Werk in Xinjiang Der riskanteste Standort im VW-Imperium

Das neue Werk in der muslimisch geprägten westchinesischen Unruhe-Provinz Xinjiang ist der Preis, den der deutsche Autobauer bezahlen muss, um eine viel größere Fabrik im Osten des Landes hochfahren zu dürfen. Eine Reportage vom wohl riskantesten Standort des VW-Konzerns.

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In einer einsamen Provinz in China betreibt VW eine Fabrik auf Wunsch der Regierung. Quelle: dapd

Die Schafe auf der Ladefläche des Transporters blöken. Die Laute der Tiere mischen sich mit türkischer Popmusik aus dem Autoradio. Hier, an der Unterführung, endet die Stadtautobahn von Urumqi und der Asphalt gleich mit. Verstaubte Autos und Lastwagen stauen sich auf gestampftem Kies. Ein Lastwagenfahrer mit dichtem schwarzem Haar und geschwungenem Schnurrbart flucht auf einer nach Türkisch klingenden Sprache.

Urumqi ist die Hauptstadt der chinesischen Provinz Xinjiang, 3.000 Kilometer westlich von Shanghai, und zugleich die Kulisse eines ungewöhnlichen Deals, den Volkswagen in China eingegangen ist. Schon wenige Kilometer außerhalb der Drei-Millionen-Stadt erinnert nichts mehr an China. Hier stößt die Volksrepublik an Zentralasien, an Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan und Afghanistan. Die Männer hier tragen Kaftane, die Frauen Kopftücher. Ausgerechnet hier, im unchinesischen, unentwickelten fernen Grenzland hat Autobauer Volkswagen im August ein Werk eröffnet – auf Wunsch der Regierung, die die zentralen und westlichen Regionen des Landes wirtschaftlich entwickeln will.

In Urumqi soll VW zum Wachstum in der chinesischen Provinz beitragen. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Für Experten wie Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC in Shanghai musste Europas größter Autobauer auf den Fingerzeig aus Peking eingehen, um im Gegenzug die Erlaubnis für ein neues Werk in Chinas Südosten, in Foshan, zu erhalten. In der sicheren und gut entwickelten Sieben-Millionen-Einwohner-Metropole durfte China-Chef Jochem Heizmann im September eine Riesenfabrik eröffnen, die zunächst 300 000 und später doppelt so viele Fahrzeuge pro Jahr ausspucken soll. Die Anlage in Foshan ist für VW enorm wichtig, um den Verkauf in China in eine neue Größenordnung zu katapultieren: 2,8 Millionen Autos setzte VW 2012 in China ab, in den ersten acht Monaten 2013 waren es 18 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum – Tendenz: weiter so.

Mit bestenfalls 50.000 Autos pro Jahr wirkt die Fabrik in Urumqi im Vergleich zu Foshan wie ein zusätzliches Fließband am Ende der Welt. Langsam löst sich der Stau, die Fahrt geht weiter zu einem der typischen Gewerbegebiete, wie sie in den vergangenen Jahren überall in China aus dem Boden gestampft wurden. Gerade, breite Straßen führen über eine Ebene. Ein kalter Wind weht.

„In Urumqi gibt es nur zwei Jahreszeiten“, sagt Abdul, ein junger Uigure. „Sommer und Winter.“ Im August ist es in Chinas äußerster Nordwestprovinz brütend heiß, im Winter kann das Thermometer auf minus 40 Grad fallen. Abduls Chinesisch ist brüchig, sein Englisch dagegen fließend.

Wo die deutschen Automobilhersteller in China produzieren, wie viele Menschen dort arbeiten und wie die Kapazitäten ausgebaut werden sollen.


Die Volkswagen-Fabrik glänzt silbern in der Herbstsonne. Dreimal ist darauf der Schriftzug „Shanghai Volkswagen Xinjiang“ zu lesen: In lateinischen, chinesischen und arabischen Schriftzeichen. Die chinesischen Schriftzeichen sind am größten. Volkswagen produziert hier seit August das Mittelklassemodell Santana. 2014, wenn Presswerk und Lackiererei fertig sind, soll die Produktion auf 50.000 Wagen steigen. Viele internationale Nachbarn haben die Wolfsburger hier nicht: eine Coca-Cola-Fabrik und den Baumaschinenhersteller Sany, der im Jahr 2012 den deutschen Betonpumpenbauer Putzmeister übernahm.

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