VW und das Personal-Karussell Wer wird was in Wolfsburg?

Nach der Vertragsverlängerung für Vorstandschef Martin Winterkorn werden bei Volkswagen die Weichen für die Zukunft gestellt. Wer bleibt und wer geht.

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Bei VW hat der personelle Umbau begonnen.

An der Spitze von Volkswagen wird so schnell nicht wieder Ruhe einkehren. Der Machtkampf zwischen VW-Chef Martin Winterkorn und dem damaligen Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch im Frühjahr markierte nur den Startschuss für den personellen Umbau.

Nun erhöhen die Großaktionäre des Konzerns – die Familien Porsche und Piëch (51 Prozent), Niedersachsen (20 Prozent) und der Staatsfonds von Katar (17 Prozent) – die Schlagzahl.

Nachdem in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass Winterkorns Vertrag als Vorstandschef des größten europäischen Autokonzerns bis 2018 verlängert werden soll, folgte kurz darauf im Präsidium des Aufsichtsrats die nächste Weichenstellung: IG-Metall-Vertreter Berthold Huber soll den Vorsitz im Aufsichtsrat an den jetzigen VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch übergeben. Schon im November dürfte eine außerordentliche Hauptversammlung der VW-Aktionäre beide Personalien absegnen. Widerstand gegen die Vorschläge ist nicht zu erwarten.

Die neue VW-Konzernstruktur

Allerdings wird sich das Personalkarussell in den nächsten Wochen weiter drehen. Ein Nachfolger für Finanzchef Pötsch muss schleunigst her, gleichzeitig werden sich die Kandidaten für die Winterkorn-Nachfolge in Position bringen. Auf einer Führungskräftetagung Mitte Oktober will Winterkorn zudem das Geheimnis lüften, wie die zwölf Marken unter dem Konzerndach künftig geordnet und geführt werden sollen, um schneller auf Veränderungen reagieren zu können.

Die Zeit drängt: In China und Russland brechen die Verkäufe ein, die Rendite der Kernmarke VW ist lausig, ebenso ihr Auftritt in Nordamerika. Mit seinem Schlussspurt muss Winterkorn beweisen, dass die Mehrheit der Aufsichtsräte ihn zu Recht gegen den Willen von Piëch gehalten hat.

Martin Winterkorn, 68, VW-Konzernchef, wird nicht dem Aufsichtsrat vorstehen. Dafür hat Exchefkontrolleur und VW-Großaktionär Ferdinand Piëch dann doch noch gesorgt, nachdem er mit seinem Versuch gescheitert war, Winterkorn abzusetzen. Vergangene Woche kürte das Präsidium des Aufsichtsrats Finanzchef Pötsch zum Oberaufseher. Der Finanzexperte soll dem Vorstand nun auf die Finger schauen. Winterkorn hätte diese Rolle lieber übernommen, als bis zum Schluss den Praxistest bestehen zu müssen, ob seine Strategie 2018 aufgeht: VW zum größten Automobilhersteller mit einer Umsatzrendite von wenigstens acht Prozent vor Steuern zu machen. Scheitert er an seinen eigenen Zielen, ist ein späterer Wechsel in den Aufsichtsrat definitiv ausgeschlossen.

Die Baustellen des VW-Konzerns
VW in den USA Quelle: dpa
Winterkorn mit dem Chinesischen Vize-Premier Ma Kai Quelle: obs
VW Quelle: dpa
MAN Quelle: dapd
Hauptwerk in Wolfsburg Quelle: dpa

Hans Dieter Pötsch, 64, VW-Finanzvorstand, rückt auf den Posten des Aufsichtsratschefs des Wolfsburger Autokonzerns. Pötsch hat die milliardenschweren Übernahmen von Porsche, MAN und Scania ruhig abgewickelt. Er achtet darauf, dass die autovernarrten Techniker des Konzerns die Kosten nicht aus dem Blick verlieren. Der gebürtige Österreicher steht seit zwölf Jahren im Dienst von Volkswagen. Er ist ein Mann des Ausgleichs und genießt das Vertrauen der Familien Piëch und Porsche, für die er nun Winterkorn als Aufsichtsratschef von VW verhindert. Das Ansehen beider Clans erwarb er sich, nachdem der Übernahmeangriff von Porsche auf VW 2008 gescheitert war und er die komplizierte Einigung mit Porsche mit erarbeitete. Ihr verdanken die Piëchs und Porsches, dass sie heute Mehrheitsaktionäre eines führenden Autokonzerns anstelle eines kleinen Sportwagenbauers sind.

Herbert Diess, 56, seit Mai VW-Markenvorstand, hat gute Chancen Martin Winterkorn an der Spitze des Gesamtkonzerns zu beerben. Der smarte Ex-BMW-Einkaufschef hatte Ex-VW-Aufsichtsratschef Piëch und Vorstandschef Winterkorn überzeugt, der richtige Mann zu sein, um bei VW die Kosten zu killen. Denn bei BMW hatte er Einsparungen im Einkauf in dreistelliger Millionenhöhe geschafft. Diess weiß, dass er sich dabei mit dem mächtigen VW-Betriebsrat und der IG Metall gut stellen muss. Deshalb bemüht er sich um einen guten Draht zu VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh. Der hat Diess sein Vertrauen ausgesprochen – erst einmal.

Die Tops und Flops von Ferdinand Piëch
Porsche Typ 356 2 (Gmünd) Coupé 1948 Quelle: Presse
Benzin im Blut - VW-Patriarch Ferdinand Piëch Quelle: dpa
Porsche Bergspyder 909 Quelle: Presse
Gulf Porsche 917 Quelle: Presse
Porsche 917 Quelle: dpa Picture-Alliance
Ferdinand Piech Quelle: dpa Picture-Alliance
Bei Audi in Ingolstadt Quelle: dpa

Bernd Osterloh, 59, VW-Betriebsratschef, hat – auch wenn er dies öffentlich nie sagen würde – selbst Ambitionen: Er gilt in Wolfsburg als Anwärter auf den mit rund sechs Millionen Euro dotierten Posten des Personalvorstands. Amtsinhaber Horst Neumann scheidet Ende des Jahres aus, eine Vertragsverlängerung ist nicht vorgesehen. Traditionell steht der Personalchef bei VW den Gewerkschaften nahe. Bei VW, wo fast alle Mitarbeiter der IG Metall angehören, gilt ein Spruch von Exaufsichtsratschef Piëch: „Gegen die Arbeitnehmervertreter ist das Unternehmen nicht zu regieren.“ Ein direkter Wechsel vom Betriebsrat in den Vorstand wäre zwar selbst für VW-Verhältnisse heikel. Doch in Wolfsburg rechnen viele damit, dass Winterkorn Osterloh für das Amt gewinnen wird. Denn die beiden sind seit Jahren ein eingespieltes Team und sollen in den nächsten Jahren ein zehn Milliarden Euro schweres Sparprogramm durch den Konzern peitschen. Dabei gilt es, ein Kunststück zu vollbringen: Sparen, ohne die riesige Belegschaft zu verkleinern, die 70 Prozent größer ist als die von Toyota, aber nicht wesentlich mehr Umsatz schafft. Schwer vorstellbar, wie das mit einem anderen als Osterloh gehen sollte.

Audi-Chef Rupert Stadler, 52, fühlt sich nach eigenen Worten pudelwohl in Ingolstadt. Gleichwohl ist Piëchs ehemaliger Bürochef ein erster Kandidat für die Nachfolge von Pötsch als VW-Finanzchef. Stadler besitzt die Nähe zu dem VW-Patriarchen, da er im Vorstand von dessen Stiftung sitzt, die eines Tages Piëchs Nachlass verwalten soll. Nach Wolfsburg locken könnte den Zahlenmenschen die Aussicht, an zentraler Position die Strippen zu ziehen und sich so zu einem weiteren Kandidaten für die Winterkorn-Nachfolge 2018 zu machen.

Was aus Piëch, Müller und Renschler wird

Matthias Müller, 62, Porsche-Chef, käme wohl als Chef an seine alte Wirkungsstätte Audi zurück, würde Stadler als Finanzchef nach Wolfsburg wechseln. Er ist in Ingolstadt aufgewachsen und hat seine berufliche Laufbahn als Werkzeugbauer bei Audi begonnen. Müller und Winterkorn verbinden viele gemeinsame Jahre im VW-Konzern. Winterkorn machte ihn zum Chefkoordinator für Audi, Seat und Lamborghini und nahm ihn 2007 nach Wolfsburg mit, als er selbst VW-Chef wurde.

2010 wurde Müller Porsche-Chef und integrierte die Sportwagenschmiede geräuschlos in den VW-Konzern. Müller genießt im Konzern hohes Ansehen, gilt als durchsetzungsstarker und erfahrener Stratege, der Porsche endgültig zu einem Goldesel des Konzerns machte. Zeitweise war er sogar als Winterkorn-Nachfolger im Gespräch, bevor in Wolfsburg die Frühjahrsunruhen ausbrachen.

Andreas Renschler, 57, Chef der VW-Nutzfahrzeugsparte, gilt als ambitioniert, ihm fehlt aber das nötige Netzwerk in Wolfsburg. Der ehemalige Daimler-Lkw-Chef führt erst seit Februar 2015 von Braunschweig aus das Lkw-Geschäft. Er muss aus MAN und Scania eine schlagkräftige Lkw-Allianz formen. Offen ist, wie und ob die VW-Transporter überhaupt in die neue Trucks & Bus-Holding passen. Viel Arbeit also für Renschler. Erreicht er seine Ziele bis 2017 ist er ein weiterer Anwärter auf den Chefsessel.

Ulrich Hackenberg, 65, Entwicklungschef bei Audi, ist der Vater der Plattform-Strategie des Volkswagen-Konzerns. Der polyglotte Westfale hat seit Sommer 2013 den Premiumhersteller, der seinen „Vorsprung durch Technik“ (Eigenwerbung) zu verlieren drohte, mächtig aufgemischt. Mit Elan entwickelte er in kürzester Zeit eine Elektroautostrategie und ging eine Kooperation mit koreanischen Batterieherstellern ein. Inzwischen gilt er in Ingolstadt als fast noch mächtiger als Audi-Chef Stadler. Sein Vertrag könnte noch einmal um fünf Jahre verlängert werden, aber für die Winterkorn-Nachfolge ist er dann zu alt.

Christian Klingler, 47, VW-Vertriebsvorstand, fühlt sich offenbar zu Höherem geboren, eckt bei den Vorstandskollegen jedoch oft an. Einige Vertriebsmanager hat er aus dem Unternehmen gedrängt, nun könnte er selbst seinen Job verlieren. Denn die einzelnen Verkaufsregionen von VW sollen künftig stärker selbst über ihre Modellpolitik entscheiden dürfen. Damit steht Klinglers Zentralressort auf der Kippe. Ihm lastet auch der Ruf an, seinen Posten der Nähe zur Familie Piëch zu verdanken.

Winfried Vahland, 58, Chef der tschechischen VW-Tochter Škoda, wird ebenfalls als Kandidat für die Winterkorn-Nachfolge gehandelt – allerdings mit geringeren Chancen. Vahland hat sich seine Sporen Ende der Neunzigerjahre in China verdient, wo er den Grundstein für den bisherigen Erfolg der Wolfsburger im größten Markt der Welt legte. Vahland ist kein Mann der großen Bühne, vertritt seine Marke innerhalb des Konzerns aber selbstbewusst. Für manchen einen Hauch zu selbstbewusst, wie es im Konzern heißt. Beobachter räumen ihm bei der Winterkorn-Nachfolge daher nur mittelmäßige Chancen ein.

Ferdinand Piëch, 78, Ex-Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG, mischt seit April über seinen Posten als Vorstand der Porsche-Holding und Großaktionär bei VW weiter kräftig mit. Wie groß sein Einfluss auf die Porsches und Piëchs heute noch ist, wird sich zeigen, wenn ein Nachfolger des künftigen Chefkontrolleurs Pötsch gefunden werden muss. Der ist mit seinen 64 Jahren nur eine Übergangslösung.

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