VW-Tochter im Abgas-Skandal Porsche stellt sich neu auf

Die VW-Abgasskandal hat auch bei Porsche die Führung kräftig durcheinander gewirbelt. Noch übt sich der neue Porsche-Chef Oliver Blume im Kampf an drei Fronten – doch Besserung ist in Sicht.

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Der damalige Porsche-Chef Matthias Müller neben der Konzeptstudie

Auf seiner hohen stand ein dünner Schweißfilm, als sich Oliver Blume am Donnerstagmittag in seinem Büro durch einen Berg von Akten kämpfte. Kein Wunder bei dem Pensum, das der 47-jährige Ingenieur derzeit zu bewältigen hat. Seit 1. Oktober ist Blume nicht nur Vorstandschef der Porsche AG, sondern obendrein auch Leiter der Produktion und zudem kommissarischer Chef der Entwicklungsabteilung: Die VW-Abgasskandal hat auch beim Sportwagen die Führung kräftig durcheinander gewirbelt.

Vorstandschef Matthias Müller wurde zum Konzernchef befördert, Produktionsvorstand Blume zu Müllers Nachfolger bei Porsche. Technikvorstand Wolfgang Hatz wurde beurlaubt, da er auch die Motorenentwicklung bei Volkswagen verantwortete.
In seiner Freizeit läuft Blume gerne Triathlon – nun praktiziert er auch im Berufsalltag den sportlichen Dreikampf.

Wenigstens noch bis zum 1. Februar kommenden Jahres: Der Porsche-Aufsichtsrat ernannte am Freitag Albrecht Reimold zum neuen Produktionschef und Nachfolger von Blume. Der 54-Jährige leitet derzeit noch das VW-Werk Bratislava, in dem unter anderem der Porsche Cayenne gebaut wird. Ob Blume bald auch die Aufgaben des Technikvorstands delegieren kann, ist hingegen noch nicht abzusehen. In den internen Untersuchungen der Innenrevision muss zunächst geklärt werden, ob Hatz an der Manipulation der Abgaswerte beim VW-Dieselmotor vom Typ EA 189 beteiligt war – Hatz selbst bestreitet das bis heute.

Die "Mission E" muss wohl ein anderer treiben

Viele Ingenieure in Zuffenhausen hätten gerne ihren alten Chef zurück, der das Porsche-Team im Motorsport immerhin zum Titel in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) führte und auch der Kopf hinter der Elektromobilitätsoffensive "Mission E" ist. Möglicherweise, so heißt es im Konzern, werde es wie im Fall Hackenberg aber auch zu einer gütlichen Trennung kommen: Der langjährige VW- und Audi-Chefingenieur Ulrich Hackenberg, 65, war am Donnerstag vom Audi-Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Matthias Müller in den Ruhestand verabschiedet worden. Auch Hackenberg war im Oktober beurlaubt worden obwohl er beteuerte, von den Manipulationen weder gewusst zu haben noch daran beteiligt gewesen zu sein.

Die "Mission E" wird nun wohl ein anderer treiben müssen: Stefan Weckbach. Der 39-jährige ist derzeit noch Leiter der Baureihe Boxster/Cayman, war früher bei Porsche für die Produktstrategie verantwortlich – und Assistent von Matthias Müller. Er soll Porsche nun technologisch in die Zukunft führen und ein neues Kapitel in der Sportwagengeschichte aufschlagen, wie es der Porsche-Aufsichtsrat formulierte.

Das neue Who is Who im VW-Konzern
Stefan Knirsch Quelle: Audi
Hinrich Woebcken Quelle: dpa
Neuer Generalbevollmächtigter für die Aggregate-Entwicklung: Ulrich EichhornVolkswagen hat einen neuen Koordinator für die Aggregate-Entwicklung auf Konzernebene. Der WirtschaftsWoche bestätigte Ulrich Eichhorn, dass er im Frühjahr zu VW zurückkehrt. Der 54-Jährige kommt vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), wo er die Verantwortung für die Bereiche Technik und Umwelt inne hatte. Zuvor war Eichhorn neun Jahre lang Entwicklungsvorstand bei der VW-Tochter Bentley. Eichhorn wird nicht Mitglied des Vorstands, sondern berichtet als Generalbevollmächtigter direkt an VW-Chef Matthias Müller – ähnlich wie der neue Chef-Stratege Thomas Sedran. Quelle: Presse
Der neue Generalbevollmächtigte für Außen- und Regierungsbeziehungen: Thomas StegEs ist kein Wechsel der Funktion, sondern der Zuordnung: Thomas Steg ist seit 2012 Generalbevollmächtigter des Volkswagen-Konzerns für Außen- und Regierungsbeziehungen. Bislang war dieser Bereich Bestandteil der Konzernkommunikation. Jetzt ist das Team um Steg als eigenständiger Bereich in das Ressort von VW-Chef Matthias Müller zugeordnet, an den Steg persönlich berichtet. Der diplomierte Sozialwissenschaftler wird zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit verantworten. „Mit der Bündelung der Konzernzuständigkeiten und der neuen Zuordnung des Themas Nachhaltigkeit trägt Volkswagen dessen wachsendem Gewicht Rechnung“, teilte der Konzern mit. Steg begann seine berufliche Laufbahn 1986 als Redakteur der Braunschweiger Zeitung. Danach war er Pressesprecher zunächst des DGB Niedersachsen/Bremen, ab 1991 des Niedersächsischen Sozialministeriums und ab 1995 der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen. 1998 übernahm er im Bundeskanzleramt die stellvertretende Leitung des Büros von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ab 2002 war er stellvertretender Regierungssprecher, ab 2009 selbstständiger Kommunikationsberater. Quelle: Presse
Der neue VW-Entwicklungsvorstand: Frank WelschKurz nach dem Bekanntwerden von Dieselgate wurde der Entwicklungsvorstand der Marke VW, Heinz-Jakob Neußer, beurlaubt. Bei der Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember ernannte das Kontrollgremium Frank Welsch zu seinem Nachfolger. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur ist seit 1994 im Konzern. Über verschiedene Stationen in der Karosserie-Entwicklung, als Entwicklungsleiter in Shanghai und Leiter der Entwicklung Karosserie, Ausstattung und Sicherheit der Marke Volkswagen arbeitete er sich zum Entwicklungsvorstand von Skoda hoch. Diesen Posten hatte Welsch seit 2012 inne.Sein Vorgänger Neußer verlässt den Konzern allerdings nicht, sondern steht laut VW-Mitteilung "dem Unternehmen für eine andere Aufgabe zur Verfügung". Quelle: Volkswagen
Der neue VW-Beschaffungsvorstand: Ralf BrandstätterRalf Brandstätter wird Vorstand für Beschaffung der Marke Volkswagen. Der 47-Jährige folgt in seiner neuen Funktion auf Francisco Javier Garcia Sanz, der die Aufgabe als Markenvorstand in Personalunion zusätzlich zu seiner Funktion als Konzernvorstand für den Geschäftsbereich Beschaffung wahrgenommen hatte. In Zukunft wird Garcia Sanz zusätzlich zu seinen Aufgaben als Konzernvorstand Beschaffung die Aufarbeitung der Diesel-Thematik betreuen. Brandstätter kam 1993 in den Konzern. Seit dem ist der Wirtschaftsingenieur in verschiedensten Posten für die Beschaffung verantwortlich gewesen, zuletzt als Leiter Beschaffung neue Produktanläufe. Zwischenzeitlich war er auch Mitglied des Seat-Vorstands. Seit Oktober 2015 ist Brandstätter auch Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG. Brandstätter berichtet wie der ebenfalls neu berufene Entwicklungschef Frank Welsch direkt an VW-Markenvorstand Herbert Diess. Quelle: Volkswagen
Neuer VW-Personalvorstand: Karlheinz BlessingMitten in der größten Krise der Konzerngeschichte bekommt Volkswagen mit dem Stahlmanager Karlheinz Blessing einen neuen Personalvorstand. Der Aufsichtsrat stimmte am 9. Dezember bei seiner Sitzung dem Vorschlag der Arbeitnehmerseite für den vakanten Spitzenposten bei Europas größtem Autobauer zu. Blessing folgt damit auf den bisherigen Personalvorstand Horst Neumann, dieser war Ende November in den Ruhestand gegangen. Der Ernennung war eine lange Suche nach einem geeigneten Kandidaten vorausgegangen. Blessing (58) ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Stahlherstellers Dillinger Hütte. Zuvor war er Büroleiter des damaligen IG Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler und Anfang der 1990er Jahre Bundesgeschäftsführer der SPD. 1993 ersetzte er als Arbeitsdirektor bei der Dillinger Hütte Peter Hartz, der damals zu VW nach Wolfsburg ging. Blessing sei gut in der IG Metall vernetzt, habe aber auch unternehmerische Erfahrung, hieß es in den Konzernkreisen. Quelle: dpa

Rund eine Milliarde Euro will das Unternehmen in den kommenden Jahren in Zuffenhausen in Elektromobilität investieren. Geplant ist unter anderem ein neue Montagehalle, eine neue Lackiererei sowie eine eigene Fertigung von Elektromotoren. War der 770.000 Euro teure Hybrid-Supersportwagen Porsche 918 Spyder noch ein auf 918 limitiertes Kleinserienfahrzeug, soll der neue viertürige vollelektrische Tesla-Fighter ab 2019 zur sechsten Baureihe der Marke Porsche werden – neben Boxster/Cayenne, Carrera, Cayenne, Macan und Panamera.

Angepeilt wird für das sportliche Öko-Mobil eine Reichweite von über 500 Kilometern und eine Schnell-Ladezeit von einer Viertelstunde. Über Verkaufspreis und Modellbezeichnung liegt derzeit noch der Mantel des Schweigens. Aber immerhin können für das Projekt nun die Baumaschinen rollen und die nötigen Fachleute angeheuert werden – rund 1000 neue Arbeitsplätze soll die "Mission E" an den Porsche Standorten in Stuttgart und Weissach schaffen.

Die Arbeit wird Blume jedenfalls so schnell nicht ausgehen, die Belastung kaum geringer. Am Dienstag leitete er in Stuttgart zum ersten Mal eine Sitzung mit den Verantwortlichen der neuen Sportwagen-Gruppe des Konzerns, zu der neben Porsche die Edelmarken Bentley und Bugatti zählen. Es ging um das neue, noch ganz konventionell angetriebene und über eine Million Euro teure Bugatti-Modell namens Chiron, um gemeinsame Entwicklungen und Modulstrategien, die bis weit ins nächste Jahrzehnt reichen.

Zudem führte er intensive Gespräche mit den Kollegen von Audi in Ingolstadt über die geplanten Maßnahmen am Sechszylinder-Dieselmotor, der unter anderem im Porsche Cayenne verbaut ist. Die strengen Abgasgrenzwerte des Staates Kalifornien hat der drehmomentstarke wie sparsame Motor offenbar nur mit Hilfe einer Schummel-Software gemeistert. Die Folge: Porsche musste die dieselgetriebenen Varianten des Cayenne deshalb in den USA aus dem Verkauf nehmen. Nach Stand der Dinge werden die bereits ausgelieferten Fahrzeuge zurückgerufen und mit einer neuen Software, teilweise auch mit einem neuen Katalysator versehen werden. Entsprechend angespannt sind derzeit die Beziehungen zwischen Stuttgart und Ingolstadt.

Die Stirn mag glänzen, aber der Porsche-Chef lässt durch die vielen Baustellen um ihn herum nicht aus der Ruhe bringen. Triathlon? Im Winter verlegt man den ohnehin besser in geschlossene Räume.

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