VW sucht neues Konzept Letzter Phaeton rollt in Dresden vom Band

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Gläserne Manufaktur soll zur Erlebniswelt werden


Nur wann und wie? Vorerst greift ein Übergangskonzept: Die Verbliebenen sollen die Manufaktur zu einer Art Erlebniswelt umfunktionieren, sozusagen zu einer Art Autostadt im Kleinen. Kultur, Konzerte, Lesungen sollen dann in dem Glas-Ambiente stattfinden. Wenn möglich, wäre eine Ausstellungswelt zur E-Mobilität wünschenswert. Über die Finanzierung wird laut Kreisen erst im April entschieden.

Offiziell klingt das so: „Wir stehen in engem Kontakt zu den Kollegen in Dresden. Gemeinsam besprechen wir mit dem Markenvorstand das Übergangskonzept und die endgültige Lösung für die Gläserne Manufaktur“, sagt Betriebsratschef Bernd Osterloh. Spätestens zum Jahresende wolle der Vorstand das Konzept vorstellen. „Klar ist: Die Gläserne Manufaktur im Herzen Dresdens ist ein absoluter Besuchermagnet und eine Perle für Volkswagen. Wir werden hier sicherlich auch künftig innovative Produkte fertigen und zeigen.“

2014 lag die Produktion bei nur 4000 Wagen

Die Ankündigung vom Auslaufen der Produktion sei wie eine Traueranzeige formuliert gewesen, sagt derweil ein Beschäftigter. Für die meisten kommt die Entwicklung freilich nicht überraschend. 2011 rollten noch 11.166 Phaetons vom Band, das aus edlem kanadischen Ahorn gefertigt ist und nie den Anschein einer normalen Fabrikhalle vermittelte. 2014 lag die Produktion nur noch bei rund 4000 Wagen.

Was VW-Kunden jetzt wissen müssen
Ein kurzer Tastendruck und es geht los: Millimeter um Millimeter wächst der blaue Balken auf dem Computerbildschirm. In nur knapp zehn Minuten ist der schwarze VW-Amarok fertig, der an der anderen Seite des Kabels steckt. Es ist ein kleiner Schritt für den Techniker, aber ein großer für Volkswagen. Denn das Update markiert den Auftakt der größten Rückrufaktion in der Konzerngeschichte. Aber damit nicht genug: Zugleich stiftete das Update neue Verwirrung rund um den im Diesel-Skandal steckenden Autobauer. Noch vor dem offiziellen Segen des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamtes KBA waren die ersten VW-Amarok am Computer – früher als eigentlich angenommen. Quelle: dpa
Zur Aufklärung sagte am Mittwochabend ein VW-Sprecher: „In den vergangenen Tagen sind im Unternehmen die organisatorischen Vorbereitungen für den Rückruf des Amarok abgeschlossen worden.“ Dazu habe auch das Verschicken von Kundenbriefen gehört. Der Sprecher bestätigte zudem, dass die finale Freigabe vom KBA bei VW an diesem Mittwoch einging - das teilte die Behörde aber erst am frühen Abend mit. Zuvor hatte es von dort stets geheißen, die Freigabe stehe noch aus. Die Freigabe für die weiteren betroffenen Modelle befinden sich derzeit beim Kraftfahrt-Bundesamt noch in der Prüfung, wie es weiter hieß. Der VW-Sprecher erklärte: „Im Zuge einer so komplexen, umfassenden und markenübergreifenden Rückrufaktion kann es dazu gekommen sein, dass einige wenige Fahrzeuge bereits in den Werkstätten waren.“ Quelle: dapd
Das Anschreiben von Volkswagen im WortlautSehr geehrter Herr (), wir bedauern sehr, dass Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen derzeit auf die Probe gestellt wird. Und möchten uns zunächst in aller Form hierfür bei Ihnen entschuldigen. Im Rahmen der aktuellen Berichterstattungen über die Stickoxidproblematik bei Volkswagen müssen wir Ihnen mitteilen, dass auch Ihr Amarok betroffen ist. In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergerätesoftware verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes erforderlich. Mit diesem Schreiben möchten wir Sie informieren, dass die benötigte Software zur Verfügung steht und Ihr Fahrzeug nun umprogrammiert werden kann. Wir möchten Sie bitten, sich umgehend mit einem autorisierten Partner für Volkswagen in Verbindung zu setzen, damit ein Termin vereinbart werden kann. Die Maßnahme wird je nach Arbeitsumfang zwischen 30 Minuten und 1 Stunde in Anspruch nehmen und ist für Sie selbstverständlich kostenlos. Haben Sie bitte Verständnis, wenn die Maßnahme aus organisatorischen Gründen im betrieblichen Ablauf auch einen etwas längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann. Wir möchten Sie zudem darauf hinweisen, dass bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gem. §5 FZV durchgeführt werden kann. Zur reibungslosen Abwicklung ist es sinnvoll, wenn Sie zu dem vereinbarten Termin dieses Schreiben und den Serviceplan für die notwendigen Eintragungen mitbringen. Auch wenn Ihnen dieser außerplanmäßige Werkstattaufenthalt Unannehmlichkeiten bereiten sollte, hoffen wir auf Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung bei der Abwicklung dieser vorsorglichen Maßnahme. Wir schätzen Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen und bedanken uns für Ihre Loyalität. Sollten Sie nicht mehr im Besitz dieses Fahrzeuges sein, so geben Sie uns bitte den Namen und die Anschrift des neuen Halters beziehungsweise den Verbleib des Fahrzeugs an. Füllen Sie dazu bitte einfach die beiliegende Antwortkarte aus und senden Sie uns diese Information so schnell wie möglich zurück. Sollten Sie im Zusammenhang mit dieser Überprüfung Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Partner für Volkswagen oder an das Servicetelefon unter der Telefonnummer 05361 83 89 99 60. Mit freundlichen Grüßen Hinweis des Kraftfahrt-Bundesamtes: Ihre Anschrift haben wir für diese Maßnahme gemäß §35 Abs.2 Nr.1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vom Kraftfahrt-Bundesamt erhalten. Quelle: dpa
In der Werkstatt verlief die Umrüstung ohne Probleme. „Aktion 23R7 durchgeführt - Motorsteuergerät NOx“, stand danach im Serviceheft des Amarok in Hannover, dessen Update ein dpa-Fotojournalist begleitete. Das Auto soll nun nicht mehr erkennen können, ob sich ein Auto bei Abgasprüfungen auf dem Teststand befindet oder im Straßenverkehr. Für VW ist es der Startschuss des größten Rückrufs in der Geschichte. Allein hierzulande geht es um 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge. Die Rückruf-Aktion soll sich monatelang hinziehen. Quelle: dpa
Mitte September hatte Europas größter Autokonzern eingeräumt, mit einer Software Abgas-Tests bei Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Dies hatte den Konzern in eine schwere Krise gestürzt. Nun beginnt das „Jahr der technischen Umrüstung“, wie es im VW-Aufsichtsrat bereits hieß. Während die Rückruf-Maßnahmen in den USA für die betroffenen Diesel mit zwei und drei Litern Hubraum derzeit noch mit den Behörden abgestimmt werden, steht der Fahrplan in Deutschland bereits fest: Nach dem Amarok sollen die weiteren Varianten mit 2.0-TDI-Motor in die Werkstätten beordert werden, etwa beim Golf und Passat. Später soll dann der Rückruf für den 1.2-TDI-Motor anlaufen, auch hier reicht ein reines Software-Update aus. Quelle: dpa
Komplizierter wird es bei den 1,6-Liter-Modellen des Skandalmotors EA189. Stand am Anfang noch ein aufwändiger und teurer Austausch der Einspritzdüsen im Raum, hat Volkswagen bereits im vergangenen Jahr eine deutlich günstigere Lösung des Abgas-Problems vorgestellt. Nach Angaben von VW soll der zusätzlich eingebaute Strömungsgleichrichter dafür sorgen, dass Luft besser angesaugt und Treibstoff effizienter verbrannt werden kann. So sollen auch Abgaswerte entsprechend den Emissionsnormen verbessert werden. Quelle: dpa
Experten haben aber bereits Zweifel angemeldet, ob das vorgestellte Luftgitter wirklich ausreicht, um die Messwerte und damit die Verbrennung entscheidend zu verbessern. Die Umrüstung ist bei dem 1.6 TDI aufwändiger, weil alle drei Varianten des EA189 unterschiedliche Motorsteuerungen von verschiedenen Zulieferern stammen, die auf den jeweiligen Motor abgestimmt sind, werden bei jeder Variante auch andere Maßnahmen nötig. Quelle: dpa

Ohne den Verkaufserfolg im fernen China wäre das Aus des Modells wohl schon früher gekommen, heißt es aus der Konzernzentrale. Doch für ein „Weiter so“ reicht die Nachfrage von Kunden aus dem Reich der Mitte eben auch nicht. Ohnehin hat VW mit dem Phideon längst eine Alternative im chinesischen Portfolio. Gerüchte, wonach das Auto irgendwann auch in Europa zu kaufen sein soll, werden aber vehement bestritten. Also auch kein Grund zur Hoffnung in Dresden.

Dresdener Standort soll nicht geschlossen werden

„Wir arbeiten ferner mit Hochdruck an den Vorbereitungen zu einer thematischen Neuausrichtung der Gläsernen Manufaktur, die wir im April der Öffentlichkeit vorstellen werden“, sagt Manufaktur-Sprecher Carsten Krebs. Von April an solle das Gebäude umgebaut und auf die „Flexibilisierung der Manufaktur-Fertigung“ vorbereitet werden. Für Besucher, Veranstaltungen sowie die Fahrzeugauslieferung und -aufbereitung bleibe sie geöffnet.

Aus Konzernkreisen ist zu vernehmen, dass man nach einem 18-monatigen Umbau in Dresden und bis zum möglichen Start eines E-Phaetons in der Manufaktur auch wieder Autos bauen möchte. Welche genau, sei noch im Fluss. Im vergangenen Dezember hatte VW-Markenchef Herbert Diess Top-Modelle der Marken Porsche, Bentley und Audi genannt.

„Der Dresdner Standort ist und bleibt fester Bestandteil der Volkswagen-Familie“, betont Krebs. Auch am Sponsoring für Semperoper und Sächsische Staatskapelle soll sich nichts ändern. Zumindest hier dürften die Phaetons weiter das Stadtbild prägen, wenn sie VIPs der Semperoper oder der Musikfestspiele durch die Stadt chauffieren.

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