlungsbedarf. „Derzeit haben wir genügend andere Baustellen. Die Zusammensetzung der Gremien zählt sicher nicht dazu“, sagt einer der Aufseher.

Die Katarer gelten als loyale Verbündete des Vorstands. Für die Führungsriege um Konzernchef Matthias Müller dürfte mehr Einfluss aus Doha also kein Problem sein, wenn es etwa um die neue „Strategie 2025“ geht. Neben einer neuen, offeneren Konzernkultur stehen dabei auch mehr Eigenständigkeiten der Marken nach dem Vorbild von Porsche sowie mehr Effizienz und Verschlankungen von Abläufen im Blickpunkt.

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Bis zum Sommer soll die Strategie vorliegen, die laut „Handelsblatt“ schmerzhafte Einsparungen umfassen dürfte. Werksschließungen oder der Wegfall von Arbeitsplätzen seien dabei nicht ausgeschlossen - Katar wolle dies unterstützen. Das Land Niederachsen und die Arbeitnehmerseite dürften das anders sehen, offiziell kommentieren will das aber derzeit niemand. Sicher ist, dass in dem SPD-regierten Bundesland und im Betriebsrat die Warnlampen längst an sind.

„Einzig die Familie (Porsche/Piëch) pflegt einen wirklich engen Kontakt zu den Kataris“, berichtet ein Aufsichtsrat. Natürlich gebe es da die latente Sorge, dass das Emirat sich von der Familie instrumentalisieren lasse. Ihre Entscheidungen würden die Katarer aber weder an emotionalen Kriterien - wie der Lage der VW-Belegschaft - noch an persönlichen Beziehungen fest machen. „Es geht denen zwar nicht nur darum, Kasse zu machen“, berichtet ein Insider. „Aber die Dividende ist der Kitt, der die langfristige Partnerschaft von Anfang an möglich gemacht hat und nun auch über die Krise zusammenhält.“



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