Es ist nicht einfach, die Menschen zu fragen, was für Produkte sie gern hätten und was sie von einer Marke erwarten. Henry Ford sagte einmal: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: Schnellere Pferde.“ Dennoch ist es heute wichtiger denn je, das Ohr am Markt und am Puls der Zeit zu halten und zu verstehen, was die Menschen umtreibt, was sie wünschen und was sie brauchen. Denn in vielen Märkten verändert sich die Einstellung der Verbraucher vehement.
Ganz besonders gilt das für den Pkw-Markt. War das Auto früher ein emotionales Statussymbol, fragen die Menschen heute rational nach der für sie und die Umwelt sinnvollsten Form der Mobilität.
Während die Autobauer im Inland in den letzten Jahren kräftig an der Preisschraube drehten, wandten sich immer mehr Verbraucher den preiswerteren Carsharing-Angeboten zu. Doch die erweisen sich nun zunehmend als Problem für Volkswagen, Daimler, BMW und Co. Inzwischen werden die nutzbaren Gebiete aus Kostengründen wieder eingeschränkt. Opel dagegen geht als erster Hersteller mit CarUnity einen vielversprechenderen Weg, bei dem die Nutzer der Community auch ihre eigenen Fahrzeuge zur Verfügung stellen können.
Wie sich die Autokonzerne im deutschen Social Web schlagen
Seat
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Renault
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Ford
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Hyundai
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Skoda
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Toyota
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Mercedes
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VW
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Opel
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BMW
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Audi
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Der "Methusalem"-Effekt
Überhaupt gerät der Inlandsmarkt für die meisten Pkw-Hersteller in gefährliches Fahrwasser. Neuwagen kaufen inzwischen insbesondere ältere Frauen - eine Zielgruppe, die von den Autobauern bislang völlig ignoriert wurde. Der gesamte Marketing-Mix inklusive der Werbung der Pkw-Marken ist nach wie vor darauf aus, Männer mit PS und technischen Daten einzufangen. Von „quirlig, chic und elegant“, also Attributen, die jüngere Frauen ansprechen könnten, ist wenig zu sehen. In der Folge sank der Anteil jüngerer Frauen an den Neuwagenkäufern dramatisch.
Bemühungen um die jugendliche Pkw-Zielgruppe („Generation Y“) drohen zu scheitern. VW Financial Services etwa nutzt neue Werbeformen wie Content Marketing und setzt dabei auf YouTube-Videos. Doch offenbar stoßen sie bei der Zielgruppe nur auf mäßiges Interesse: Die meisten Filmchen der Serie „Eigentlich einfach“ bringen es nach den ersten Monaten auf nur wenige tausend Views.
Leben in der alten Welt
Die Betrachtung der deutschen Pkw-Zulassungszahlen über einen längeren Zeitraum ergibt denn auch kein sonderlich rosiges Bild. Die internationalen Erfolge insbesondere der Premiumautobauer bleiben hierzulande aus: Audi konnte in den letzten zehn Jahren seinen Absatz um nur 9 Prozent steigern, BMW nur um 5 Prozent. Bei Mercedes sank der Absatz sogar - um abenteuerliche 26 Prozent. Dabei, das ist bemerkenswert und für die Hersteller bedrohlich, ist der Markt der Privatzulassungen immer weiter rückläufig und sank zuletzt auf nur noch 36 Prozent.
Das Problem der deutschen Autobauer ist schnell ausgemacht. In „Capital“ schreibt Bernd Ziesemer: „Die meisten deutschen Automanager leben immer noch in der alten Welt. Im Mittelpunkt ihrer Strategien stehen neue Modelle und die bestmögliche Auslastung ihrer Fabriken. Techniker geben in den Vorständen den Ton an, Marketingspezialisten gelten als kreative Spinner.“
Ist das Werbung oder kann das weg?
Dass die Zielgruppe, die Käufer und Autofahrer, in den Mittelpunkt der Strategien gehören, hat sich scheinbar bei zu vielen Automobilherstellern noch nicht herumgesprochen. Umso mehr Aufsehen erregte Opel, als man vor zwei Jahren die Marketingspezialistin Tina Müller (auch noch eine Frau!) ins Management Board der Opel Group holte. Das Ergebnis war nicht nur die spektakuläre „Umparken im Kopf“-Kampagne, sondern damit auch eine ansehnliche Steigerung der Absatzzahlen.
Mit einem Neuwagen-Absatzplus von zuletzt 13 Prozent steigerte man bei Opel auch den Marktanteil erstmals seit vier Jahren.
Angriff der Underdogs
Opel spielt geschickt mit Jürgen Klopp und dem Begriff „Status“, beginnt seine potentiellen Käufer wieder zu begeistern - und legt nach: In dieser Woche startet eine neue Kampagne namens „Quantensprung“ für das Modell Astra, die offenbar an die aufsehenerregenden Audi-Kampagnen der Achtzigerjahre anknüpfen will.
Ebenso auffällig bewegt sich Dacia auf seine Zielgruppe zu und spricht diejenigen an, für die ein Auto heute eben kein Statussymbol darstellt. Der Marktanteil des Pkw-Underdogs stieg 2014 immerhin um acht Prozent und damit deutlich über den Marktdurchschnitt. Beide, Opel und Dacia, beweisen, dass Marken mit Profil, die auf die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Zielgruppen eingehen, den Nerv ihres Publikums besser treffen und mehr Erfolg haben als die, die nach alter Manier nur auf vergangene Tugenden wie PS und Status setzen. Das erweist sich zunehmend als Fehler.
So verwundert es nicht, dass der „Deutsche Markenmonitor 2015“ des Rats für Formgebung und der GMK Markenberatung zum Ergebnis kommt, dass die Marke zwar allgemein für 90 Prozent der Marketingentscheider maßgeblich zum Unternehmenserfolg beiträgt, aber gleichzeitig drei viertel der Marken in Deutschland ein klares Profil fehlt. „Erschwerend komme hinzu, dass die meisten Mitarbeiter oft gar nicht wissen, wofür die eigene Firma überhaupt steht“, kommentiert Hans Meier-Kortwig, Inhaber der GMK Markenberatung, die Studie.
Wenn weiterhin die Markenführung in deutschen Unternehmen eine dermaßen untergeordnete Rolle behält und den Marken die nötige Differenzierung und Kundenorientierung fehlt, werden für viele Unternehmen die Marktanteile zwangsläufig weiter sinken.
Auch die Automobilhersteller müssen begreifen, dass sich die Welt dreht und geändert hat. Früher wurde erst produziert und dann eine Zielgruppe für das Produkt gesucht. Heute gilt „The consumer is king“: Am Anfang steht die gesuchte Zielgruppe und das daraus entstehende Markenprofil. Erst dann kann eine Werbekampagne zum erwünschten Marketingerfolg führen.
Dann wird Werbung wieder zum Aushängeschild der Marke, anstatt nur überflüssiger Firlefanz zu sein. Eigentlich ist es ganz einfach.