VW Die drei Probleme des Martin Winterkorn

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Winterkorns Billigauto-Vorstoß in Indien endete im Desaster

Hier ist eine Antwort Winterkorns überfällig. Denn unter seiner Ägide scheiterte bereits ein Billigauto-Vorstoß in Indien. Gemeinsam mit dem japanischen Hersteller Suzuki wollte VW ein Billigmodell für den dortigen Milliardenmarkt entwickeln, doch die Kooperation endete schon nach Monaten in einem Desaster. Inzwischen ist das Duo verfeindet – und VW beim Billigauto weiterhin auf null.

Auch in Brasilien, dem zweitwichtigsten ausländischen Markt von VW nach China, kommt Konzernchef Winterkorn nicht um einen Neuanfang herum. Fast ein Drittel weniger Autos verkaufte VW im vergangenen Jahr als 2013, obwohl der Gesamtmarkt nur um 19 Prozent schrumpfte. David Powels, der im Januar angetretene VW-Landeschef, steht vor einem Scherbenhaufen. Der Marktanteil der Wolfsburger in Brasilien ist von 23 Prozent vor fünf Jahren auf inzwischen 15,3 Prozent gefallen.

Am Amazonas haben die Wolfsburger versäumt, wettbewerbsfähige VW-Modelle auf den Markt zu bringen, zum Beispiel sportliche Geländewagen. Auf solche Fahrzeuge des japanischen Herstellers Honda warten die Kunden gern drei Monate, das Unternehmen musste die zwei Schichten täglich um jeweils zwei Überstunden verlängern.

Winterkorn muss Russland-Strategie hinterfragen

VW dagegen verließ sich in Brasilien zu lange auf den Gol, den Nachfolger des legendären Käfers. 27 Jahre lang kassierten die Deutschen über drei Modellgenerationen hinweg verlässliche Renditen. Doch nun haben die Brasilianer die Nase voll von dem veralteten Auto und steigen um auf neuere, modernere Modelle von Honda, Hyundai und General Motors. „Das zeigt, dass Volkswagen im Vergleich zur Konkurrenz um ein Jahrzehnt zurückliegt“, sagt der brasilianische Autoexperte André Deliberato.

Erst recht muss VW-Chef Winterkorn seine Strategie in Russland hinterfragen. Zwei Jahre ist es her, da nannte er das Land den Wachstumsmarkt Nummer eins in Europa und kündigte Investitionen von 1,2 Milliarden Euro bis 2018 an. Doch dann kamen die Ukrainekrise, Sanktionen der Nato- und EU-Mitgliedstaaten sowie die Wirtschaftskrise. In den ersten sechs Monaten 2015 verkaufte VW nur noch 42.000 Autos, halb so viel wie im Vergleichszeitraum 2013.

Und wieder sind es nicht nur die äußeren Umstände, die VW Probleme bereiten. Das zeigt das absatzstärkste Modell des Konzerns in Russland, der Polo mit Stufenheck, auf den die Hälfte der verkauften Volkswagen entfällt. Das Modell komme nicht mehr gegen die Konkurrenz an, sagt Andrej Toptun vom Branchendienst Autostat. Der Absatz des Polo brach in den vergangenen zwei Jahren um mehr als 40 Prozent ein, während Konkurrenzmodelle von Hyundai und Kia fast Vorkrisenniveau erreichen.

Bei diesem Problemberg ist es für Winterkorn ein schwacher Trost, dass er im ersten Halbjahr in Europa, wo VW Marktführer ist, mit einem Plus von knapp vier Prozent mehr Autos verkaufte, als Experten erwarteten. Seit Exaufsichtsratschef Ferdinand Piëch im Frühjahr vergeblich versuchte, ihn zu demontieren, steht der 68-Jährige nicht nur als Sieger da – sondern auch als einer, von dem nun alle neue Taten erwarten.

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