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Die Demontage der Marke Opel

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Die Wut der Journalisten

Das Verständnis für Markenwerte und Respekt vor der Arbeit der Marketingverantwortlichen scheint auch vielen Journalisten abhandengekommen zu sein. Sie reihen sich ein in die Riege der Kritiker und dreschen mit auf die Marke ein. Ihnen scheint nicht bewusst zu sein, dass sie sich als öffentliche Meinungsbildner an der Zerstörung von Marken-, und damit Unternehmens- Werten beteiligen.

Wer ist PSA?
Der vom Staat gestützte französische Autobauer PSA Peugeot Citroën hat im vergangenen Jahr weltweit über 3,1 Millionen Fahrzeuge abgesetzt. Der französische VW-Konkurrent mit den Marken „Peugeot“, „Citroën“ und „DS“ sah sich in Europa länger als Branchenzweiter. Im vergangenen Jahr schnitt aber Renault laut Branchenverband Acea etwas besser ab als PSA und schob sich hinter Volkswagen auf Platz Zwei. Quelle: REUTERS
Konzernchef Carlos Tavares fuhr in den vergangenen Jahren einen harten Sanierungskurs – unter anderem mit Werkschließungen und Jobabbau. Um das vor drei Jahren stark angeschlagene Unternehmen zu retten, schoss unter anderem der französische Staat Geld zu und hielt zuletzt rund 14 Prozent der Anteile. Quelle: REUTERS
Auch der staatlich kontrollierte chinesische Hersteller Dongfeng stieg 2014 bei dem Traditionsunternehmen mit 14 Prozent ein. Der Einfluss der Peugeot-Familie sank im Zuge der Sanierung hingegen beträchtlich. Quelle: AP
Der Umsatz betrug im vorvergangenen Jahr 54,7 Milliarden Euro; neuere Jahreszahlen liegen nicht vor. Der Konzern beschäftigte 184.000 Mitarbeiter. Quelle: AP
Unlängst schaltete die französische Antibetrugsbehörde nach Untersuchungen zu Diesel-Abgasen bei PSA die Justiz ein. Ein entsprechendes Dossier ging an die Staatsanwaltschaft. Es liegt nun an der Justiz, über eventuelle Folgen zu entscheiden. Der Konzern betonte, er habe seine Fahrzeuge niemals mit Betrugs-Software ausgestattet. Quelle: REUTERS
Bei PSA war in der Vergangenheit häufiger bemängelt worden, dass sich die Franzosen zu sehr auf den europäischen Markt konzentriert hätten und nicht ausreichend in Asien präsent seien. Doch auch in Asien will der potenzielle Opel-Käufer aufholen: Wie ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, ist PSA auch am asiatischen Hersteller Proton in Malaysia interessiert. Quelle: REUTERS
Zuvor hatte die französische Wirtschaftszeitung „Les Echos“ berichtet, Peugeot-Citroën wolle die Kontrolle Protons übernehmen. Das Unternehmen stehe seit Monaten zum Verkauf. Mit schnellen Entscheidungen ist laut Sprecher nicht zu rechnen – mit Blick auf den Zeitplan sprach er in allgemeiner Form von „mehreren Wochen“. Quelle: REUTERS

Beispielhaft ist ein Beitrag im Wirtschaftsmagazin „Capital“. Darin schreibt Bernd Ziesemer: „Die Manager von Opel haben sich in den letzten Jahren so sehr in ihr eigenes Storytelling verliebt, dass sie die schönen Wörter irgendwann mit der schnöden Wirklichkeit verwechselt haben. Die plötzliche Entscheidung der Konzernmutter General Motors, Opel zum Verkauf zu stellen, markiert zugleich das Ende des Selbstbetrugs in Rüsselsheim.“ Für Ziesemer ist Opel-Chef Neumann gescheitert. Es liest sich wie eine Hinrichtung.

Auch die „FAZ“ sekundiert: „Man müsste an Wunder glauben lernen, um auf eine wirklich gute Zukunft von Opel zu setzen.“ Diese Beiträge geben der Marke Opel keine Chance, sich zu erholen. Sie würdigen nicht die Leistung der Opelaner in den letzten Jahren. In seinem Blog „Indiskretion Ehrensache“ titelt Thomas Knüwer folgerichtig: „Willkommen im Land der Wutjournalisten“. 

Opels Produktionsstandorte in Europa

Dass es auch anders geht, beweist „Bilanz“. Hier schreibt Henryk M. Broder: „Heute sind wir alle Opel.“ Für ihn ist Opel so deutsch wie die Schwarzwälder Kuckucksuhr. Er träumt im Beitrag von seinem ersten Opel Kadett und verspricht, dass sein nächstes Auto wieder ein Opel (Kadett) wird.

Intelligenz gefragt

Ungeachtet der Angriffe gegen ihre Marke geht Opel-Vorstand Tina Müller (W&V: „Die Kämpferin“) weiter ihren Weg. Ihre Arbeit sieht sie nicht in Gefahr: "Dieser Markenaufbau wird konsequent fortgeführt. Alle für dieses Jahr geplanten Kampagnen werden wie vorgesehen eingeführt." Es sei die größte Modelloffensive der Firmengeschichte.

Anders kann man den Kampf gegen die Marketing-Ignoranz der Konzernchefs und selbst vieler Journalisten nicht gewinnen. In einer Zeit, in der viel über Künstliche Intelligenz gesprochen wird, wird es Zeit, dass menschliche Intelligenz wieder in die Unternehmensführung einkehrt.

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